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die anderen zum ewigen Verderben bestimmt. Wir können Gott deswegen keinen Vorwurf machen, denn er handelt wie ein autonomer römischer Familienvater (pater familias). Das Böse in der Welt sei nur ein Mangel des Guten, dem aber kein Wesen zukomme.6

      In der Welt stehen sich immer die Gottesliebe und die Selbstliebe gegenüber: Menschen der Gottesliebe prägen das Reich Gottes (civitas Dei), Menschen der Selbstliebe formen den Weltstaat (civitas terrena). Weil wir Menschen nach dem Glück des Lebens verlangen, muss Gott als höchstes Glück existieren. Innerhalb der einen göttlichen Wesenheit (essentia) existieren drei Personen, die sich in ihren Beziehungen (relationes) unterscheiden. Die Zeugung des göttlichen Sohnes geschehe durch einen Denkakt des göttlichen Vaters. Der Heilige Geist gehe aus dem göttlichen Vater und dem göttlichen Sohn hervor, er sei die Person gewordene göttliche Liebe. Die Welt sei von Gott aus dem Nichts erschaffen worden, im erschaffenen Urstoff seien vernünftige Keimkräfte (semines rationales), aus denen dann die vielen Einzelwesen entstehen.

      Die »massa perditionis«

      Durch die Erbsünde seien die Menschen vor Gott eine verdammte Masse (massa perditionis), durch die sexuelle Begierde (concupiscentia carnalis) pflanze sich diese Ursünde bei allen Menschen fort. Folglich sei die menschliche Sexualität vor Gott, außer in der gesetzlichen Ehe und zum Zweck der Erzeugung von Kindern immer mit der Sünde verbunden. Diese extreme Abwertung der Sexualität prägt das Denken dieses Theologen und Bischofs und hatte große Auswirkungen auf die Lehre der Kirche.

      In Jesus Christus seien zwei Naturen, eine göttliche und eine menschliche. In der Person des göttlichen Logos (Christus) seien zwei Substanzen unvermischt und unverwandelt miteinander verbunden. Die Erlösung vom Bösen geschehe durch Jesus Christus, der dem Teufel die Falle des Kreuzes gestellt habe. In seiner Frühzeit glaubte Augustinus, der Glaube sei eine Tat des Menschen. In seiner Spätzeit war er überzeugt, dass der Glaube allein ein Geschenk der göttlichen Gnadenkraft sei.

      Aus freier Entscheidung habe Gott so viele Menschen, wie es Engel gibt, zum ewigen Heil vorherbestimmt. Diese Auserwählten (electi) gelangen unabhängig von ihren moralischen Verdiensten zum ewigen Heil. Alle anderen Menschen gehen wegen der ihnen vorenthaltenen göttlichen Gnade ins ewige Verderben. Das sei kein Unrecht, weil wir Menschen keinen Rechtsanspruch auf die göttliche Barmherzigkeit haben. Gott verhält sich gegenüber den Nichterwählten passiv und schenkt ihnen nicht die Gnade. Dennoch gäbe es in der Welt Gottes keine Ungerechtigkeit. Die Menschen können dem Wirken der göttlichen Gnadenkraft keinen Widerstand entgegensetzen, was aber durchaus mit ihrem freien Willen vereinbar sei. Der britannische Mönch Pelagius hatte in Rom dieser Lehre heftig widersprochen.

      Das göttliche Heil könne es für die Menschen nur innerhalb der von den Bischöfen geleiteten Kirche geben, außerhalb dieser Kirche sei kein Heil zu erlangen (extra ecclesia nulla salus). Dennoch müsse zwischen einer sichtbaren und einer unsichtbaren Kirche unterschieden werden. Der christlich gewordene Staat dürfe die Menschen daher auch mit Gewalt zum Eintritt in diese Kirche der Bischöfe zwingen. Dieser staatliche Zwang sei für sie eine bittere, aber heilsame Medizin. Mit diesem Denkkonzept hat Aurelius Augustinus die christliche Reichskirche fast 1000 Jahre entscheidend geprägt und das Modell Platons vom geschlossenen und totalitären Staat auf die Kirche übertragen.7

