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Eine Ehestandstragödie. Уилки Коллинз
Читать онлайн.Название Eine Ehestandstragödie
Год выпуска 0
isbn
Автор произведения Уилки Коллинз
Жанр Зарубежная классика
Издательство Public Domain
Eine Ehestandstragödie
Es hatte Montag, Dienstag, Mittwoch, Donnerstag geregnet Am Freitag Morgen brach ein matter Sonnenschein durchs Gewölk, aber schon gegen 9 Uhr bezog sich der Himmel wieder und eine halbe Stunde später strömte der Regen mit derselben einförmigen Beharrlichkeit hernieder, wie die Tage vorher.
Ich war in Verzweiflung!
Das Schicksal hatte mich seit acht Tagen in das kleine englische Seebad verschlagen und ich hatte noch nichts von dem Orte und der ihn umgebenden Scenerie gesehen – nichts als den grauen Himmel, ein Stück nassen gelben Sand, das ich vom Fenster meines Gasthauses überblicken konnte, und die schwer nieder rauschenden Tropfen. – Heute beschloß ich, dem Wetter zum Trotz dennoch eine Promenade zu machen. Ich nahm meinen Regenmantel um, setzte eine Glanztuchmütze auf und begab mich hinunter zum Wirth meines Hotels.
»Ich habe jetzt vier Tage auf das Wetter gewartet,« sagte ich, »jetzt will ich nicht länger Geduld haben. Verschaffen Sie mir ein Reitpferd oder einen Wagen und so sagen Sie mir, nach welcher Richtung ich reiten oder fahren muß, um einmal etwas Anderes zu erblicken, als jenes langweilige Stück Düne und den noch langweiligeren Streifen grauen Wassers dahinter, der hier zu Lande See bedeutet.«
Der Wirth, ein freundlicher, behäbiger Mann, lachte, aber er versprach mir, sein eigenes Pferd und seinen Wagen in einigen Minuten zur Disposition zu stellen, wenn ich bei diesem Wetter durchaus hinaus müßte.
»Wohin kann ich aber fahren?« fragte ich. »Giebt es nicht einen oder den andern sehenswerthen Punkt in der Nähe?«
»Nein, Herr« lautete die trostlose Antwort; »dergleichen giebt es hierum nicht.« »Nun so giebt es doch vielleicht irgend ein, altes Haus, eine Kirche, ein Schloß, einen Park oder etwas Aehnliches in der Nachbarschaft, was sich besehen läßt?« fragte ich mit der Hartnäckigkeit der Verzweiflung.
Das Gesicht des Wirthes wurde nachdenklich.
»Der einzige größere Familiensitz in der Nähe ist Darrock-Hall,« sagte er, nachdem er eine Weile mit den Fransen der Fenstergardine gespielt hatte, »und dieser ist längst nicht mehr bewohnt.«
»Also vielleicht eine interessante Ruine, oder ein sonst merkwürdiges altes Schloß!« rief ich erfreut. »Ich interessiere mich für dergleichen. Bestellen Sie den Wagen und geben Sie mir Jemand mit, der den Weg kennt.«
»Sie würden sich in Ihren Erwartungen getäuscht sehen,« entgegnete der Wirth, indem er ernst, beinahe finster den Kopf schüttelte. »Darrock-Hall ist weder ein schönes, noch alterthümliches Gebäude. Sie würden nichts finden, als ein uninteressantes, viereckiges steinernes Haus, das kaum hundert Jahre alt sein mag. Außerdem ist die Besitzung, wie ich hörte, neuerlich von einem Londoner Industriellen angekauft und zu einer Fabrik eingerichtet werden.«
»Nun, wenn sonst nichts dort zu sehen ist, so kann ich wenigstens die neuen Fabrikanlagen besichtigen,« erwiderte ich entschlossen. »Es ist ja auch bei diesem Wetter ganz gleichgültig, wohin ich gehe – aber hinaus in die Luft muß ich. Wie weit ist Darrock-Hall von hier?«
»Etwa elf Meilen; aber der Weg ist schwer zu finden,« sagte der Wirth.
»Haben Sie Niemand, der mir als Führer dienen könnte ?« fragte ich.
»Von meinen Leuten weiß Niemand den Weg« entgegnete er. »Ich müßte selbst mitfahren – aber…
»Aber Sie wollen sich nicht der Gefahr aussetzen, tüchtig naß zu werden,« fiel ich ihm ins Wort, als er sichtlich verlegen schwieg.
»Nein,« entgegnete er, »das ist’s nicht. Ich fürchte mich eben nicht vor ein wenig Regenwasser und bin bereit, mit Ihnen zu fahren, wenn Sie es wünschen, aber – aufrichtig gestanden – ich wüßte nicht, wohin ich weniger gern ginge, als gerade nach Darrock-Hall.«
»Warum das?« fragte ich neugierig.
