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Die Burg von Otranto. Horace Walpole
Читать онлайн.Название Die Burg von Otranto
Год выпуска 0
isbn
Автор произведения Horace Walpole
Жанр Зарубежная классика
Издательство Public Domain
hat dem Versuch seinen Beyfall gegeben, daher darf der Autor nicht sagen, daß er seinem Unternehmen ganz und gar nicht gewachsen war. Bricht aber der neue Weg, den er einschlug, Männern von glänzenderen Talenten eine Bahn, so gesteht er gern und bescheiden, wie sehr er fühlt, daß ein solcher Plan weit schöner ausgeführt werden könne, als seine Einbildungskraft und Behandlung der Leidenschaften ihm zu thun erlaubten.
Der Art, wie die Bedienten geschildert sind, ist bereits in der ersten Vorrede erwähnt, doch erlaubt man vielleicht, hier noch ein Paar Worte darüber hinzuzufügen. Die Einfältigkeit ihres Benehmens, die fast zum Lachen bewegt, und obenhin betrachtet, mit dem ernsten Ton des Werkes in keinem Einklang zu stehen scheint, hielt ich nicht nur nicht für unschicklich, sondern ward von mir absichtlich so dargestellt. Darin war die Natur meine Richtschnur. Wie ernsthaft, wichtig, sogar schwermüthig die Gefühle der Fürsten und Helden auch seyn mögen, ihren Bedienten prägen sie die nemlichen Empfindungen nicht ein; wenigstens drücken die letzteren ihre Gesinnungen nicht in gleich erhabener Sprache aus, oder sollten sie doch so nicht ausdrücken. Ich bin des unterthänigen Dafürhaltens, daß der Abstand zwischen der Erhabenheit der ersten, und der Naivetät der letztern, ein stärkeres Licht auf die Leiden jener werfe. Fühlt der Leser sich ungeduldig, wenn ihn die niedern Scherze gemeiner Schauspieler verhindern, zur Kenntniß der wichtigen Entwickelung zu gelangen, welcher er entgegen sieht: so vermehrt das vielleicht seine Theilnahme, und beweist sicherlich, es sey der Kunst gelungen, ihn für die obwaltende Begebenheit einzunehmen. Aber ich hatte für diese Behandlungsart einen sicherern Gewährsmann, als meine Meinung. Shakespeare, dieser große Meister der Natur, war das Muster, dem ich nachahmte. Würden, frag’ ich, seine Trauerspiele, Hamlet und Julius Cäsar, nicht einen beträchtlichen Theil ihres Geistes und ihrer wunderbaren Schönheiten verlieren, wenn man die Einfälle der Todtengräber, Polonius Narrheiten, und den Pöbelwitz der römischen Bürger, daraus verbannte, oder in Heldenton verkehrte? Wird die Beredsamkeit des Antonius, und die edlere, absichtlich minder gesuchte Sprache des Brutus, durch das rohe Geschrei der Natur aus dem Munde ihrer Hörer, nicht mit weiser Kunst erhöht? Diese Meisterzüge erinnern an den griechischen Steinschneider, welcher, um in dem engern Umkreise eines Siegels den Begrif eines Riesen auszudrücken, einen kleinen Knaben neben ihm stellte, der seinen Daumen mißt.
Nein, sagt Voltaire in seiner Ausgabe des Corneille, diese Vermischung des Grotesken und Feyerlichen ist unerträglich. Voltaire ist ein Genie, aber an Shakespeare’s Größe reicht er nicht.1 Ohne Schiedsrichter aufzurufen, gegen die sich etwas einwenden ließe, wende ich mich von Voltaire an ihn selbst. Ich leiste Verzicht, auf seine vormaligen Lobreden zu Ehren des mächtigen Dichters; wiewohl der französische Kunstrichter einen Monolog Hamlets zweymal übersetzt hat; vor vielen Jahren in seiner Bewunderung, und neuerlich um darüber zu spotten; es thut mir nur leid zu finden, daß seine Urtheilskraft schwächer geworden sey, da sie hätte sollen reifer werden. Ich bediene mich blos seiner eigenen Worte, über die dramatische Behandlung an sich selbst betrachtet, wobey er nicht daran dachte, Shakespeare’s Manier zu empfehlen oder herunterzusetzen: folglich wo Voltaire unpartheyisch war. Die Vorrede zu seinem verlornen Sohn (enfant prodigue,) einem treflichen Stücke, für welches ich meine Bewunderung an den Tag lege, und das, sollte ich noch zwanzig Jahr länger leben, ich hoffentlich nie unternehmen werde lächerlich zu machen, drückt sich folgender Gestalt über das Lustspiel aus: (und hätte vom Trauerspiele das nämliche sagen können, wenn anders Trauerspiel ist, was es sicherlich seyn soll, ein Gemälde des menschlichen Lebens; noch vermag ich zu begreifen, warum gelegentlicher Scherz von der tragischen Bühne mehr verbannt seyn sollte, als rührender Ernst von der comischen? »Man sieht darin eine Vermischung von Ernst und Scherz, von Lachen und Thränen; oft bringt die nemliche Begebenheit so entgegenstehende Empfindungen hervor. Nichts findet man so häufig, als ein Haus, worin der Vater schmält, die Tochter von einer Leidenschaft hingerissen weint, der Sohn beyde verlacht, und einige Verwandten verschiedenen Antheil an dem nehmen was vorgeht. Wir schließen daraus nicht, daß ein jedes Lustspiel niedrig komische und rührende Auftritte in sich vereinigen müsse: es giebt gute Stücke die blos lustig sind; einige ganz ernsthaft; einige abwechselnd; einige welche die Rührung bis zu Thränen treiben: man muß keine Gattung verwerfen; und fragt man mich, welcher Gattung ich den Vorzug gebe, so antworte ich, der, die am besten behandelt wird.« Wahrlich, darf ein Lustspiel ganz ernsthaft seyn, so mag man auch dem Trauerspiele ein bescheidentliches Lächeln erlauben. Wer hat ihm darüber vorzuschreiben? Soll der Kunstrichter, der aus Selbstvertheidigung keine Gattung des Lustspiels verwerfen lassen will, Shakespeare’n Gesetze geben?