       Die Augustinus-Regel

      Die große Bedeutung des Augustinus für das christliche Mönchtum besteht darin, dass er eine kurze Regel für das Klosterleben geschrieben hat, die älteste abendländische Mönchsregel überhaupt, die von vielen späteren Orden und geistlichen Gemeinschaften ihrem Zusammenleben zugrunde gelegt wurde. Als Augustinus um das Jahr 397 das erste von ihm gegründete Kloster verließ, hinterließ er dieser Männergemeinschaft Anweisungen für das Zusammenleben in Schriftform. In zwölf Kapiteln hat er die wichtigsten Punkte benannt. Grundsatz für das Klosterleben ist für Augustinus, dass die Mönche, die mit ihrer Aufnahme ins Kloster der Welt entsagt haben, die Lebensweise der ersten christlichen Gemeinde nachahmen. Sie sollen ein Herz und eine Seele sein, alles soll ihnen gemeinsam sein, wie es Augustinus in Anlehnung an die Apostelgeschichte (4,32) einleitend formuliert. Um das Ziel des brüderlichen Lebens auf Gott hin zu erreichen, sind neben der Gütergemeinschaft die Demut und Selbstbeherrschung eines jeden Einzelnen erforderlich. Augustinus legt in der Regel die Zeiten des Gebets, der Schriftlesung und der Arbeit fest, handelt vom Essen und Fasten, von der brüderlichen Zurechtweisung, der Konfliktbewältigung und dem Gehorsam gegen die Oberen. Auch die Verwaltung des gemeinsamen Gutes und die Sorge für die Kranken werden geregelt. Selbst die Kleidung gilt als Gemeingut und wird aus einer Kleiderkammer den Mönchen ohne Ansehen der Person zur Verfügung gestellt. Der Text der Augustinus-Regel endet mit der Einschärfung, die Regel zu befolgen und zwar in Liebe, als Freie unter der Gnade Gottes, und sie zu diesem Zweck einmal wöchentlich vorzulesen. In einem Brief des Augustinus ist auch eine Regel für Frauen erhalten, die der Mönchsregel entspricht, aber teilweise an anders gelagerte Bedürfnisse der Frauen angepasst ist.

      Johannes Cassianus (360–435)

      Dieser Ordensgründer wurde um 360 in der östlichen Provinz Skythia geboren, er kam früh nach Palästina und besuchte Klöster in Bethlehem und in Ägypten. Zehn Jahre lang lebte er in einem Mönchskloster im Nildelta, bevor er in ein Kloster in der östlichen Kaiserstadt Konstantinopel übersiedelte. Dort wurde er vom Bischof Johannes Chrysostomos zum Diakon geweiht. Wenig später reiste er in die westliche Kaiserstadt Rom, wo er vom Bischof zum Presbyter geweiht wurde. Er blieb nicht lange in Rom, sondern fuhr mit dem Schiff nach Marsilia (Marseille) in Gallien weiter, wo er nach dem Vorbild der ägyptischen Klöster ein Kloster für Frauen und ein solches für Männer gründete. Er sammelte Anhänger für das asketische Leben in der Stadt und der Umgebung. Die Bewerber kamen dabei aus allen sozialen Schichten. Er selbst leitete ein Männerkloster und schrieb seine Erfahrungen sowie ein Regelwerk für das gemeinsame Leben nieder.

      In seinem Buch über das gottgeweihte Leben (De institutis coenobiorum) beschrieb er die Einrichtungen der Mönchsgemeinschaften im Osten des Reiches, in Ägypten und Palästina, und berichtet über die Zeiten des Gebets und Essens, über die Kleidung und Arbeit der Mönche sowie über die Aufnahme und Bildung der Novizen (Neulinge). Danach beschreibt er den Weg zur moralischen Vervollkommnung des Lebens und stellt die acht Grundsünden dar, die ein Mönch meiden muss. Johannes Cassianus hat ein theologisches Werk über die Inkarnation (Fleischwerdung) Christi verfasst. Darin unterscheidet er für Christen zwei Wege der moralischen Formung, nämlich den Weg des aktiven Lebens (vita activa) in Beruf und Familie, zum andern den Weg der Meditation im Kloster (vita contemplativa).

      Der Mönch muss sein Herz jeden Tag von Sünden reinigen, um im Gebet die volle Gegenwart Gottes erfahren zu können. Denn jeder Mensch muss sich aus eigener Kraft auf das Wirken der göttlichen Gnade vorbereiten. Hierin unterschied er sich deutlich von den Lehren des in Nordafrika wirkenden Bischofs Aurelius Augustinus. Die Gnade Gottes begleitet und vervollkommnet den menschlichen Willen und sein persönliches Wirken. Aufgrund der möglichen moralischen Verdienste sei jeder Mensch zur ewigen Seligkeit vorherbestimmt, aber nicht jeder erreiche sie. Doch Gott habe niemanden im Vorhinein zum ewigen Verderben ausgesucht.

      Auf Bitten des römischen Diakons und späteren Papstes Leo I. verfasste er noch sieben Bücher über die Menschwerdung Christi, in denen er sich mit den Lehren des griechischen Theologen Nestorios auseinandersetzte. Er war davon überzeugt, dass zur Erlangung des ewigen Heiles die göttliche Gnade und die freie Entscheidung der Menschen zusammenwirken müssen. Denn die Hinwendung zum Glauben und der gute Wille seien Sache der Menschen und nicht der göttlichen Gnadenkraft.

      Alle Menschen, nicht nur wenige, seien zum ewigen Heil von Gott erwählt, der aber den Lebensweg jedes Menschen im Voraus kenne. Die Vollkommenheit der Mönche bestehe in den inneren Tugenden, aber nicht schon im Verlassen der weltlichen Lebensformen. Das höchste Ziel sei die vollkommene Liebe, die wohl ein Geschenk der göttlichen Gnade sei und uns dem Göttlichen ähnlich

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