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Freundlichkeit, die Sie mir erwiesen, abstatten, da ich noch heute von hier abreisen werde; dringende Angelegenheiten fordern anderwärts meine Gegenwart.«

      Der Finanzrath schien betreten, und nachdem er einige Zeit in Nachdenken versunken war, sagte er: »Das sollte mir herzlich leid thun, Herr Palm; ist an Ihrem Entschlusse nichts mehr zu ändern?«

      »Nichts, Herr Finanzrath,« entgegnete dieser.

      Frau von Bremer begriff wenig von der tiefer liegenden Bedeutung dessen, was um sie her vorging; sie wendete sich mit den Worten zu Karoline: »Was spieltest du doch vorhin? es war ein schönes Stück, nur etwas düster.« Nachdem sie dies gesagt hatte, trat sie an das Instrument, aber Karoline kam ihr zuvor, und indem sie eilig das Notenheft von dem Pulte nahm, rollte sie dasselbe zusammen und verließ damit das Zimmer, indem sie sagte: »Schön, Mama? Du findest es schön? Ich finde es abscheulich, unerträglich!«

      Auch dies war dem Finanzrathe nicht entgangen; er legte einige Briefe und Zeitungen, die er beim Eintreten in das Zimmer in der Hand trug, auf den Tisch und blickte nochmals einen Augenblick in nachdenkendem Schweigen vor sich nieder. Dann wendete er sich rasch zu Palm, der nach einer letzten Verbeugung eben im Begriffe war, das Zimmer zu verlassen, und rief ihm zu:

      »Wollen Sie mir einen Gefallen thun, Herr Palm?«

      »Wenn es mir möglich ist, gern.«

      »Bleiben Sie noch einige Tage hier.«

      »Ich kann es nicht,« entgegnete Palm.

      »Bis morgen,« bat der Finanzrath.

      »Ich kann es nicht,« wiederholte Palm.

      »Nun, so versprechen Sie mir wenigstens,« sagte nun der Finanzrath, »nicht abzureisen, bevor wir uns noch einmal allein gesprochen haben.«

      Nach einer Pause peinlicher Ueberlegung entgegnete Palm: »Es sei, ich verspreche es Ihnen.«

      »Geben Sie mir Ihre Hand darauf,« sagte Herr von Bremer. Palm reichte ihm die Hand, grüßte ehrerbietig und verließ dann das Zimmer.

      Mit der größten Unbefangenheit hatte Frau von Bremer inzwischen geklingelt und der eintretenden Sophie den Auftrag gegeben, das zweite Frühstück zu serviren. Dies geschah.

      Der Finanzrath nahm Platz, und während er eine Tasse Bouillon ausschlürfte, las er aufmerksam die Briefe, welche angekommen waren, und bei deren Durchsicht er hier und da einige Bemerkungen machte. Ungeduldig beobachtete ihn seine Frau; sie wußte, daß ein Schreiben dazwischen war, welches sie selbst im höchsten Grade interessirte, und sie frug endlich: »Darf ich fragen, ob irgend etwas dabei ist, das auch mich angeht?«

      »Es sind lauter dienstliche Angelegenheiten,« erwiderte der Finanzrath; »doch sieh!« setzte er hinzu, indem er zuletzt noch ein zierliches Briefchen ergriff; »irre ich mich nicht, so ist dies, Vetter Karl's Hand.«

      »Ein Brief vom jungen Baron von Wiesen?« frug Frau von Bremer, indem sie sehr geschickt scheinbar verwundert war; »da bin ich doch neugierig, zu wissen, was er schreibt, denn seit der Correspondenz in Bezug auf Karoline hat er nichts wieder von sich hören lassen.«

