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aussehender Knabe gewesen wäre, hätte sie ihre Strafpredigt fortsetzen können, aber kalt auf sein hübsches Gesicht zu blicken, entstellt durch Schmutz, Tränen und wirres Haar, in diesem Zustande mit ihm zu sprechen, während Seife, Wasser, Bürste und Handtuch sich ganz in ihrer Nähe befanden, dies zu tun, besaß sie als Mutter nicht Selbstverleugnung genug. Also fand die mütterliche Vorlesung plötzlich und wirkungslos, noch ehe sie kaum begonnen hatte, ihr Ende im Waschbecken.

      Nachdem der Knabe gereinigt und sein Haar glatt gestrichen war, was er sich ziemlich geduldig gefallen ließ, nahm ihn Madame Thorpe auf ihren Schoß, und indem sie ihren dringenden Wunsch, ihn auf seine beiden runden, glänzenden Wangen zu küssen, unterdrückte, sagte sie folgende Worte:

      »Ich wünsche, dass Du Deine Aufgabe lernst, Du erzeigst mir einen Gefallen, wenn Du Deinem Vater gehorchst. Ich bin immer gut mit Dir gewesen, nun wünsche ich, dass Du gut mit mir bist.«

      Zum ersten Male ließ Zack seinen Kopf herunterhängen und schien nicht vorbereitet auf eine Antwort. Madame Thorpe wusste aus Erfahrung, was dies zu bedeuten hatte. »Ich denke, was Du getan hast, fängt Dir an leid zu tun, und Du willst ein guter Knabe werden«, sagte sie. »Wenn das wahr ist, so bin ich überzeugt, Du wirst mir einen Kuss geben.« Zack zögerte wieder, dann richtete er sich plötzlich in die Höhe und gab seiner Mutter einen herzhaften, laut schallenden Kuss auf die Spitze ihres Kinns. »Und nun wirst Du Deine Aufgabe lernen, fuhr Madame Thorpe fort, ich habe mir immer Mühe gegeben, Dich glücklich zu machen, und ich bin überzeugt, Du bist diesmal bereit, Dir Mühe zu geben, um mich glücklich zu machen.«

      »Ja«, sagte Zack herzhaft. Seine Mutter führte ihn sogleich zum Tische, auf welchem »die ausgewählten Bibeltexte« für Kinder aufgeschlagen lagen und versuchte ihn auf den Stuhl zu heben. »Nein«, sagte der Knabe widerstrebend und entschlossen seinen Kopf schüttelnd, »ich will meine Aufgabe auf Deinem Schoße lernen.«

      Madame Thorpe gab ihm sogleich nach, und Zack, welcher merkwürdig schnell fasste, wenn er sich anstrengte, lernte seine Aufgabe in so kurzer Zeit auswendig, dass seine Mutter darauf bestand, sie ihm zwei Mal zu überhören, ehe sie ihn wirklich für fähig hielt, vor seinem Vater zu erscheinen. Das zweite Examen besiegte jedoch ihren Zweifel und sie führte ihn im Triumph herunter.

      Herr Thorpe las aufmerksam, Herr Goodworth war in tiefes Nachdenken versunken, der Regen fiel hartnäckig hernieder und der Nebel wurde immer dicker, als der kleine Zack hereingeführt wurde, um seine Aufgabe vor seinem Vater herzusagen. Er bestand wieder sehr gut, aber sein kindliches Benehmen während dieser dritten Prüfung ging von Offenheit in Misstrauen über und er sah, während er seine Ausgabe hersagte, weit öfter nach Herrn Goodworth als nach seinem Vater. Nachdem die Texte hergesagt waren, sagte Herr Thorpe, ehe er wieder zu lesen anfing, zu seiner Frau: »Meine Liebe, Du kannst der Wärterin sagen, dass Zacharias sein Mittagbrot erhält, obgleich er es nicht verdient, weil er sich so schlecht betragen hat, als er seine Aufgabe lernen sollte.«

      »Bitte, Großpapa, darf ich mir das Bilderbuch besehen, welches Du mir gestern Abend brachtest, als ich schon im Bette war?« sagte Zack, sich an Herrn Goodworth wendend und offenbar fühlend, dass er nun zu dieser Belohnung berechtigt war.

      »Sicherlich nicht am Sonntag«, fiel Herr Thorpe ein, »Deines Großvaters Buch eignet sich nicht für den Sonntag.«

      Herr Goodworth stutzte und wollte sprechen, aber er erinnerte sich dessen, was er zu Herrn Thorpe gesagt hatte, und begnügte sich damit, das Feuer zu schüren.

      »Wenn Du Bilderbücher besehen willst, so weißt Du, was für Bücher Dir heute zu Diensten stehen, und Deine Mama wird sie Dir holen, wenn sie wieder hereinkommt«, fuhr Herr Thorpe fort.

      Die Werke, auf welche hier Bezug genommen wurde, waren eine alte Ausgabe von »des Pilgers Reise« mit vier kleinen Kupferstichen aus dem letzten Jahrhundert, und ein »Leben Moses« mit genauen deutschen Skizzen illustriert, nach der Manier der neuen Schule. Zack wusste recht wohl, was für Bücher sein Vater meinte, und gab seinen Abscheu vor denselben dadurch zu erkennen, dass er wieder anfing, mit seinen Schultern zu zucken. Er hatte offenbar an des Pilgers Reise und dem Leben Moses schon mehr als genug gehabt.