»Es ist eine alte Geschichte, Herr,« erwiderte der Mann finster. »Als ich jung war, habe ich in Darrock-Hall in Dienst gestanden und es kamen damals Dinge vor, an die man sich ungern erinnern licht. Es war eine häßliche Sache und ich war mit hinein verwickelt.«
Diese Worte erregten meine Neugier und eben war ich im Begriff, weiter zu fragen, als der Wirth, der wohl auf meinem Gesicht das Interesse wahrgenommen hatte, das seine Andeutungen wach riefen, von selbst fortfuhr:
»Sie dürfen nicht glauben, daß es Dinge sind, deren ich mich zu schämen habe,« sagte er. »Im Gegentheil, die Sache schlug zu meinem Vortheil aus, ja wäre sie nicht passirt, ich hätte wohl kaum die Mittel gehabt, das Gasthaus zu kaufen, als dessen Besitzer Sie mich jetzt sehen.«
»Handelt es sich um ein Geheimniß ?« fragte ich, »und darf ich ohne eine Indiscretion zu begehen, um die Mittheilung der Geschichte bitten?«
»Ein Geheimniß ist’s nicht,« entgegnete der Wirth. »Die Sache kam damals schon in die Oeffentlichkeit und ist jetzt gar kein Grund mehr, sie zu verheimlichen, denn von allen Menschen, die damit zu thun hatten, leben nur noch zwei, ich und eine andere Person, die sich jetzt in London aufhält. Aber es ist eine lange Geschichte, Herr!.«
»Desto besser,« entgegnete ich. »Wenn Sie mir dieselbe erzählen, so gebe ich meine Fahrt nach Darrock-Hall auf und bleibe hier !«
»Der Wirth fühlte sich von dieser letzten Versicherung augenscheinlich erleichtert. Er setzte für mich und sich selbst bequeme Stuhle zurecht und nach den üblichen Eingangsphrasen begann er seine Erzählung, die ich so viel als möglich mit seinen eigenen Worten wiedergebe. . . . .
Ich war noch ein sehr junger Mensch, als ich meine erste Stelle als Diener in einem herrschaftlichen Hause einnahm, aber ich hatte mit diesem ersten Platze kein Glück. Der Herr des Hauses machte Bankrott, die Dienerschaft verlor, wie alle anderen Gläubiger, einen Theil ihrer Forderungen, und als ich das Haus verließ, trug ich eigentlich keinen andern Gewinn davon, als den, alle Obliegenheiten meines Berufs aus dem Fundament kennen gelernt zu haben.
Desto angenehmer und einträglicher war mein zweiter Platz. Ich hatte das Glück, in den Dienst von Herr und Frau Norcross zu treten, in dem ich auch bis zu dem Zeitpunkte blieb, wo ich dies Hotel kaufte und mein eigener Herr wurde.
Herr Norcross war ein reicher Mann. Außer Darrockhouse und den Ländereien, die es umgeben, besaß er auch eine umfängliche Besitzung in Yorkshire und bedeutende Ländereien in Jamaica, die damals ein ungeheures Einkommen abwarfen. In Westindien hatte Herr Norcross auch seine Frau kennen lernen, die dort bei einer englischen Familie als Gouvernante lebte. Sie war sehr schön, er hatte eine heftige Leidenschaft für sie gefaßt und sie geheirathet, obwohl sie sie fünfundzwanzig Jahre jünger war, als er. Bald nach der Vermählung kehrte das Ehepaar nach England zurück und ich hatte, wie schon gesagt, das Glück, als Diener in dem Hause einzutreten.
Nach drei Jahren starb Herr Norcross, ohne Kinder zu hinterlassen. Er hatte seine Frau sehr geliebt und wünschte ihr auch nach seinem Tode eine möglichst unabhängige Stellung zu sichern, deshalb hatte er letztwillige Verfügungen getroffen, nach welchen der jungen Wittwe sein ganzes Vermögen zufiel. Für den Fall, daß sie sich wieder verheirathete, sollten ihre Kinder die Erben sein; verheirathete sie sich nicht, oder blieb ihre spätere Ehe kinderlos, so fiel das Vermögen nach ihrem Tode an die Verwandten des Erblassers zurück.
Meine Stellung wurde durch den Tod meines Herrn nicht verändert. Frau Norcross behielt mich im Dienst, denn ich hatte ihren verstorbenen Gemahl in der letzten Krankheit verpflegt und dadurch einen Anspruch auf ihre Gunst erworben. Außer mir behielt sie von der frühen Dienerschaft nur ihre Kammerfrau, eine Französin, Namens Josephine. Offen gestanden, begriff ich die Vorliebe nicht, die meine Herrin für diese Person hatte, deren unstäte, stechende Augen mir von vornherein ein Mißtrauen einflößten, das sich späterhin nur als zu gerechtfertigt erweisen sollte. Indessen will ich meiner Geschichte nicht vorgreifen, sondern die Dinge in der Ordnung zu erzählen versuchen, wie sie passirt sind.
Kurze Zeit nach dem Tode meines Herrn machte Frau Norcross eine Reise nach dem Continent, bei welcher Josephine und ich sie begleiteten. Wir besuchten unter andern Paris, Genua, Florenz, Rom und Neapel. In einigen dieser Städte blieben wir mehrere Monate und es fehlte meiner Lady nirgends an Gesellschaft. Die Kunde ihres Reichthums begleitete sie und so konnte es nicht fehlen, daß man sich beeiferte, ihr von allen Seiten entgegen zu kommen, daß namentlich die junge Männerwelt sie umschwärmte und sich bei ihr einzuschmeicheln