      Der Finanzrath schien nicht sehr angenehm überrascht durch den voraussichtlichen Wiederbeginn dieser Korrespondenz, er stand auf, und indem er seiner Frau den Brief übergab, sagte er: »Lies selbst, liebes Kind, ich dachte, die Sache sei längst vollständig aus der Welt, aber freilich,« fuhr er fort, indem er im Zimmer auf und ab ging, während seine Frau den Brief öffnete und las, »man kann es dem jungen Menschen nicht verdenken, denn die Ausrede, daß Karoline zu jung sei, gilt nicht mehr, da das Mädchen achtzehn Jahre alt geworden ist, und es gefällt mir von ihm, daß seine Neigung nicht gar zu flüchtig war, obgleich ich nicht sagen kann, daß ich sonst jemals besondere Vorliebe für ihn gehabt hätte.«

      Unterdessen hatte Frau von Bremer den Brief gelesen und faltete ihn wieder zusammen.

      Ihr Mann trat zu ihr heran und fragte: »Was enthält der Brief, und was sagst du dazu, liebes Kind?«

      Frau von Bremer sah sich um, ob nicht vielleicht ein unberufener Mensch im Zimmer sei, dann setzte sie sich möglichst in Positur und sagte:

      »Vor allen Dingen bin ich sehr erfreut, daß meine Ansicht über Vetter Karl die richtige war; du wirst dich erinnern, daß du seine Absicht auf Karolinens Hand als eine vorübergehende Laune betrachtetest, während ich ihn richtiger beurtheilte, und die Consequenz, mit welcher Karl auf seiner Absicht besteht, beweist, daß ich Recht hatte. Meiner Meinung nach werden wir schwerlich für Karoline eine bessere Partie finden; der Baron ist von altem Adel, steht, wie man sagt, in besonderer Gunst beim Könige und wird wegen seines Geistes und seiner Fähigkeiten allgemein gerühmt. Außerdem besitzt er ein ansehnliches Vermögen, und obgleich ich deine Ansichten in dieser Beziehung kenne, so glaube ich doch, du wirst in Bezug auf deine Tochter nicht wünschen, sie einem Bettler zur Frau zu geben.«

      »Gewiß nicht,« entgegnete von Bremer mit ironischem Lächeln, »ich möchte Karoline nicht an einen Bettler, aber ich möchte sie an einen braven Mann verheirathen.«

      »Ueber das Betragen des jungen Barons kann gewiß nicht der geringste Tadel aufgebracht werden,« meinte Frau von Bremer, »er genießt einen ausgezeichneten Ruf und bewegt sich in allen Kreisen, in denen guter Ton herrscht.«

      »Das ist wahr,« erwiederte der Finanzrath, »aber das beweist nichts. Ich habe Menschen gekannt, die in den höchsten Kreisen willkommen waren, aber vergeblich in der Wohnung eines verständigen und redlichen Bürgers Zugang gesucht haben würden, und ebenso erinnere ich mich manches Menschen, den ich von Herzensgrund hochschätzte, obgleich er niemals die Gesellschaften der großen Welt betreten hatte. Wir wollen deshalb lieber einen anderen Maßstab anlegen und für Karoline einen Mann wählen, der kein Hans Narr, kein Schleppenträger und kein Sodomsapfel ist, von Außen schön, von Innen faul.«

      Ungeduldig hatte Frau von Bremer bis hierhin zugehört; jetzt sagte sie: »Das ist Alles ganz vortrefflich, aber ich möchte wissen, wie ich alle diese Redensarten mit dem jungen Baron in Beziehung bringen soll.«

      »Kurz und bündig,« entgegnete der Finanzrath, »Vetter Karl gefällt mir nicht.«

      »Warum nicht, wenn ich fragen darf?«

      »Er ist ein Spieler.«

      Mit vornehmer Miene entgegnete Frau von Bremer: »Diese Beschuldigung ist mir schon öfter zu Ohren gekommen, und da ich selbst nicht wünschen kann, daß deine Tochter einen Spieler zum Manne bekäme, so habe ich genaue Erkundigungen eingezogen und mich überzeugt, daß, wenn Karl wirklich hier und da spielt, dies doch immer in auserlesener Gesellschaft geschieht, er spielt nur mit jungen Leuten comme il faut

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