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Tänze, bestrickende Gesänge und, was sie erwarb, das kam nicht mehr uns zugute, das brachte sie mit Kriegsknechten durch, oder kaufte sich elenden Goldflitter dafür, ihren unreinen Leib zu behängen. Sie war nicht schlecht, mein Kind, sie war munter, lebenslustig, heftig von Gemütsart – sind das Fehler? nein! doch es wurden Fehler daraus; das Gift schmeckte ihr süß, sie trank es in vollen Zügen aus den Händen der Ägypter, und jetzt ist sie völlig davon durchfressen. O Isaak, was tatest du mir an! Was hast du aus deiner Schwester gemacht!«

      Isaak beugte sich über seinen Vater und küßte ihm den welken Mund.

      »Denke nicht an die Mißratene,« bat er sanft. »Daß sie so geworden, wie sie ist, zeigt mir, daß ein schlechter Kern in ihr lag, und daß sie auch ohne meine Beihilfe geworden, was sie nun ist. Sieh! ich pflege dich, ich sitze Tag und Nacht an deinem Lager, ich hungere, ich bettle für dich – kannst du sagen, ich sei ein schlechter Sohn? Aber sie! was tut sie! sie lacht, sie tanzt, sie liebt, während ihr Vater –«

      »Rede nicht von ihr,« wehrte der Ermattete ab, »mir wird weh, Isaak, gib mir Wasser.«

      Isaak tat, wie ihm geheißen wurde. Dann kauerte er sich dicht neben das Haupt des Kranken, lauschte auf seine unregelmäßigen Atemzüge und sah dabei zuweilen mit verlangenden Blicken auf einen Napf voll Milch, den er für den Vater erbettelt hatte. Ja, manchmal streckte er unwillkürlich die zitternde Hand nach dem Getränke aus, ließ sie aber jedesmal sinken, sobald sein Auge das Gesicht des Verwundeten streifte. Er litt augenscheinlich grimmigen Hunger, der Arme, denn etlichemal fielen ihm vor Schwäche die Augenlider zu, jedoch die Pflicht, seinen Vater zu ernähren, gebot ihm dem heftigen Naturtrieb zu widerstehen, denn diese kleine Schale Milch sollte für diesen Tag die einzige Nahrung der beiden sein. Nach langem Stillschweigen bemerkte Isaak, wie sich plötzlich die Züge des Bejammernswerten seltsam veränderten. Er faßte nach der Hand seines Kindes und sah ihm mit einem feierlichen, geheimnisvollen Ausdruck in die Augen.

      »Isaak!«

      »Vater!«

      »Richte mich auf, ich muß mit dir sprechen.«

      »Ja, Vater.«

      »Aber rasch, denn ich fühle den Tod mir nahen.«

      Dann setzte er sich stöhnend mit Isaaks Hilfe empor, hieß diesen die Türe sorgfältig schließen, nachdem er sich umgesehen, ob niemand lausche, hieß ihn die Fenster verdunkeln und bat ihn, sein Ohr dicht an seine Lippen zu legen. Nachdem dies geschehen, atmete er noch einmal tief auf, ließ sich von der Milch reichen und begann:

      »Ich muß dir, ehe sich mein Auge auf ewig schließt, ein wichtiges Geheimnis anvertrauen, mein Sohn, das bis jetzt nur das meine war. Laß dir verkünden, daß ich als junger Mensch, unter der Regierung des vorigen Königs Seti des Ersten, half, eines der größten Werke zu vollenden, welches die Erde je sah oder noch sehen wird.«

      Hier brach er erschöpft ab, um Luft zu sammeln. Der Sohn hing gespannt an den Lippen des Vaters.

      »Ich war unter der Schar,« fuhr er flüsternd fort, nachdem er sich erholt, »die des Königs Schatzhaus bauen mußte.«

      »Wie? Du, Vater? Und du lebst noch?«

      »Alle die diesen Bau ausgeführt, sogar der Baumeister, mußten sterben, damit keiner verriete, wo sich das Haus befinde, oder auf welchen Pfaden man in sein Inneres gelangen könne. Sterben mußten sie, Isaak! Alle sterben.«

      Schmerzen zwangen ihn, sich zu unterbrechen; er drohte umzusinken; Isaak hielt ihn jedoch aufrecht.

      »Und du entkamst dem Mordschwert der Ägypter?« frug Isaak klopfenden Herzens, »doch erhole dich erst noch ein wenig, ehe du weitersprichst.«

      »Ich entkam,« begann der Alte aufs neue, seine Schwäche beherrschend. »Ich dachte, es ist einerlei, ob dich das Schwert eines Kriegers tötet, oder ob du im Innern des Gewölbes, das du bauen halfst, verhungerst, und so versteckte ich mich, nachdem alle übrigen Arbeiter bereits aus dem vollendeten Bau gebracht werden waren, in einer Kiste. Drei Tage lang hielt ich es dort aus, von Dunkelheit umgeben. Endlich tappte ich mich durch die mir wohlbekannten Gänge bis an das noch nicht vermauerte Tor. Von hier aus floh ich in den Schilf des Nil, wo ich mich wieder längere Zeit verborgen hielt, um meinen Verfolgern zu entgehen. Das waren fürchterliche Tage, mein Sohn, denn ich lebte von da an einem Tiere ähnlicher, als einem Menschen. Erst nach vielen Jahren, bis man mich vergessen oder mich tot geglaubt, ließ ich mich wieder sehen.«

      Diese Worte hatte der alte Mann röchelnd hervorgestoßen, man sah ihm deutlich an, wie er mit Angst ans Ende zu kommen suchte, um seinem Kinde, noch bevor der Tod ihm den Mund verschließen konnte, die ganze Tragweite des Geheimnisses zu entdecken.

