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Herz und Wissen. Уилки Коллинз
Читать онлайн.Название Herz und Wissen
Год выпуска 0
isbn
Автор произведения Уилки Коллинз
Жанр Зарубежная классика
Издательство Public Domain
»Ich habe es ihr angesehen. Schlägt sie die Kinder?«
»Beste Carmina! glauben Sie, daß sie bei meiner Mutter Gouvernante sein würde, wenn sie die Kinder in solcher Weise behandeln? Nebenbei gesagt, ist Miß Minerva eine viel zu gut erzogene Dame, um sich durch Gewaltacte zu erniedrigen. Unglück in der Familie hat sie zu einer bedeutend niedrigeren Stellung in der Welt gezwungen.«
Er erinnerte sich dabei der Zeit, als Miß Minerva ihre jetzige Stellung angetreten hatte und der Gegenstand einer gewissen Neugier von seiner Seite gewesen war. Die Antwort, welche ihm Mrs. Gallilee gegeben hatte, als er sie einmal gefragt, weshalb sie eine so reizbare Person im Hause behalte, war gewesen: »Miß Minerva ist außerordentlich unterrichtet und ich habe sie billig bekommen.« Das sah seiner Mutter ganz ähnlich, ließ aber Miß Minerva’s Motive ganz im Dunkeln. Warum hatte sich diese hochgebildete Frau Jahre lang mit einem ihren Diensten durchaus nicht entsprechenden Lohne begnügt? Warum – um den Vorgang an diesem Morgen als anderes Beispiel zu nehmen – hatte sie, nachdem sie der Hausherrin offen ihr Mißvergnügen gezeigt, sich doch so bereitwillig und nachgiebig in die plötzliche Anordnung des Feiertages gefügt, der doch den ganzen Unterrichtsgang der Woche störte? Ovid ahnte nicht, daß der eine versöhnende Einfluß, der diese Widersprüche ausglich und jeden daraus entstehenden Zweifel beseitigte, in ihm selbst zu finden war. Für das eine unschätzbare Privilegium, in Ovid’s Gesellschaft zu sein, konnte Miß Minerva selbst das Opfer bringen, ihn im Interesse seiner Mutter zu beobachten und Zeuge der Huldigung zu sein, die er einer Anderen darbrachte.
Ehe Carmina noch weitere Fragen stellen konnte, rief sie die schrille, in den höchsten Tönen der Aufregung erklingende Stimme der kleinen Zo, die eben den interessantesten Vogel im ganzen Garten, den herabgekommenen Comödianten der Vogelwelt, die sogenannte Pfeifkrähe, entdeckt hatte, zu dem Käfige desselben; und als ob sie selbst noch ein Kind gewesen wäre, eilte sie dahin. Als die Gouvernante Ovid allein sah, ergriff sie die günstige Gelegenheit, um mit ihm zu sprechen, und die ersten Worte, welche jetzt über ihre Lippen kamen, erzählten ihre eigene Geschichte. Während Carmina die Gouvernante studiert hatte, hatte diese wiederum das junge Mädchen studiert, und das gleiche instinktive Bewußtsein der Nebenbuhlerschaft hatte bereits diese sich so ganz und vollständig unähnlichen beiden Frauen auf dem Boden eines gemeinsamen Gefühls zusammengebracht.
»Weiß Ihr Fräulein Cousine viel über Vögel?« begann Miß Minerva.
Wäre Ovid nicht im Punkte der Eitelkeit eine der Ausnahmen von der allgemeinen Regel gewesen, oder selbst, wäre seine Erfahrung von der Natur der Frauen etwas weniger dürftig gewesen, so hätte auch er Miß Minervas Geheimniß entdecken können. Denn in dem Augenblicke, als sie Carmina’s Platz einnahm, verließ sie alle Selbstbeherrschung; die steinernen schwarzen Augen, so hart und kalt, wenn sie jemand anders ansahen, flammten einen Moment in dem Alles verschlingenden Bewußtsein des Besitzes auf, als sie jetzt auf Ovid ruhten. »Er ist mein, mein für einen köstlichen Augenblick!« sprachen sie – und dann fiel der gewöhnliche Vorhang plötzlich wieder herab, und es blieb nur die Frau von Erziehung, die mit zart bekundeter Achtung mit einem distinguierten Manne sprach.
»Bis soweit haben wir noch nicht von den Vögeln gesprochen«, war Ovid’s unschuldige Antwort.
»Und doch schienen Sie sich beide dieselben anzusehen!« Dieser unbedachte Ausbruch von Eifersucht wurde aber sofort unter die undurchdringliche Oberfläche eines Complimentes zurückgedrängt: »Miß Carmina ist vielleicht, streng genommen, nicht hübsch, aber ein eigen interessantes Mädchen.«
Ovid stimmte der Gouvernante die ihm ihr besseres Ich in einem sehr angenehmen Lichte gezeigt hatte, herzlich – zu herzlich – bei, so daß ihr trotz des verzweifelten Ringens mit sich selbst, den Anschein zu bewahren, der Dämon wieder die Herrschaft über ihre Zunge entriß. »Finden Sie die junge Dame geistreich?« fragte sie.
