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Caroline v. Humboldt während ihres Aufenthaltes in Wien, und Alexander bekannte, dass er dessen »Klinikum mehrere Wochen lang besucht, bloß um den alten Frank näher kennen zu lernen.«80 Er gestand, selten habe ein Mann solchen Eindruck auf ihn gemacht. »Welche Klarheit der Ideen, Besonnenheit und Gründlichkeit bei dem sichtbarsten Aufblitzen des Genies!« Frank war 1784 Baldingers Nachfolger in Göttingen geworden, und wenn es ihm damals möglich gewesen wäre, die Klinik nach seinem Wunsche einzurichten, hätte Alexander ihn wahrscheinlich schon an der Georgia Augusta kennengelernt. So war er auf Drängen Voltas und Scarpas von Kaunitz nach Pavia berufen worden, zehn Jahre später, 1795, war er erst nach Wien gekommen. Humboldt konnte ihn immer nur kurz sehen oder sprechen, da er nach einem genauen Zeitplan lebte.

      7. SCHÖNBRUNN UND DIE ÖSTERREICHISCHEN

      FORSCHUNGSREISENDEN

       Österreich kommt um einen Bonpland

      Alexander beschäftigte sich indessen mit seinem Manuskript über die gereizte Muskel- und Nervenfaser und bereitete sich weiter auf die Reise nach Westindien vor. Mehrere Tatsachen wirkten zusammen, um ihn in diesem Reiseziel zu bestärken:

      Böhtlingk, der Freund aus Hamburg, sei nach Wien gekommen, schrieb er Freiesleben, und sei noch fest gesonnen, mit ihm »nach Westindien« zu gehen. »Wir denken, über Spanien und Teneriffa die Reise anzutreten. Er hat 40 000 Rubel Einkünfte.«81 Sodann konnten der ältere Jacquin und Franz Boos Humboldt nun persönlich von Westindien erzählen. In den gepflegten und modern angelegten Gewächshäusern Schönbrunns sah Alexander eine ungeahnt große Zahl westindischer Pflanzen82, die seine Phantasie wieder in die schon längst gewählte Richtung lenkten. Die Verdienste der österreichischen Forscher ließen sich jetzt an der Quelle feststellen und vermittelten Humboldt das Verständnis für eine der größten Unternehmungen der Geschichte der Reisen.83

      Der Garten von Schönbrunn war 1753 auf Anregung Gerhard van Swietens, des wissenschaftlich sehr einflussreichen Leibarztes der Kaiserin Maria-Theresia, von dem holländischen Hortologen Adrian van Stekhoven eingerichtet worden.84 Die Regenten bekundeten stets Interesse und Opferwillen, wenn es um den Ausbau Schönbrunns ging. Die Vervollständigung des Gartens war daher zwischen 1756 und 1822 Anlass zu neun österreichischen Expeditionen85, die Pflanzen sammelten und andere wissenschaftliche Aufgaben durchführten.

      Westindien, die Inselwelt der Großen und Kleinen Antillen sowie die an das Karibische Meer grenzenden Länder waren nach den Fahrten des Kolumbus bald die bekanntesten Landschaften der Neuen Welt geworden. Bukanier und Flibustier hatten das karibische Areal besonders gut kennengelernt und in Schilderungen dargestellt. Die Spanier hatten ihre Besitzungen zum ersten großen Gebiet der kolonialen Plantagenwirtschaft auf der Grundlage der Sklavenarbeit entwickelt, und spanische und englische Reisende hatten die Erforschung eingeleitet. Nikolaus Joseph Jacquin hatte die großen Reisen Österreichs eröffnet und z. B. auch den Plan einer österreichischen Koloniengründung durch ein Programm unterstützt.86 Ihm war es zu verdanken, dass der Blick auch in Zukunft nach Westindien gerichtet blieb. Humboldt kannte die österreichischen Expeditionen und berief sich noch später auf einige von ihnen.87 Er besprach sich oft mit den beiden Jacquin und arbeitete mit Franz Boos, der von 1783–1827 den Schönbrunner Garten leitete, zusammen.88

      Den jungen Josef van der Schot, der den Universitätsgarten am Rennweg von 1794–1802 beaufsichtigte, zählte er zu seinen intimsten Freunden überhaupt. Durch den Briefwechsel mit ihm wissen wir, dass er Franz Boos sehr verehrte. Van der Schot aber war der Sohn des gleichnamigen Reisebegleiters des älteren Jacquin.89 Während Humboldt sich in Wien aufhielt, beauftragte ihn der Kaiser mit einer Reise nach Brasilien.90 Alexander schrieb darüber an Freiesleben: »Ich habe (ein Geheimniß) hier die Hoffnung, fast Zusicherung, einen herrlichen Reisegefährten zu erhalten, den jungen van der Schot, einen herrlichen jungen Mann von großer botanischer Gelehrsamkeit und edlem Charakter. Er ist botanischer Gärtner hier, der Kaiser wird ihn reisen lassen, und ich schließe mich an diese Expedition an. Preise mich deshalb glücklich … Das Rindvieh [hiesiger Mineralogen] habe ich wenig gesehen, da ich meist in Schönbrunn und mit van der Schot lebte, um mich auf meine Reise zu präpariren.«91 Als sich dieser Plan infolge der Napoleonischen Kriege zerschlug, wollte sich van der Schot seinerseits der Reise Humboldts anschließen. Insofern hat KRONFELD recht, dass Österreich um einen Bonpland gekommen ist.92

