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      Genau wie ihre Töchter hatten auch Elvira und Mihai nicht vor, im Streit ins Bett zu gehen. Wobei ins Bett nicht ganz stimmte, denn Mihai hatte unten im Keller seinen Sarg aufgestellt und mit roten Laken frisch bezogen. Er war nur noch ein bisschen beleidigt, dass er im Keller schlafen musste. Nachdem er sich den Keller so gemütlich wie möglich eingerichtet hatte, nahm er eine rote verschnörkelte Schachtel aus einer Umzugskiste und öffnete sie. In der Schachtel krabbelte sein ganzer Stolz: seine Rennzeckensammlung! In Transsilvanien war der Zeckenrennsport sehr beliebt unter Vampiren und auch Mihai Tepes teilte diese Leidenschaft. Vorsichtig nahm er Fidel und Napoleon aus der Schachtel – das waren seine zwei schnellsten Zecken! Mihai setzte sie an den Rand der Kühltruhe und feuerte sie aus vollem Herzen an. Fidel und Napoleon kamen fast gleichzeitig am anderen Ende der Kühltruhe an, und bevor sie hinunterstürzten, legte Mihai sie wieder in ihre Schachtel – nicht ohne sie mit getrockneten Blutkrümeln zu belohnen. Nach diesem Rennen fühlte sich Mihai in seinem Keller schon ein ganzes Stück heimischer. Zufrieden zündete er ein paar Kerzen an und legte gerade eine Platte auf sein Grammofon, als seine Frau eintrat.

      „Gemütlich, mein Mihai“, sagte Elvira und an ihren Worten erkannte Mihai, dass auch sie nicht mehr über Särge im Wohnzimmer, Heimaterde auf Teppichen oder Opa Gustav reden wollte.

      Mihai schaltete das Grammofon an und eine mitreißende vampwanische Melodie erklang.

      „Darf ich bitten?“, fragte Mihai seine Frau. Elvira sah ihm tief in die Augen, nahm seine Hand und die beiden tanzten. Sie bewegten sich so, als befänden sie sich auf einem festlichen Ball mit Parkettboden, Lichterglanz und Orchester und nicht in einem Keller mit Sarg, Grammofon und Kühltruhe.

      Vor dem Haus im Lindenweg mit der Nummer 23 wunderte sich nur eine schwarze Katze über die gedämpften Töne der vampwanischen Rumba, die kreisend in den Nachthimmel aufstiegen wie ein Vogel, der ihren scharfen Krallen entwischt war. Und so endete ein fast normaler Tag im friedlichen Bindburg, wo es nie wieder ganz normal sein sollte, seit die Familie Tepes aus Transsilvanien zugezogen war.

      Elviras radikale Regeln

      Am nächsten Morgen wachte Elvira gut gelaunt auf. Sie hatte in ihrem neuen Bett herrlich geschlafen. Frisch duftendes Bettzeug, eine weiche Matratze und diese Ruhe! Ihren Mann hatte sie gestern Nacht mit einem Kuss in seinen Sarg verabschiedet. Er hasste den Waschmittelgeruch der Bettwäsche und konnte in einem normalen Bett kein Auge zumachen. Auch jetzt schlief er sicher noch oder er war gerade erst richtig eingeschlafen. Doch da hatte sich Elvira getäuscht.

      Mihai war schon eine ganze Weile wach, sie hörte ihn unten im Wohnzimmer sein Lieblingslied summen:

      Transsilvania

      Wuzzpogoi, oista snips, flopso, flugo!

      Milobom job, rodna fantazyca!

      job enzero inima naz, Transsilvania!

      Das hieß:

      Transsilvanien,

      herumtollen, verrückt sein, flopsen, fliegen!

      Wir lieben dich, du schöne Heimat!

      Du bist für immer in unserem Herzen, Trans-

      silvanien!

      Vampwanisch war eine der ältesten und kompliziertesten Sprachen der Welt und Elvira beherrschte nur ein paar der wichtigsten Ausdrücke wie „Fumpfs“, was „Mist“ hieß, oder „Gumox“, was „Unsinn“ oder „Quatsch“ bedeutete. Für ihr Leben in Transsilvanien war das ausreichend gewesen, denn in Transsilvanien, auch Siebenbürgen genannt, gab es viele deutschstämmige Menschen und Vampire. Auch ihr Mann und ihre Töchter sprachen sehr gut Deutsch, was die Eingewöhnung hier in Deutschland leichter machen würde. Dennoch wusste Elvira, dass ihre drei vampirischen Familienmitglieder ihre Hilfe brauchten, um sich dem Leben in Deutschland anzupassen. Deswegen hatte sie die sieben goldenen Regeln aufgestellt. Sie ahnte, dass sie die Einhaltung dieser Regeln ständig überwachen musste. Schnell schwang sie sich aus dem Bett und flitzte ins Bad. Anschließend klopfte sie an das Zimmer der Vampirschwestern. „Aufstehen, Fledermäuschen! Zeit für die Dentiküre!“

