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der Ihnen wahrhaftig ergeben ist!« Um seinen letzten galanten Worten mehr Nachdruck zu verleihen, führte er die Hand der englischen Dame an seine Lippen. In dem Augenblicke, als er sie küssen wollte, wurde der Zeugvorhang abermals zurückgeschoben. Ein Bediensteter der Ambulanz erschien und meldete, ein Verband sei locker geworden und einer der Verwundeten allem Anscheine nach dem Verbluten nahe. Der Arzt fügte sich, obgleich mit schlecht verhehltem Unmut, in sein Schicksal, ließ die Hand der reizenden Engländerin fallen und gehorchte der Pflicht, die ihn nach der Küche rief. Die zwei Damen blieben allein im Zimmer zurück.

      »Wollen Sie nicht Platz nehmen, Madame?« fragte die Wärterin.

      »Nennen Sie mich nicht Madame«, versetzte die junge Dame freundlich. »Mein Name ist Grace Roseberry. Wie heißen Sie?«

      Die Wärterin zögerte. »Mein Name ist nicht so hübsch wie der Ihre«, sagte sie und zögerte wieder. »Nennen Sie mich Mercy Merrick«, fügte sie nach kurzem Bedenken hinzu.

      Hatte sie einen falschen Namen angegeben? Haftete vielleicht an ihrem wahren Namen irgendeine unglückliche Berühmtheit? Miss Roseberry ließ sich nicht Zeit, um diese Fragen zu stellen. »Wie kann ich Ihnen meine Dankbarkeit bezeigen«, rief sie, »für Ihre schwesterliche Freundlichkeit gegen mich, gegen die Fremde?«

      »Ich habe nur meine Pflicht getan«, sagte Mercy Merrick in etwas kühlem Tone. »Es ist nicht der Rede wert.«

      »Es ist wohl der Rede wert. In welcher Lage fanden Sie mich, als die französischen Soldaten die Deutschen vertrieben hatten! Mein Reisewagen war aufgehalten, meine Pferde weggenommen worden, ich selbst in fremdem Land bei einbrechender Nacht, meines Geldes und meines Gepäcks beraubt und überdies noch bis auf die Haut von dem strömenden Regen durchnässt! Ihnen verdanke ich mein Obdach hier – ich trage Ihre Kleider, ohne Sie wäre ich vor Angst und Schrecken gestorben. Womit kann ich Ihnen solche Dienste vergelten?«

      Mercy stellte einen Stuhl für ihren Gast in die Nähe des Tisches und setzte sich selbst, in einiger Entfernung, auf eine alte Kiste, die in einer Ecke des Zimmers stand. »Darf ich eine Frage an sie richten?« sagte sie plötzlich.

      »Hundert Fragen«, rief Grace, »wenn Sie wollen.« Sie sah nach der verlöschenden Glut und dann nach der dunkelsten Ecke des Zimmers, wo die undeutlich sichtbare Gestalt ihrer Begleiterin saß. »Die elende Kerze gibt kaum Licht«, sagte sie ungeduldig. »Sie wird nicht mehr lange aushalten. Können wir den Raum nicht etwas heiterer machen? Kommen Sie doch hervor aus Ihrer Ecke. Rufen Sie nach mehr Holz und Licht.«

      Mercy blieb in ihrer Ecke und schüttelte den Kopf; »Kerzen und Holz sind gar seltene Dinge hier«, antwortete sie. »Wir müssen Geduld haben, selbst wenn wir im Finsteren gelassen würden. Sagen Sie«, fuhr sie fort, indem sie ihre Stimme etwas erhob, »wie kam es, dass Sie wagten, in Kriegszeit die Grenze zu passieren?«

      Bei Beantwortung dieser Frage ließ Grace die Stimme sinken. Die eben noch gezeigte Heiterkeit ihres Wesens verschwand plötzlich.

      »Ich hatte die dringendsten Gründe«, sagte sie, »nach England zurückzukehren.«

      »Allein?« versetzte die andere, »ohne irgendwelchen Schutz?«

      Grace senkte den Kopf. »Ich ließ meinen einzigen Beschützer – meinen Vater – auf dem englischen Friedhof in Rom zurück«, antwortete sie im Tone rührender Einfachheit. »Meine Mutter starb vor mehreren Jahren in Kanada.«

      Die schattenähnliche Gestalt der Wärterin veränderte plötzlich ihre Stellung auf der Kiste. Sie war bei den letzten Worten der Miss Roseberry aufgesprungen.

      »Kennen Sie Kanada?« fragte Grace.

      »Sehr gut«, war die kurze Antwort, sie wurde trotz ihrer Kürze nur mit Widerstreben gegeben.

      »Waren Sie jemals in der Nähe von Port Logan?«

      »Ich lebte einst ein paar Meilen von Port Logan entfernt.«

      »Wann?«

      »Es ist schon einige Zeit her.« Mit diesen Worten zog sich Mercy Merrick in ihre Ecke zurück, und gab dem Gespräch eine andere Wendung. »Ihre Verwandten in England werden Ihretwegen in großer Angst sein«, sagte sie.

