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Die neue Magdalena. Уилки Коллинз
Читать онлайн.Название Die neue Magdalena
Год выпуска 0
isbn
Автор произведения Уилки Коллинз
Жанр Зарубежная классика
Издательство Public Domain
»Achten Sie nicht auf mich«, sagte sie leise. »Ich bin den ganzen Morgen krank gewesen. Sie haben es ja selbst gesehen, als Sie hier hereinkamen; der bloße Klang Ihrer Stimme hat mich in Aufregung versetzt. Es wird vorüber gehen. Nur fürchte ich, Sie erschreckt zu haben.«
»Liebste Grace, es sah ja fast aus, als hätten Sie sich über Julians Namen entsetzt! Er ist eine Berühmtheit im Publikum, so viel weiß ich; auch dass Damen sich lebhaft erhoben und ihn anstaunten, wenn er irgendwo erschien, habe ich schon gesehen; aber Sie sehen ja wie vom Blitz getroffen aus.«
Sie raffte mit verzweifelter Anstrengung ihren ganzen Mut zusammen und lachte – aber es klang hart und unheimlich. Sie legte ihm ihre Hand auf den Mund und zwang ihn so, zu schweigen. »Unsinn!« rief sie leichthin aus. »Was soll Mister Julian Gray mit meinem Aussehen zu tun haben? Mir ist schon besser. Sehen Sie nur selbst!« Dabei sah sie ihn mit erzwungener Lustigkeit an und kehrte mit erkünstelter, verzweifelter Gleichgültigkeit zu dem Gespräch über den Neffen Lady Janets zurück. »Natürlich habe ich von ihm gehört«, sagte sie. »Wissen Sie, dass er heute hier erwartet wird? Warum stehen Sie da hinter mir – ich kann so nicht gut mit Ihnen sprechen. Setzen Sie sich hierher.«
Er gehorchte – aber innerlich war er mit ihrem Benehmen nicht zufrieden. Auf seinem Gesichte lag noch der Ausdruck von Besorgnis und Überraschung. Sie spielte ihre Rolle fort, mit dem festen Entschluss, jeden möglichen Verdacht in Betreff ihrer Furcht vor Julian Gray in Horace zu ersticken. »Erzählen Sie mir von diesem berühmten Manne«, sagte sie und schob ihren Arm vertraulich in den seinen. »Wie sieht er aus?«
Die schmeichelnde Gebärde, und der leichte Ton ihrer Worte verfehlten nicht ihre Wirkung auf Horace. Sein Gesicht wurde heiterer; er antwortete ihr in gleicher Weise.
»Bereiten Sie sich vor, den ungeistlichsten aller Geistlichen zu sehen«, sagte er. »Julian ist ein räudiges Schaf unter den Pfarrern und seinem Bischof ein Dorn im Auge. Er predigt, wenn man es verlangt, in der Kapelle der Dissenter; lehnt jeden Anspruch auf priesterliches Ansehen und priesterliche Gewalt entschieden ab und tut nur nach seinem eigenen Plan, aber viel Gutes. In seinem Beruf ist er ganz gefasst, niemals zu hohen Würden emporzusteigen; aber das kümmert ihn nicht; er sagt, ihm genügt es, der Archidiakonus der Betrübten, der Diakonus der Hungrigen und der Bischof der Armen zu sein. Bei aller Wunderlichkeit ist er ein so herzensguter Mensch als nur irgendeiner. Ungemein beliebt bei Frauen. Sie alle erholen sich Rats bei ihm. Ich wollte, Sie gingen auch zu ihm.«
Mercy wechselte die Farbe. »Wie meinen Sie das?« fragte sie scharf.
»Julian ist berühmt wegen seiner Überredungsgabe«, sagte Horace lächelnd. »Wenn er mit Ihnen spräche, er würde vielleicht vermögen, den Weg zu bestimmen. Soll ich Julian bitten, mein Fürsprecher zu sein?«
Er machte den Vorschlag im Scherze. Mercys ruheloser Geist nahm ihn für Ernst. »Er wird es tun«, dachte sie mit einem Gefühle unbeschreiblichen Entsetzens, »wenn ich ihn nicht daran hindere!« Es blieb ihr keine Wahl übrig. Der einzige, sichere Weg, Horace davon abzuhalten, dass er sich an seinen Freund wandte, war, ihm seinen Wunsch zu gewähren. Sie legte die Hand auf seine Schulter und suchte die furchtbare Angst, die sie verzehrte, unter der Maske der Koketterie zu verbergen, die gleich peinlich und erbarmungswürdig anzusehen war.
»Reden Sie keinen Unsinn«, sagte sie lustig. »Wovon sprachen wir nur, bevor Mister Julian Gray das Thema wurde?«
»Wir wunderten uns über Lady Janets langes Ausbleiben«, versetzte Horace.