      Isaak wollte einige Worte einwerfen, ihn bitten, sich zu schonen, jedoch er winkte ihm Schweigen zu und fuhr immer hastiger, immer angstbeklommener weiter fort:

      »Lausche nun meinen Worten, Kind, denn ich will dich durch das, was ich dir nun verkündige, glücklich, reich und mächtig machen. Ich hatte keinen Mut dazu, mein Vorhaben auszuführen, aber dir fehlt es nicht an Scharfsinn, Entschlossenheit und Erfindungsgeist, die Früchte zu genießen, die ich unberührt liegen ließ. Du wirst nachholen, was ich alter, furchtsamer Tor versäumt.«

      Isaaks Atem flog aufgeregt durch seine Lippen, er beugte sein Ohr dicht an den Mund des Vaters und trank dessen flüsternde Worte.

      »Ich will dir,« fuhr dieser fort, »den Weg beschreiben, den du gehen mußt, um in das Innere des Schatzhauses zu gelangen, wo die Goldgefäße stehen, angefüllt bis zum Rand mit Goldringen, mit Edelsteinen, wo du dir nehmen kannst, so viel dir Jehova erlaubt, denn die Feinde zu berauben ist keine Sünde. Wenn ich die Augen geschlossen, dann wird Pracht und Reichtum einziehen in meines Sohnes niedere Hütte; du wirst dir einen Palast bauen an den Ufern des Nil, du wirst wie die mächtigen Pharaonen auf Purpurpolstern ruhen, bedient von schönen Sklavinnen, du wirst deine vergoldete Gondel auf den Wellen des Nil rudern und dich tragen lassen in reich bemalter Sänfte. Isaak, du erhebst dich aus dem Staube der Knechtschaft, du setzest deinen Fuß auf die stolzen Nacken der Unterdrücker, du rächst deine Schmach, rächst deines Vaters Schande, deines Vaters Tod, denn, wer Reichtum besitzt, besitzt Macht.

      Verführe sie, verderbe unsere Feinde, und aus dem Grabe heraus will ich dich segnen; mein Geist wird dich schützen.«

      Der Alte hatte ermattet die Stimme sinken lassen, während Isaak mit erglühten Wangen, leuchtenden Augen seiner Rede gefolgt war.

      »Vater,« preßte der überraschte Sohn hervor, »mein der Schatz des Königs? mein? es ist keine Ausgeburt deines fieberkranken Hirnes? Ich, der verachtete, bespiene Jude, reich, mächtig, der Rächer meines Volkes? Vater, mir schwindelt, meine Sinne halten es nicht aus; mir ist, als sähe ich die Pracht des königlichen Schatzes vor mir glänzen, wie ein Meer im Abendstrahl, und die Edelsteine würden zu Flammen, mich zu versengen, das Gold dünstet giftiggelbe Gluthitze aus, mich zu ersticken – ich sehe mich in prächtigen Gewändern dahinschreiten, hohnlachend meinen Unterdrückern – Vater, mache mich nicht wahnsinnig vor schauderndem Entzücken.«

      Mit Anstrengung gelang es ihm endlich, seine schweratmende Brust zu bändigen, er richtete den zurückgesunkenen Sterbenden auf, sprach einige herzliche Worte zu ihm und küßte ihm im Rausche der Freude dankbar die Stirn. Der alte Mann begann nun in abgebrochenen Worten zu beschreiben, wohinaus Isaak sich zu wenden habe, um das Schatzhaus zu finden.

      »Du siehst, ich mache dir ein reiches Vermächtnis, teurer Sohn, so reich, wie es der reichste Königsbeamte seinem Sohn nicht hinterläßt,« stotterte er immer mühsamer, »nun sterbe ich gern, denn ich habe dich glücklich gemacht.«

      »Vater, du vergaßest, mir genau anzugeben, wo sich das Schatzhaus befindet,« rief Isaak angstvoll, »sammle deine Sinne, damit ich der Beschreibung genau folgen kann, denn, wenn ich keine Ahnung habe, in welchem Gebäude der Schatz liegt, wie soll ich ihn finden? Also, da wo der alte Königspalast von Memphis liegt, am Südostende der Stadt steht, umgeben von mehreren anderen Gebäuden, das Schatzhaus?«

      Der Greis beschrieb dem Sohn mit dem Finger aus dem Fußboden den Weg, den er zu gehen habe. Wenn er von der Stadt käme, sei es das dritte und größte der Gebäude; mächtige Pylonen ragten vor ihm in die Luft, aber die Türe, die in sein

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