      Grace seufzte. »Ich habe keine Verwandten in England. Sie können sich kaum jemand vorstellen, der freudloser dasteht als ich. Wir zogen fort von Kanada, als die Gesundheit meines Vaters uns Besorgnis einflößte, und versuchten nach dem Rate des Arztes das Klima Italiens. Sein Tod machte mich nicht nur freudlos, sondern auch arm.« Sie schwieg einen Augenblick und nahm aus der Tasche des großen, grauen Mantels, den ihr die Krankenwärterin geliehen hatte, eine lederne Brieftasche. »Meine Aussichten für die Zukunft«, begann sie wieder, »beruhen sämtlich auf dem Inhalt dieser kleinen Tasche. Es ist der einzige Schatz, den ich zu verbergen im Stande war, als ich meiner anderen Sachen beraubt wurde.«

      Mercy konnte gerade die Brieftasche sehen, als Grace sie in der immer zunehmenden Dunkelheit des Zimmers in die Höhe hielt.

      »Haben Sie Geld darin?« fragte sie.

      »Nein, nur einige Familienpapiere und einen Empfehlungsbrief meines Vaters an eine ältere Dame in England – mir der er durch seine Heirat verwandt wurde, und die ich noch nie gesehen habe. Die Dame will mich als Gesellschafterin und Vorleserin in ihr Haus nehmen. Wenn ich nicht schnell nach England zurückkehre, erhält eine andere diese Stelle.«

      »Können Sie sich denn nicht auf etwas anderes verlegen?«

      »Nein. Meine Erziehung ist vernachlässigt worden – wir führten ein etwas unregelmäßiges Leben im fernen Westen. Ich bin durchaus nicht befähigt, eine Gouvernantenstelle auszufüllen. Darum hänge ich ganz und gar von der fremden Dame ab, die mich um meines Vaters willen aufnimmt.« Sie steckte die Brieftasche wieder in die Tasche ihres Mantels und schloss ihre kleine Erzählung ebenso einfach, als sie sie begonnen hatte. »Meine Geschichte ist traurig, nicht wahr?« sagte sie.

      Die Wärterin beantwortete plötzlich diese Frage mit den sonderbaren, bitteren Worten:

      »Es gibt wohl noch traurigere Geschichten als die Ihrige. Es gibt Tausende unglücklicher Frauen, die sich nichts besseres wünschen würden, als mit Ihnen zu tauschen.«

      Grace stutzte. »Was kann den an meinem Los beneidenswert erscheinen?«

      »Ihr unbescholtener Charakter und Ihre Aussicht, in einem anständigen Haus ehrenvoll untergebracht zu werden.«

      Grace wendete sich auf ihren Stuhl und blickte verwundert in die dämmerige Zimmerecke.

      »Wie sonderbar Sie das sagen!« rief sie. Keine Antwort; die schattenhafte Gestalt auf der Kiste rührte sich nicht. Grace stand unwillkürlich auf und näherte sich mit ihrem Stuhle der Wärterin. »Ist Ihr Leben vielleicht etwas romanhaft gewesen?« fragte sie. »Weshalb haben Sie sich die furchtbaren Verpflichtungen auferlegt, die ich Sie hier erfüllen sehe? Sie flößen mir unbeschreibliches Interesse ein. Geben Sie mir Ihre Hand.«

      Mercy fuhr zurück und wies die dargebotene Hand ab.

      »Sind wir denn nicht Freundinnen?« fragte Grace erstaunt.

      »Wir können niemals Freundinnen sein.«

      »Warum nicht?«

      Die Wärterin blieb stumm.

      Grace erinnerte sich des Zögerns, als sie ihren Namen nannte und zog daraus einen neuen Schluss. »Sollte ich recht geraten haben«, fragte sie eifrig, »wenn ich in Ihnen irgendeine hohe Dame in Verkleidung vermute?«

      Mercy lachte vor sich hin – leise und bitter. »Ich, eine hohe Dame!« sagte sie verächtlich. »Ich bitte Sie um des Himmelswillen, sprechen wir von etwas anderem.«

      Graces Neugierde war auf das Höchste gespannt. Sie fuhr beharrlich fort: »Ich bitte Sie nochmals, lassen Sie uns Freundschaft schließen.« Bei diesen Worten legte sie ihre Hand sanft auf Mercys Schulter. Mercy schüttelte sie unwillig ab. Es lag in dieser Bewegung eine Härte, die selbst das geduldigste Wesen hätte verletzen müssen. Grace zog sich empört zurück. »Ach«, rief sie, »Sie sind grausam.«

      »Ich will Ihnen wohl«, antwortete die Wärterin ernster als je.

      »Ist das freundlich von

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