      Herr Thorpe sagte nichts weiter und fuhr wieder zu lesen fort. Herr Goodworth verbarg seine Hände in seinen Taschen, gähnte trostlos und wartete mit einem mutlos satirischen Ausdruck in seinen Augen, was sein Enkel zunächst tun würde. Wenn der Gedanke, der in diesem Augenblicke durch des alten Herrn Hirn ging, mit Worten beschrieben worden wäre, würde er genau mit der folgenden Redensart ausgedrückt worden sein: »O Du elender, kleiner Knabe, wie würde ich mich in Deinem Alter gegen alles dies aufgelehnt haben.«

      Es dauerte nicht lange, so fand Zack eine neue Belustigung. Er erblickte in einer Ecke seines Vaters spanisches Rohr, nahm es sogleich zwischen seine Beine und schickte sich an, darauf einen kleinen Ritt im Zimmer auf und nieder zu wagen. Er begann gerade sich in einen mäßigen Trab zu setzen, als sein Vater ausrief »Zacharias!« und damit den Knaben sogleich zum Stillstehen brachte.

      »Stelle den Stock wieder dahin, wo Du ihn gefunden hast,« sagte Herr Thorpe. »Du musst das nicht am Sonntag tun; wenn Du Dir Bewegung machen willst, kannst Du im Zimmer auf und abgehen.«

      Zack zögerte, einen Augenblick überlegend, ob er ungehorsam sein oder zu weinen anfangen sollte.

      »Stelle den Stock wieder hin!« wiederholte Herr Thorpe.

      Zack erinnerte sich an das Ankleidezimmer und an »die ausgewählten Bibeltexte für Kinder« und gehorchte klüglich. Nachdem er den Stock in die Ecke gesetzt hatte, ging er langsam auf Herrn Goodworth zu mit einem komischen Ausdrucke der Verwunderung und des Abscheues in seinem pausbäckigen Gesichte und legte seinen Kopf demütig auf seines Großvaters Knie nieder.

      »Betrübe Dich nicht so sehr, Zack!« sagte der gute alte Herr aufstehend und den Knaben in seine Arme nehmend. »Während die Wärterin Dein Mittagbrot bereitet, wollen wir aus dem Fenster sehen und uns umschauen, ob das Wetter wieder heiter wird.«

      Herr Thorpe sah einen Augenblick von seinem Buche auf, sagte aber diesmal nichts.

      »Ach, Regen, Regen!« murmelte Herr Goodworth, verzweifelt nach der unheilvollen Aussicht hinstarrend, während Zack sich zum Zeitvertreib die Nase gegen eine Glasscheibe auf und nieder rieb und fast darüber einschlief. »Regen, Regen! Nichts als Regen und Nebel im November. Halte Dich aufrecht, Zack, bim, bam, da läuten die Glocken zum Nachmittagsgottesdienst! Beim Himmel! Ich möchte wohl wissen, ob wir morgen schönes Wetter haben werden? Denk an den Pudding, mein Knabe.«

      »Ja«, sagte Zack, die Einladung zum Pudding anerkennend, aber sich anscheinend weigernd, sie zu benützen. »Und wenn ich mein Mittagbrot gegessen habe, so möchte ich zu Bette gebracht werden.«

      »Dich zu Bette bringen! Nun, Gott segne den Knaben! Was fällt ihm jetzt ein? Du wünschest ja gewöhnlich immer länger aufzubleiben.«

      »Ich möchte zu Bette gehen, um bis morgen zu schlafen und dann mein Bilderbuch zu haben«, antwortete der Knabe in einem abgespannten und winselnden Tone.

      »Ich will mich hängen lassen«, sagte der alte Herr leise zu sich selbst, »wenn ich nicht auch daran denke, zu Bette zu gehen, bis zum andern Morgen zu schlafen und dann meine »Times« beim Frühstück zu lesen. Ich bin in jeder Hinsicht so schlimm wie Zack.«

      »Großpapa«, fuhr das Kind noch schläfriger als vorher fort, »ich möchte Dir etwas ins Ohr sagen.«

      Herr Goodworth beugte sich ein wenig nieder. Zack sah sich erst listig nach seinem Vater um, dann seinen Mund dicht an seines Großvaters Ohr legend, teilte er ihm das Resultat, zu welchem er nach den Ereignissen des Tages gekommen war, in folgenden Worten mit:

      »Großpapa, ich hasse den Sonntag.«

      Zur Zeit, als sich die soeben erzählte Episode in dem Leben des Zacharias Thorpe jun. zutrug, das heißt im Jahre 1837, war Baregrove Square die von der City entfernteste und dem freien Felde am nächsten liegende aller damals in der nordwestlichen Vorstadt Londons existierenden Straßen; aber nach Verlauf von vierzehn Jahren, das heißt im Jahre 1851, hatte Baregrove Square seinen unterscheidenden Charakter gänzlich verloren, andere Squares hatten daraus jene letzten Überbleibsel der gesunden ländlichen Atmosphäre entfernt, wovon ihr guter Name abgeleitet

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