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mich jetzt für einen Unmenschen hält und mich dann für einen Narren halten und mein ganzes Geld mit Landstreicherinnen und Komödianten durchbringen würde? Oder dem Kinde jener Komödiantin, welches ich mit keinem Auge gesehen, welches erzogen ward, um mich zu hassen und welches sofort zum Heuchler werden würde, indem es des Anstandes wegen sich stellen müßte, als täte mein Tod ihm leid! Oder vielleicht Euch, Ihr menschlicher Pavian – Euch, der Ihr sofort ein Wuchergeschäft eröffnen und Witwen, Waisen und allen Unglücklichen überhaupt das Blut aussaugen würdet? Eure Gesundheit, Mr. Shrowl! Ich kann ebenso gut lachen wie Ihr, besonders da ich weiß, daß ich Euch keinen Sixpence hinterlasse.«

      Shrowl begann seinerseits nun ein wenig ärgerlich zu werden. Die ironische Höflichkeit, welche er bei seinem Eintritt in das Zimmer anzunehmen beliebt, wich seiner gewohnten sauertöpfischen Laune und dem natürlichen mürrischen Ausdruck seiner Stimme.

      »Ich bitte Sie, mich ungeschoren zu lassen,« sagte er, indem er sich mißmutig zu seinem Frühstück niedersetzte. »Ich bin für heute mit dem Spaßmachen fertig und möchte Ihnen vorschlagen, dasselbe zu tun. Was kann es nützen, allerhand Unsinn über Ihr Geld zu schwatzen. Irgend jemandem müssen Sie es doch hinterlassen!«

      »Ja wohl, das werde ich,« sagte Mr. Treverton. »Ich vermache es, wie ich Euch schon so oft gesagt habe, dem ersten besten, den ich finden kann, welcher das Geld herzlich verachtet und deshalb durch den Besitz desselben nicht schlechter gemacht werden kann.«

      »Das heißt niemandem,« grunzte Shrowl.

      »Das weiß ich recht wohl,« entgegnete sein Herr.

      »Aber niemandem können Sie es nicht hinterlassen,« fuhr Shrowl hartnäckig fort. »Sie müssen es jemandem hinterlassen – Sie können gar nicht anders.«

      »Nicht?« sagte Mr. Treverton. »Ich sollte meinen, ich könnte damit tun, was mir beliebt. Ich kann es ja, wenn ich Lust habe, in lauter Banknoten umsetzen und in unserm Brauhause ein Freudenfeuer damit anzünden, ehe ich sterbe. Dann ginge ich aus der Welt mit dem Bewußtsein, daß ich kein Material zurückgelassen, durch welches sie noch schlechter werden könnte, als sie schon ist, und das wäre für mich ein herrlicher Trost, das kann ich Euch sagen.«

      Ehe Shrowl ein Wort der Entgegnung hervorbringen konnte, ward an der Hofpforte des Hauses die Klingel gezogen.

      »Geht hinaus,« sagte Mr. Treverton, »und seht was es gibt. Wenn ein Weib zu uns will, so zeigt ihr, was für eine Vogelscheuche Ihr seid und sie wird schleunigst die Flucht ergreifen; ist es ein Mann –«

      »Wenn es ein Mann ist,« unterbrach Shrowl seinen Herrn, »so gebe ich ihm einen Faustschlag auf den Kopf, weil er mich bei meinem Frühstück unterbricht.«

      Mr. Treverton stopfte während der Abwesenheit seines Dieners sich die Pfeife und zündete sie an. Ehe sie noch recht in Brand war, kehrte Shrowl zurück und meldete, daß ein Mann dagewesen sei.

      »Habt Ihr ihm denn einen Faustschlag auf den Kopf gegeben?« fragte Mr. Treverton.

      »Nein,« sagte Shrowl, »ich habe bloß seinen Brief aufgehoben. Er schob ihn unter dem Pförtchen durch und ging wieder seiner Wege. Hier ist der Brief.«

      Der Brief war auf Kanzleipapier und die Adresse von einer juristischen Geschäftshand geschrieben. Als Mr. Treverton ihn öffnete, fielen zwei aus Zeitungen geschnittene Papierstreifen heraus. Der eine fiel auf den Tisch, an welchem Mr. Treverton saß, der andere flatterte bis auf den Fußboden.

      Diesen letzten Streifen hob Shrowl auf und las den Inhalt durch, ohne sich erst die Mühe zu nehmen, seinen Herrn um Erlaubnis zu fragen.

      Nachdem Mr. Treverton langsam einen Mund voll Tabaksrauch eingezogen und langsam wieder von sich gegeben, begann er den Brief zu lesen.

