ТОП просматриваемых книг сайта:
Max Havelaar oder Die Kaffee-Versteigerungen der NiederländischenHandels-Gesellschaft. Multatuli
Читать онлайн.Название Max Havelaar oder Die Kaffee-Versteigerungen der NiederländischenHandels-Gesellschaft
Год выпуска 0
isbn
Автор произведения Multatuli
Жанр Зарубежная классика
Издательство Public Domain
Unterwegs beschloß ich, es mit Bastiaans noch etwas anzusehen, denn ich mag nicht gern jemand auf die Straße setzen.
Jetzt folgt die erste Woche von Stern. Es versteht sich von selber, daß viel drin vorkommt, was mir nicht gefällt; aber ich muß mich an Artikel zwei halten, und die Rosemeyers haben es gut gefunden, aber ich glaube, daß sie nach Stern angeln, weil er in Hamburg einen Onkel hat, der in Zucker macht.
Sjaalman war in der That dagewesen; er hatte Stern gesprochen und diesem einige Worte und Dinge ausgelegt, die er nicht verstand die Stern nicht verstand, meine ich. Ich lade nun die Leser ein, sich durch die folgenden Kapitel durchzubeißen; dann verspreche ich später wieder etwas soliderer Natur von mir, Batavus Droogstoppel, Makler in Kaffee (Firma Last & Co., Lauriergracht Nr. 37).
Fünftes Kapitel
Stern beginnt seine Erzählung. Von Türmen, vom Adel, von Residenten, Adsistent-Residenten, Regenten und Regierten auf Java.
Eines Morgens um zehn Uhr herrschte auf dem großen Weg, der den Bezirk Pandeglang mit Lebak verbindet, eine ungewöhnliche Bewegung.
»Großer Weg« ist ein bißchen viel gesagt für den breiten Fußpfad, den man aus Höflichkeit und in Ermangelung eines besseren den »Weg« nannte; aber wenn man mit einem vierspännigen Wagen von Serang, dem Hauptorte von Bantam, wegfuhr, mit der Absicht, sich nach Rangkas-Betoeng, dem neuen Hauptort des Lebakschen, zu begeben, konnte man einigermaßen darauf rechnen, nach einiger Zeit dort anzukommen. Es war also ein Weg. Man blieb zwar fortwährend in dem Sumpfboden stecken, der in den Bantamschen Tiefländereien schwer, lehmig und kleberig ist, man sah sich zwar öfters genötigt, die Bewohner der in der Nähe gelegenen Dörfer zu Hilfe zu rufen auch waren sie oftmals nicht in der Nähe, denn die Dörfer sind in der Gegend nicht sehr zahlreich aber wenn man es dann geschafft hatte, so zwanzig Landbewohner aus der Umgegend zusammen zu bringen, dauerte es gewöhnlich nicht mehr lange, bis man Pferde und Wagen wieder auf festen Grund gebracht hatte. Der Kutscher klatschte mit der Peitsche, die Läufer in Europa würde man sie, glaube ich, Palefreniers nennen, oder besser gesagt, in Europa giebt es nichts, was sich mit diesen Läufern vergleichen ließe diese unvergleichlichen Läufer also, mit ihren kurzen dicken Peitschen, sprangen wieder an der Seite des Viergespanns einher, kreischten wieder unbeschreibliche Töne und schlugen den Pferden zur Ermutigung unter den Bauch. So ratterte man denn einige Zeit weiter, bis der ärgerliche Augenblick wieder da war, daß man bis über die Achsen in den Modder versank. Dann begann das Hilferufen aufs neue man wartete, bis die Hilfe kam, man jockelte weiter.
Oftmals, wenn ich diesen Weg entlang ging, war mir, als müßte ich da einen Wagen mit Reisenden aus dem vorigen Jahrhundert finden, der in den Sumpf gesunken und vergessen worden war. Aber das ist mir doch niemals passiert. Ich nehme daher an, daß alle, die diesen Weg jemals gefahren sind, endlich dahin gelangt sein müssen, wohin sie wollten.
Man würde sich sehr täuschen, wenn man sich von dem ganzen großen Weg auf Java nach dem Maßstabe dieses Weges ins Lebaksche eine Vorstellung machen würde. Die eigentliche Heerstraße mit ihren vielen Seitenzweigen, die der Marschall Daendels mit großer Aufopferung von Menschen herstellen ließ, ist in der That ein prächtiges Stück Arbeit, und man staunt über die Geisteskraft dieses Mannes, der, ungeachtet aller Schwierigkeiten, die seine Neider und Widersacher im Mutterlande ihm in den Weg legten, dem Unwillen der Bevölkerung und dem Mißvergnügen der Stammeshäupter zu trotzen wagte, um etwas zustande zu bringen, was heute noch die Bewunderung jedes Besuchers hervorruft und verdient.
