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immer so blaue Bilder. Moderne Kunst. Früher waren das kleine blaue Bilder, aber jetzt malt er nur noch sehr große blaue Bilder. Und die passen nicht durch die Tür vom alten Atelier, deswegen hat er was Neues gesucht.“

      Ein Strahlen ging über Elviras Gesicht. „Ach, ein Künstler! Das wusste ich ja gar nicht. Das hast du nie erzählt. Das ist ja hochinteressant.“

      „Menschen gibt’s …“ Mihai schüttelte belustigt den Kopf. Blaue Bilder, was war denn das für eine Farbe? Rot und Schwarz, das waren Farben. Oder seinetwegen noch ein dunkles Grün. Grün wie die Wälder in seiner geliebten Heimat Transsilvanien.

      „Willst du seine Telefonnummer?“, bot Silvania ihrer Mutter an, die begeistert nickte: „Oh ja, unbedingt! Da ruf ich sofort an!“

      Daka knallte ihren Löffel auf den Teller und stand auf. „Ich bin fertig“, brummte sie.

      Silvania hielt sie am Arm fest. „Warte, wir wollten doch noch fragen …“

      „Was?“, fragte Daka genervt.

      Silvania seufzte. War ja klar. Alles blieb wieder an ihr hängen. Typisch. Nur weil sie sieben Minuten älter war als Daka, musste sie sich immer kümmern.

      „Wir wollten fragen, ob wir ein paar Tage zelten dürfen. Mit Jacob, Helene und Ludo. Am Bindburger See …“, begann Silvania.

      Elvira nickte, dass ihre Locken wackelten. „Gute Idee, finde ich toll! Mit euren Freunden – was sagst du, Mihai?“

      Mihai nickte, wenn auch etwas zögerlich. Aber er hatte heute schon einmal Nein gesagt und wollte nicht schon wieder der Spielverderber sein. Auch wenn er es nicht so berauschend fand, dass seine Töchter allein an einem See herumhängen wollten. Da schien doch ständig die Sonne und das Wasser reflektierte das Licht nach allen Seiten. Nicht gerade das, was einem Vampir gefiel.

      „Okay, von mir aus“, murmelte Mihai.

      Daka schnaufte wütend und machte ohne ein weiteres Wort die Fliege.

      Silvania dagegen hob vor Freude fast vom Boden ab.

      „Danke! Super! Superfutzig!“, rief sie und folgte ihrer beleidigten Leberwurst-Schwester.

      Mihai sah seinen Töchtern etwas unglücklich hinterher. Elvira bemerkte es, legte ihre Hand auf seine und drückte sie sanft. „Sie beruhigt sich schon wieder. Daka ist halt impulsiv. Das hat sie von dir.“

      Mit diesen Worten blickte Elvira ihren feurigen Vampirmann liebevoll an und als er in ihre wunderschönen tiefblauen Augen sah, lächelte er. Und für einen kurzen Moment dachte er, dass blaue Bilder vielleicht doch nicht so schlecht sein konnten.

      Ludo fühlt etwas

      Auf dem Friedhof war heute nicht viel los, denn im Sommer kamen die Bindburger erst gegen Abend, um die Blumen auf den Gräbern zu gießen. Die Vampirschwestern hatten sich mit Helene hier verabredet. Helene war einfach die allerbeste Freundin der Welt. Schließlich war sie nicht nur das muffig-coolste Mädchen in ihrer Klasse, sondern liebte auch alle düsteren Orte wie Friedhöfe oder verlassene Fabrikhallen. Genau wie Vampire. Und sie träumte vom Fliegen. All das konnte sie mit Daka und Silvania ausleben. Und noch etwas verband die drei Mädchen. Sie hatten alle Geheimnisse. Die Vampirschwestern, dass sie Vampirschwestern waren, und Helene, dass sie nicht gut hören konnte und ein Hörgerät trug. Freundinnen teilen gern Geheimnisse. Und Helene teilte gern ihren Lieblingsplatz an dem romantischen Brunnen auf dem Friedhof. Was sie heute aber nicht teilte, war die schlechte Laune, die Daka noch immer versprühte. Stinkwütend saß die in einem Baum und grummelte wie ein hungriger Vampir.

      „Ich lass mir das nicht verbieten. Ich hau einfach heimlich ab“, drohte sie.