      Als sein Auge auf die ersten Zeilen fiel, begannen seine Lippen an dem Mundstück seiner Pfeife auf eine Weise zu arbeiten, die bei ihm sehr ungewöhnlich war. Der Brief war nicht so lang, daß es nötig gewesen wäre, das erste Blatt umzuwenden, denn er schloß am Fuße der ersten Seite. Mr. Treverton las ihn durch bis auf die Unterschrift, sah dann die Adresse an und fing dann wieder von vorn an. Seine Lippen fuhren immer noch fort, an der Pfeifenspitze herumzuarbeiten, aber er rauchte nicht mehr.

      Als er mit dem zweiten Lesen fertig war, legte er den Brief sehr sanft auf den Tisch, sah seinen Diener mit einer ungewohnten Zerstreutheit in dem Ausdrucke seiner Augen an und nahm mit einer Hand, welche ein wenig zitterte, die Pfeife aus dem Munde.

      »Shrowl,« sagte er dann sehr ruhig, »mein Bruder ist ertrunken.«

      »Ich weiß es,« antwortete Shrowl, ohne von dem Zeitungsstreifen aufzublicken. »Ich lese es eben hier.«

      »Die letzten Worte, die er zu mir sagte, als wir uns wegen der Komödiantin stritten,« fuhr Mr. Treverton ebensowohl mit sich selbst als zu seinem Diener sprechend fort, »war, daß ich ohne ein einziges wohlwollendes Gefühl in meinem Herzen gegen irgend eine lebende Seele sterben würde.«

      »Das werden Sie auch,« murmelte Shrowl, indem er den Streifen umdrehte, um zu sehen, ob auf der Rückseite auch etwas stünde, was des Lesens verlohnte.

      »Ich möchte wissen, was er von mir gedacht hat, als er starb,« sagte Mr. Treverton, indem er nachdenklich den Brief wieder zur Hand nahm.

      »Ganz gewiß hat er weder an Sie noch an jemand anders gedacht,« bemerkte Shrowl. »Wenn er überhaupt gedacht hat, so hat er daran gedacht, wie er sein Leben retten könne. Als er aufgehört hatte daran zu denken, hatte er auch aufgehört zu leben.«

      Nachdem Mr. Shrowl auf diese Weise seine Meinung zu erkennen gegeben, ging er an das Bierfaß und zapfte seinen Morgentrunk.

      »Verdammt wäre diese Komödiantin!« murmelte Mr. Treverton.

      Indem er diese Worte sagte, umwölkte sich sein Gesicht und seine Lippen kniffen sich fest zusammen. Er strich den Brief auf dem Tische glatt. Es schienen in seinem Gemüt darüber Zweifel obzuwalten, ob er wirklich von dem ganzen Inhalt Kenntnis genommen oder ob nicht vielleicht noch etwas darin stünde, was er noch nicht entdeckt. Indem er ihn daher zum dritten Male vornahm, las er ihn sehr laut und sehr langsam vor, als ob er jedes einzelne Wort seinem Gedächtnis fest einprägen wollte.

      »Sir!« las er. »– Als alter Ratgeber und treuer Freund Ihrer Familie erhalte ich von Mistreß Frankland, früher Miß Treverton, den Auftrag, Ihnen die traurige Nachricht von dem Tode Ihres Bruders mitzuteilen. Dieses beklagenswerte Ereignis geschah an Bord des Schiffes, dessen Kapitän er war, während eines Sturms, durch welchen das Schiff an einem Felsenriff auf der Höhe der Insel Antigua scheiterte. Ich lege hier einen der Times entnommenen ausführlichen Bericht über den Schiffbruch bei und Sie werden daraus ersehen, daß Ihr Bruder in Ausübung seiner Pflicht gegen die Offiziere und Mannschaften, die er befehligte, einen rühmlichen Tod fand. Ebenso lege ich auch einen aus dem cornischen Lokalblatt geschriebenen Artikel bei, der einen kurzen Abriß der Lebensgeschichte des Verstorbenen enthält.

      »Ehe ich diese Mitteilungen schließe, muß ich hinzufügen, daß trotz des genauesten Nachsuchens unter den Papieren des verstorbenen Kapitäns Treverton kein Testament gefunden worden ist. Da er, wie Sie wissen, Porthgenna verkauft hatte, so bestand das einzige Vermögen, in dessen Besitz er sich zur Zeit seines Todes befand, in persönlichem, von dem Verkauf seines Landgutes herrührenden Eigentum, und dieses wird, da er ab intestato gestorben, den Bestimmungen unserer Erbgesetzgebung zufolge, auf seine Tochter als seine nächste Verwandte übergehen.

      »Ich unterzeichne, Sir, als

      Ihr gehorsamster Diener

Aalexander Nixon.«

      Das auf den Tisch gefallene, aus der Zeitung geschnittene Blättchen enthielt den Artikel aus der Times. Den Streifen aus dem cornischen Blatt, welcher auf die Diele heruntergefallen war, schob Shrowl, sobald er ihn gelesen, in einer Anwandlung momentaner Höflichkeit seinem Herrn vor die Augen.

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