Keine Pferdepost in Europa, auch nicht in England, Rußland oder Ungarn, kann mit der auf Java in Vergleich gestellt werden. Über hohe Bergrücken, an Abgründen, die dich grausen machen, fliegt der schwerbepackte Reisewagen in einem Galopp dahin. Der Kutscher sitzt auf dem Bock wie angenagelt, Stunden, ja ganze Tage hintereinander, und schwingt die schwere Peitsche mit eisernem Arm. Er weiß genau zu berechnen, wie stark er die scheuenden Pferde halten muß, um nach fliegender Thalfahrt, von einem Bergesabhang herab, dort an jener Ecke …
»Mein Gott, der Weg ist … wir stürzen in den Abgrund«, schreit der unerfahrene Reisende, »da ist kein Weg … da ist die Tiefe«
Ja, so scheint es. Der Weg biegt sich, und gerade, wie ein Galoppsprung mehr das Vorspann den festen Grund und Boten soll verlieren lassen, wenden sich die Pferde und schleudern den Wagen um die Kante herum. Sie fliegen die Höhe hinauf, die du einen Augenblick zuvor nicht gesehen hast, … und der Abgrund liegt hinter dir.
Es kommt vor, daß der Wagen allein auf den Rädern der Innenseite des Bogens ruht, den du beschreibst: die Centrifugalkraft hat die äußeren Räder vom Grunde emporgehoben. Es gehört Kaltblütigkeit dazu, die Augen nicht zu schließen, und wer zum erstenmal auf Java reist, schreibt gewöhnlich an seine Familie, daß er in Lebensgefahr geschwebt hat: aber wer daheim davon hört, lacht darüber.
Leser, ich beabsichtige nicht, vor allem nicht zu Anfang meiner Erzählung, dich lange mit Beschreibungen von Orten, Landschaften und Gebäuden aufzuhalten. Ich würde fürchten müssen, dich durch etwas abzuschrecken, was nach Langeweile schmeckt: und erst später, wenn ich merke, daß du für mich gewonnen bist, wenn ich in Blick und Haltung sehe, das Los der Heldin, die irgendwo aus dem vierten Stockwerk springt, hat deine Teilnahme, dann lasse ich sie, mit stolzer Verachtung aller Gesetze der Schwerkraft, zwischen Himmel und Erde schweben, bis ich meinem Herzen Luft gemacht habe durch genaue Schilderung der Schönheiten der Landschaft oder des Gebäudes, das da eigens hingestellt zu sein scheint, um zu einer vielseitenlangen Abschweifung über mittelalterliche Baukunst Anlaß zu geben. Alle diese Burgen gleichen einander. Unabänderlich sind sie von verschiedenartiger Bauordnung; das Hauptgebäude datiert stets um einige Generationen früher als die Seitenflügel, die unter diesem oder jenem späteren König angeklebt sind. Die Türme sind in verfallenem Zustand …
Leser, es giebt keine Türme. Ein Turm ist eine Phantasie, ein Traum, ein Ideal. Es giebt »halbe Türme«, und »Türmchen.«
Die Schwärmerei, die da meinte, Türme auf die Gebäude setzen zu müssen, die zur Ehre dieses oder jenes Heiligen errichtet wurden, dauerte nicht lange genug, um sie zu vollenden, und die Spitze, die die Gläubigen gen Himmel weisen soll, ruht gewöhnlich, ein paar Stockwerk zu tief, auf der massiven Basis, was an den »Mann ohne Schenkel« auf der Kirmeß erinnert. Nur Türmchen, kleine Nadelchen auf den Dorfkirchen, sind fertig geworden.
Es ist für die westliche Kultur nicht schmeichelhaft, daß die Phantasie, ein großes Werk zustande zu bringen, selten standhalten konnte, um das Werk vollendet zu sehen. Ich spreche nicht von Unternehmungen, deren Fertigstellung nötig war, um die Kosten zu decken. Wer genau wissen will, was ich meine, sehe sich den Dom zu Köln an. Er gebe sich Rechenschaft von der großartigsten Idee in der Seele des Baumeisters, von dem Glauben im Herzen des Volkes, das ihn instandsetzte, das Werk anzufangen und fortzusetzen, von der Gewalt der Gedanken, die solch einen Koloß nötig hatten, um als sichtbarer Ausdruck des unsichtbaren religiösen Gefühls zu dienen, und er vergleiche diese Schwärmerei mit der Richtung, die einige Jahrhunderte später den Augenblick gebar, da man das Werk unterbrach.
Eine tiefe Kluft liegt zwischen Erwin von Steinbach und unseren Baumeistern. Ich weiß, daß man seit Jahren bemüht ist, den Spalt auszufüllen; auch zu Köln baut man wieder an dem Dom. Aber wird man den abgerissenen Draht weiter führen können? Wird man in unseren Tagen wieder finden, was damals die Stärke von Kirchenvogt und Bauherrn ausmachte? Ich glaube nicht. Geld kann man geben; dafür ist Stein und Kalk feil; man kann den Künstler bezahlen, der einen Plan entwirft, den Steinmetzen, der den Stein legt … aber nicht für Geld feil ist das wunderliche und doch ehrwürdige Gefühl, das in einem Bauentwurf ein Gedicht sah: ein Gedicht von Granit, das laut zum Volke sprach, ein Gedicht von Marmor, das dastand als ein unbeweglich, dauernd, ewig Gebet.
Auf der Grenze also zwischen Lebak und Pandeglang war an jenem Morgen eine ungewöhnliche Bewegung. Hunderte von gesattelten Pferden bedeckten den Weg, und mindestens tausend Menschen, was für diesen Fleck