Sie klopfte ihm ungeduldig auf die Schulter. »Nein! Nein! Vorher sagten Sie noch etwas anderes!«
Ihre Augen vollendeten, was ihr Mund nicht ausgesprochen hatte. Horace schlang seinen Arm leise um ihre Taille.
»Ich sagte, dass ich Sie liebe«, antwortete er flüsternd.
»Sonst nichts?«
»Hören Sie das nicht mehr gerne?«
Sie lächelte bezaubernd. »Ist es Ihnen denn auch gar so ernst wegen – wegen —« sie stockte und sah von ihm weg.«
»Wegen unserer Hochzeit?«
»Ja!«
»Es ist mein innigster Wunsch.«
»Wirklich?«
»Wirklich.«
Es entstand eine Pause. Mercys Finger spielten nervös mit den Breloquen an ihrer Uhrkette. »Welcher Tag wäre Ihnen denn recht?« sagte sie sanft, aber ohne ihre Aufmerksamkeit von der Uhrkette abzuwenden.
Noch nie hatte sie so gesprochen, noch nie so ausgesehen wie eben jetzt. Horace fürchtete sich beinahe, an sein Glück zu glauben. »O Grace!« rief er aus, »treiben Sie keinen Scherz mit mir!«
»Was veranlasst Sie, dies zu glauben?«
Horace war arglos genug, ihr darauf im Ernste zu antworten: »Eben noch wollten Sie von unserer Hochzeit gar nichts wissen«, sagte er.
»Das ist einerlei, was früher war«, versetzte sie mutwillig. »Man sagt, die Frauen seien wetterwendisch; es ist einer von den Mängeln unseres Geschlechtes.«
»Gott sei gelobt für solche Mängel!« rief Horace offen aus. »Wollen Sie die Entscheidung wirklich mir überlassen?«
»Wenn Sie darauf bestehen.«
Horace überlegte einen Augenblick – in Betreff des Heiratsgesetzes. »Die Bewilligung zur Trauung können wir in vierzehn Tagen haben«, sagte er. »Ich bestimme also den Tag heute über vierzehn Tage.«
Sie erhob ihre Hände widerstrebend.
»Warum nicht? Mein Advokat ist bereit. Vorbereitungen sind keine zu machen. Sie sagten ja selbst bei unserer Verlobung: es sollte eine stille Hochzeit sein.«
Mercy musste dies zugeben.
»Wir könnten auf der Stelle getraut werden, wenn das Gesetz es gestattete. Heute über vierzehn Tage also! Sagen Sie – ja!«
Er zog sie näher an sich. Es entstand eine Stille. Die Maske der Koketterie – welche sie von Anbeginn nur schlecht vorgehalten hatte – fiel ihr von ihrem Gesicht. Ihre traurigen grauen Augen ruhten mitleidsvoll auf seinen lebhaft angeregten Zügen.
»Schauen Sie nicht so ernst drein!« sagte er. »Nur ein kleines Wort, Grace! Nur ja!«
Sie seufzte und sprach es aus. Er küsste sie leidenschaftlich. Nur mit einer heftigen Gebärde gelang es ihr, sich von ihm loszumachen. »Verlassen Sie mich!« sagte sie leise. »Ich bitte Sie, lassen Sie mich allein!«
Es war ihr voller Ernst – sonderbar. Sie zitterte am ganzen Körper. Horace stand auf, um ihren Wunsch zu erfüllen. »Ich werde Lady Janet aufsuchen«, sagte er; »es drängt mich, ihr zu zeigen, dass ich wieder heiter bin und auch zu sagen weshalb.« Er wendete sich der Tür des Bibliothekszimmers zu. »Sie bleiben doch hier? Darf ich wiederkommen, wenn Sie gefasster sind?«
»Ich will hier warten«, sagte Mercy.
Mit dieser Antwort zufrieden, verließ er das Zimmer.
Sie ließ die Hände in den Schoß fallen; ihr Kopf sank müde auf die Kissen des Sofas zurück. Sie war wie geblendet, ihr Geist war völlig betäubt. Sie wusste nicht, wachte oder träumte sie. Hatte sie denn wirklich jenes Wort gesprochen, das sie zwang, Horace Holmcroft in vierzehn Tagen zu heiraten? Vierzehn Tage. Es konnte wohl in dieser Zeit irgendein Hindernis eintreten; vielleicht fand sie inzwischen einen Ausweg aus der furchtbaren Lage, in der sie sich befand. Auf jeden Fall, mochte daraus entstehen, was wollte, hatte sie gut daran getan, dieses Mittel statt einer Unterredung mit Julian Gray zu wählen. Sie fuhr mit einem Ruck aus ihrer liegenden Stellung empor, als der Gedanke an eine solche Unterredung – während der letzten Minuten unterdrückt