»Gewiß!«
Es war nur ein Wort – vielleicht ein wenig zu scharf gesprochen, denn die Gouvernante zuckte unter ihm zusammen. »Es war nur eine müßige Frage meinerseits«, sagte sie mit jener pathetischen Unterwürfigkeit, die heiter und unbefangen erscheinen will; »und das ist wieder eine Warnung, Mr.Vere, nie nach dem Aeußeren zu urtheilen.« Damit sah sie ihn an und wandte sich wieder den Kindern zu.
»Arme Unglückliche!« dachte Ovid, ihr mitleidig mit den Augen folgend. »Welche Mühe sie sich giebt, ihr häßliches Temperament zu beherrschen!« Dann ging er wieder zu Carmina, von neuem Entzücken erfüllt, wieder in ihrer Nähe zu sein.
Zo war über die Pfeifkrähe noch ganz in Extase. »O, wie lustig sie ist! Sieh’ nur, wie sie den Kopf wirft! Sie macht es mir nach, wenn ich ihr etwas vorpfeife! Kaufe sie!« rief sie, Ovid in der Aufregung an den Rockschößen ziehend; »kaufe sie, und laß mich sie mit nach Hause nehmen!«
Einige Besucher, die sie hörten, fingen an zu lachen und Miß Minerva und Maria öffneten schon die Lippen, um ihr einen Verweis zu geben, als mit Zo plötzlich eine bei ihr ganz unbekannte Veränderung vorging: sie wurde auf einmal still und artig, so daß jeder Verweis überflüssig wurde – und dies Wunder hatte Ovid bewirkt, ohne es selbst zu wissen. Zum ersten Male im Leben hatte er sich an den Rockschößen ziehen lassen, ohne sofort auf sie zu achten. Nach wem sah er? Es war nur zu leicht zu sehen, daß Carmina ihn ganz für sich in Anspruch genommen hatte. Der Kleinen schwoll das eifersüchtige kleine Herz im Busen an; in perplexem Schweigen starrte sie den Freund an, der sie bis jetzt noch nie enttäuscht hatte, und allmählich begann sie sich mit ihrer langsamen Fassungskraft die Entdeckung eines Etwas in seinem Gesichte zu verwirklichen, das ihn schöner als je erscheinen ließ und das sie noch nie darin gesehen hatte. Als sie sich von den Vogelhäusern ab den Gehegen zuwandten, welche die größeren Vögel enthielten, folgte Zo ihnen so ruhig, daß ihre ältere Schwester (die Gefahr lief, eine Rivalin in der guten Aufführung zu bekommen) sie voll unverhüllter Unruhe ansah.
Von Maria (welche die Nothwendigkeit einer Behauptung ihres Charakters fühlte) angeregt, begann Miß Minerva eine Vorlesung über Kraniche, welchen Stoff ihr die in Erwartung eines Leckerbissens an sie heran hüpfenden Vögel mit den zerbrechlich aussehenden Beinen eingaben. Ovid war ganz von der Aufmerksamkeit gegen seine Cousine in Anspruch genommen, der er beim Füttern der Vögel beistand, da er sich mit etwas Brod versehen hatte; Eine Person aber beobachtete Zo noch jetzt, nachdem deren sonderbares Verfallen in gutes Benehmen den Reiz der Neuheit verloren hatte – das war die alte Teresa. Das Kind wurde ganz offenbar im Geheimen durch etwas beunruhigt, und sie glaubte zu wissen, was das war.
Die Kleine näherte sich Ovid wieder, entschlossen, der Veränderung in ihm auf den Grund zu kommen, wenn dies durch Beharrlichkeit erreicht werden konnte. Er sprach so vertraulich mit Carmina, daß er ihr beinahe in’s Ohr flüsterte, und Zo beobachtete ihn, ohne es zu wagen, seine Schöße wieder anzufassen. Miß Minerva bot Alles auf, um in ihrem Vortrage über Kraniche gelassen fortzufahren. »In Flügen ziehen diese Vögel periodisch über die südlichen und mittleren Länder Europa’s« – Sie sah Ovid an, und der Athem verjagte ihr: sie konnte nicht weiter sprechen. Da unterbrach Zo diese wahnsinnig machenden Vertraulichkeiten, indem sie in verzweifeltem Verlangen nach Aufschluß diesmal Carmina kühn an den Taillenschößen zupfte.
»Was hast Du, liebe Zo?« fragte. diese, sich sofort umwendend.
»Höre!« flüsterte die Kleine, mit großen Thränen der Entrüstung in den Augen auf Ovid zeigend, »will er Dir die Pfeifkrähe kaufen?«
Zu Zo’s Verwirrung fingen beide an zu lachen. Sie trocknete sich die Augen mit den geballten Händen und wartete mürrisch auf Antwort. Dann beruhigte Carmina der Kleinen Gemüth in liebevollster und liebenswürdigster Weise und Ovid unterstützte sie dabei, indem er das Schwesterchen auf die Wange klopfte. Nachdem sie so endlich beachtet wurde und zu ihrer Befriedigung vernahm, daß der Vogel für Niemanden gekauft werden sollte, war Zo’s Empfindlichkeit besänftigt und damit schwand dann auch gleich darauf ihre Eifersucht, und nach einem geistige Anstrengung andeutenden, viel verkündenden Zusammenziehen der Augenbrauen zog sie plötzlich Carmina in ihr Vertrauen.
»Sage Ovid nichts davon«, begann sie. »Ich habe Jemanden gesehen, der gerade so aussah wie er.«
»Wann, liebe