      „Spinnst du? Das darfst du nicht!“ Silvania war entsetzt. Und entsetzlich genervt. Nach dem Mittagessen hatte sie alles versucht, um Daka aufzuheitern. Sie hatte ihr ihren Lieblingscomic von Flatsch und Mitch rausgekramt, den Daka schon seit Ewigkeiten gesucht hatte, und dann hatte sie sogar das kleine Aquarium von Karlheinz sauber gemacht. Karlheinz war Dakas Blutegel, den sie im Schleimtierunterricht in Bistrien gezüchtet hatte. Daka liebte Karlheinz. Silvania fand Karlheinz eher eklig, denn er war schleimig und pupste ständig. Doch Silvanias Mühen waren umsonst. Daka hatte die Krypton Krax-Musik auf ihrem Kopfhörer lauter gedreht und Silvania den Rücken zugedreht.

      Silvanias letzte Hoffnung, dass Helene ihr helfen konnte, hatte sich auch zerschlagen. Dakas Stimmung war auf dem Tiefpunkt. Tiefer als das tiefste Grab des gesamten Bindburger Friedhofs.

      Silvania sah sich um und bemerkte Ludo und Jacob, die auf die Mädchen zukamen. Eigentlich bemerkte sie nur Jacob und zumindest ihre Stimmung hob sich deutlich.

      „Hallo, Mädels!“, grüßten die beiden Jungs.

      „Stellt euch vor: Mein Vater hat ein echtes Beduinenzelt!“, verkündete Jacob stolz. Sein Vater war Australier und schon viel herumgereist. Neben blauen Bildern lagerten bei den Bartons jede Menge Mitbringsel aus aller Welt.

      „Wie cool!“, meinte Helene.

      „Das ist ja super!“, fand auch Silvania. Sie fand sowieso alles super, was Jacob sagte oder machte.

      SCHWUPP! hüpfte Daka vom Baum. „Mann!“, rief sie.

      „Was ist denn mit dir los?“, wunderte sich Ludo. Als Daka nicht antwortete, sah Ludo Silvania fragend an.

      „Daka will auf ein Konzert und Papa hat es ihr verboten“, erklärte Silvania.

      „Was für ein Konzert denn?“, fragte Jacob neugierig. Er liebte Konzerte.

      Daka verschränkte trotzig die Arme vor der Brust und sagte: „Krypton Krax! Die weltbeste Vampirband ever!“

      „Eine Vampirband?“ Jacob zog verwundert eine Augenbraue hoch.

      „Nee, Quatsch. Krypton Krax halt.“ Silvania bemühte sich, unbekümmert zu lächeln, obwohl sie ihrer Schwester am liebsten eine Fratze gezogen hätte. Zwischen Jacob und ihr lief es gut und sie vertraute ihm. Aber sie war noch nicht so weit, ihm ihr Geheimnis anzuvertrauen. Es war schon schwer genug gewesen, es Helene und Ludo zu sagen, ohne dass die beiden ihnen die Freundschaft gekündigt hatten. Und es war wirklich nicht so leicht gewesen, hier in Deutschland Freunde zu finden. Geschweige denn einen Freund.

      Doch Jacob schien sich nicht weiter zu wundern. Ludo dagegen hatte beim Erwähnen des Bandnamens plötzlich die Augen aufgerissen und sich geschüttelt. Dann hatte er sich hingesetzt und am Nacken gekratzt.

      „Is was?“, fragte Helene besorgt.

      „Nee, geht schon wieder. Ich hatte gerade nur so ein merkwürdiges Gefühl. So einen unheimlichen Schauer …“, winkte Ludo ab.

      „Jedenfalls dürfen wir nicht auf das Konzert gehen. Aber …“, Silvania sah von einem zum anderen, „… wir könnten uns doch einfach die Krypton Krax-Konzert-DVD anschauen. Alle zusammen. Mit Popcorn und Chips – ganz chillig zu Hause.“

      Daka schnaubte verächtlich und ging einfach davon. „Nee, echt nicht!“

      Silvania blickte zerknirscht ihre Freunde an. „Äh, blöd jetzt, aber ich geh ihr besser nach.“

      „Was ist mit Kino heute Abend?“, fragte Jacob. „Soll ich dich abholen oder treffen wir uns dort?“

      „Wir treffen uns vorm Kino. Tschüss dann!“, rief Silvania im Weglaufen.

      „Und wann wollen wir jetzt zelten?“, fragte Ludo unternehmungslustig.

      „Also, ich könnte gleich Montag“, antwortete Jacob.

      „Ich auch“, sagte Helene und die drei verließen ebenfalls ihr schattiges Plätzchen auf dem Friedhof.

      Ludo sah sich noch einmal vorsichtig um. Er hatte sich zwar von seinem kurzen Schauer erholt, war sich aber nicht ganz sicher, ob das nicht der Vorbote einer neuen Vision war. Aber vielleicht war es auch nur ein kleiner Schwindel. Schließlich war es ganz schön heiß heute.

      Abhängen und abfliegen

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