      Die spezielle botanische und länderkundliche Vorbereitung Alexanders in Richtung auf Westindien wurde in Wien vollendet.93 Jacquin hatte als hervorragender Beobachter nicht etwa nur botanisch-systematisch gearbeitet, sondern wertvolle Erkenntnisse z. B. über die Mangrovenvegetation mit zurückgebracht. Dazu war er ein geschulter Zeichner; denn er gehörte zu den Schülern der k. k. Zeichenakademie in Wien. Die Wiener Gelehrten hatten mit als erste überhaupt die Frage der Pflanzenerhaltung auf Expeditionen durchdacht. Verluste ließen sich aber nicht gänzlich vermeiden. Man musste Zeichner sein. So sind die Illustrationen der großen Prachtwerke Jacquins entstanden, und Hunderte von Zeichnungen94, die Humboldt noch vorgelegen haben.

      Hier öffnet sich auch der Blick für die wichtige Frage nach den Beziehungen Humboldts zu Thaddäus Haenke (vgl. unten S. 258 ff.). Nikolaus Jacquin war neben Ignaz v. Born der wichtigste Lehrer von Thaddäus Haenke, d. h. eines der bedeutendsten Reisenden auf der Schwelle vom 18. zum 19. Jahrhundert.95 Humboldt kannte Malaspinas Expedition und erhielt nun wichtige Mitteilungen über Haenkes Teilnahme und Ergebnisse, die er später noch ergänzen konnte. Jedenfalls wusste Humboldt vor Antritt seiner Reise sehr viel von Haenke, vor allem auch, dass er noch in Südamerika weilte.96 J. H. Zöllner hatte erstmals auf ihn hingewiesen.

      Wenn Alexander später von Josef van der Schot sprach, hob er gern seine enge Freundschaft zu ihm hervor und nannte ihn den »jungen brasilianischen Reisenden«.97 Aus seinen Mitteilungen soll sich nach der Übersetzung Hauffs ergeben, Baudin habe seinen »Freund, den jungen Botaniker van der Schot, nach Brasilien gebracht …«98 In Wirklichkeit hat Humboldt in seiner Relation historique geschrieben: »Ich hatte wenig Zutrauen zu dem persönlichen Charakter des Kapitäns Baudin, der dem Wiener Hof Ursache zur Unzufriedenheit gegeben hatte, als er beauftragt war, einen meiner Freunde, den jungen Botaniker van der Schot, nach Brasilien zu führen«99 – mehr lässt sich darüber nicht in Erfahrung bringen. Aus dieser Formulierung lässt sich ein Brasilien-Aufenthalt des Wiener Botanikers nicht ohne Weiteres ableiten.100 Van der Schots Berichte über Baudin waren gewiss eindeutig, und Franz Boos’ Erzählungen dürften dieses recht eigenartige Charakterbild noch abgerundet haben: 1785–1788 hatten Boos und Scholl im Auftrag des Kaisers mit großem Erfolg im südlichen Afrika, auf Inseln der Maskarenengruppe und auf Madagaskar gearbeitet. Boos hatte 1788 heimkehren können. Scholl hatte zurückbleiben müssen, da sich nicht alle Schätze auf Baudins Schiff unterbringen ließen, das sie in Triest entladen sollte.101 Am 28. Juni 1794 hatte Scholl das falsche Spiel Baudins enthüllt, der anstatt »Curiosités naturelles vor seine kayserliche Majestät in Indien« zu sammeln, Sklavenfracht an Bord genommen hatte. Er ließ sogar seine Fregatte auf Sand laufen, um seine »Ware« schneller absetzen zu können. Baudin betrog damit den Kaiser um eine beträchtliche Summe Geldes und Scholl um die Hoffnung baldiger Heimkehr.102 Erst 1799 konnte dieser auf einem englischen Schiff zurückfahren und sich in Wien melden, nachdem man ihm vorher noch in London einen Teil seiner Schätze widerrechtlich abgenommen hatte.103 Einen ebenso bedenklichen Streich leistete sich Baudin 1796, als er aus Westindien zurückkam und die Sammlungen, die rechtmäßig Österreich gehörten, dem französischen Direktorium anbot, das ihn dafür zum Kapitän ernannte und schließlich mit einer großen Expedition betraute, die auch für Humboldt wichtig werden sollte.104

      8. WISSENSCHAFTLICHE ARBEITEN IN SALZBURG

       Humboldt wachsen tausend Hände

      Humboldt hatte während seines dreimonatigen Aufenthalts in Wien sehr oft allein in seinem Zimmer gearbeitet und sich deshalb einsam gefühlt. Der zweite Band seines Werks über die gereizte Muskel- und Nervenfaser

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