      Im Zimmer stopfte sich Daka ihr Kissen über die Ohren. „Hmpf, es ist doch helllichter Tag.“

      Silvania dagegen stand brav auf und ging ins Bad. Dort nahm sie eine Zahnfeile, die ihr eine Kosmetikerin in Bistrien mitgegeben hatte, und begann, ihre Eckzähne schön rund zu feilen. Es quietschte fürchterlich. Noch dazu sah sie ihr Spiegelbild leicht verschwommen, sodass sie immer wieder mit der Zunge nachfühlen musste, ob ihre Zähne schon kurz genug und rund waren. Nach einer Weile schlurfte auch Daka schlecht gelaunt ins Bad.

      „Hier, ich bin fertig“, sagte Silvania und gab ihr die Feile. „Siebte goldene Regel: Regelmäßige Dentiküre, sonst werden unsere Eckzähne zu lang!“

      „Pah, goldene Regel. Das sind fiese radikale Regeln, die Mama uns da aufgebrummt hat.“ Daka begann missmutig, ihre Eckzähne zu feilen. Sie war im Spiegel noch verschwommener zu erkennen als ihre Schwester. „Bäh, das Geräusch ist echt grauslich!“

      Dennoch feilte Daka weiter und im Gegensatz zu Silvania trug sie am Ende ihre Eckzähne spitz. Wenn sie schon kurze Eckzähne haben musste, dann sollten sie wenigstens scharf und spitz sein. Dagegen konnte Elvira nix sagen.

      Aber Elvira hatte an diesem Tag eine Menge zu sagen. Ständig verstieß eins ihrer Familienmitglieder gegen eine ihrer goldenen Regeln. Als Elvira das Küchengeschirr in die Schränke räumte, kam Daka mit der Küchenmaschine an. Leider nicht angelaufen, sondern angeflogen!

      „Daka! Erste goldene Regel für das Leben in Deutschland: Kein Fliegen bei Tageslicht!“

      „Schon gut“, grummelte Daka. In diesem Moment krabbelte eine Ameise über den Esstisch und Daka ließ sie gedankenverloren auf ihrem Finger herumlaufen, um sie dann in den Mund zu stecken.

      „Daka! Zweite goldene Regel: Keine lebenden Mahlzeiten. Auch keine Snacks!“, schimpfte Elvira.

      „Ups!“ Genervt verdrehte Daka die Augen. Diese radikalen Regeln konnte doch kein Vampir aushalten.

      Silvania dagegen kannte die goldenen Regeln auswendig und hatte sich fest vorgenommen, sie einzuhalten. Schließlich wollte sie ein richtiger Mensch werden und einen Menschenfreund haben.

      Draußen im Nachbargarten hatte Silvania Dirk van Kombast gesehen. Er lag in einer Badehose auf einer Luftmatratze und sonnte sich. Sonnen fand Silvania zwar eklig, aber warum nicht ein bisschen Zeit an der frischen Luft verbringen? Wenn die Menschen das so machten, wollte sie das auch! Schnell nahm sie ein paar Gartenmöbel und brachte sie auf die Terrasse. Doch sie hatte vergessen, sich mit Sonnencreme einzuschmieren, und schon war ihre Mutter mit ihrem spitzen Finger zur Stelle.

      „Dritte goldene Regel: Keine pralle Sonne!“ Elvira zeigte auf Dirk van Kombast, auf dessen nackter Brust ein Kreuz an einer Kette glitzerte. „Vierte goldene Regel: Keine Kreuze!“ Dann erblickte Elvira noch etwas anderes bei ihrem Nachbarn – Dirk van Kombast hatte zwei Knoblauchkränze an seiner Haustür aufgehängt. Noch bevor Elvira darüber nachdenken konnte, was das zu bedeuten hatte, rümpfte Silvania die Nase und würgte. „Fünfte goldene Regel: Kein Knoblauch!“, fügte Elvira hinzu.

      „Puh, bestimmt nicht!“ Silvania hielt sich die Nase zu. Von wegen frische Luft, dieser Knoblauchgestank war ja widerlich!

      Elvira ging zurück ins Haus, um nach ihrem Mann zu sehen. Mihai sollte Bilder aufhängen. Obwohl sie ihm einen Hammer reichte, drückte er die Nägel einfach mit seinem Finger in die Wand. „Die goldenen Regeln gelten auch für dich, Mihai. Sechste Regel: Kein Einsatz übernatürlicher Kräfte, also keine Hypnose, kein Flopsen und keine Superkräfte!“

      „Jawohl, Frau General Radikal!“ Mihai lachte und nahm Elvira den Hammer aus der Hand.

      Nachts fliegen die Vampire tief

      Den

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