Wohl weiß ich, daß Herr von Voltaire die Vorrede, woraus ich diese Stellen anführe, nicht sich sondern dem Herausgeber zuschreibt. Wer aber zweifelt, daß Herausgeber und Dichter eine Person sind? oder wer ist der Herausgeber, der sich so glücklich der Sprache und der glänzenden Ueberredungskraft seines Dichters bemeistert? Unstreitig waren diese Aeusserungen eigenthümliche Meinung des Schriftstellers. In dem Briefe an Maffei, welcher seiner Merope zur Vorrede dient, behauptet er die nemlichen Sätze, obwohl, wie es mir vorkommt, mit einigem Zusatz von Ironie. Ich will seine Worte wiederholen, und dann der Ursache erwähnen, warum ich sie anführe. Voltaire übersetzt eine Stelle aus Maffei’s Merope, und fügt hinzu: »das ist alles sehr natürlich; jeder Zug ist den Personen die Sie auf die Bühne bringen, angemessen, so wie den Sitten, die Sie ihnen geben. Man würde, glaub’ ich, diese ungezwungene Vertraulichkeit in Athen gut aufgenommen haben; aber Paris und unser Parterre verlangen eine andere Art von Einfalt.« Ich zweifle, sag’ ich, ob nicht ein Gran von Spott unter dieser und ähnlichen Stellen dieses Briefes verborgen liegt; doch verliert die Macht der Wahrheit nicht durch einen Anstrich des Lächerlichen. Maffei sollte eine griechische Geschichte darstellen: sicherlich waren die Athener nicht weniger gültige Richter über griechische Sitten und die Wahrheit ihrer Schilderung, als das Pariser Parterre. Gerade das Gegentheil, sagt Voltaire, und ich muß seine Gründe bewundern: Athen hatte nur zehntausend Bürger, und Paris hat beynahe achtmalhunderttausend Einwohner, worunter man dreißigtausend Schauspielrichter annehmen kann. Wirklich? Ich will diesen zahlreichen Gerichtshof zugeben; aber selbst alsdann glaub’ ich, ist dies der einzige Fall, in welchem man jemals behauptet hat: dreißigtausend Personen, die beinahe zweitausend Jahr später leben als die Zeit von der die Rede ist, wären, blos in Rücksicht auf ihre Anzahl, für bessere Richter zu erklären, als die Griechen selbst, wenn es auf Wahrheit der Sitten eines Trauerspiels ankommt, das aus griechischer Geschichte genommen ist.
Ich will mich in keine Untersuchung einlassen, welch eine Art von Einfalt die seyn mag, die das Pariser Parterre verlangt, noch in welche Fesseln die dreißigtausend Richter ihre Dichtkunst geschlagen haben; deren hauptsächlichstes Verdienst darin besteht, wie ich aus wiederholten Stellen des neuen Commentators über Corneille mir zusammenlese, trotz dieser Ketten zu springen; ein Verdienst, dessen Annahme die Dichtkunst von den Höhen gewaltiger Einbildungskraft, auf kindische und höchstverächtliche Arbeit, auf nugae difficiles einschränkt. Doch kann ich nicht umhin, ein Paar Alexandriner anzuführen, die meinen barbarischen Ohren, immer die platteste und höchst kleinlichste Probe ängstlicher Umständlichkeit schienen; die aber Voltaire, der neun Zehntheile von Corneille’s Werken so strenge richtet, im Racine heraushebt, um sie zu vertheidigen;
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Folgende Bemerkung gehört nicht hieher, aber man wird sie einem Engländer verzeihen, der gern glauben mögte: daß der harte Tadel eines so meisterhaften Schriftstellers, als Voltaire, gegen den unsterblichen Britten, vielmehr Aufwallung des Witzes und der Uebereilung sey, als Resultat eines überlegten Urtheils. Vielleicht war des Kunstrichters Bekanntschaft mit der Stärke und Gewalt einer fremden Sprache, eben so unsicher und unzulänglich, als mit der Geschichte jenes Landes? Gegen die letztere hat er schreyend verstossen. In der Vorrede zu Thomas Corneille’s Grafen von Essex, gesteht Herr von Voltaire, die historische Wahrheit sey in diesem Stücke gröblich verkehrt. Zu dessen Entschuldigung führt er an, da Corneille geschrieben, habe der französische Adel wenig englische Geschichte gelesen; aber jetzt, sagt der Commentator, jetzt studirt er sie, und würde Entstellungen dieser Art nicht mehr dulden. Doch vergißt er, daß die Zeit der Unwissenheit vorbey sey, und daß es nicht nöthig ist, Leute von dem zu unterrichten was sie wissen; also ertheilt er aus dem Ueberfluß seiner Belesenheit, dem Adel seines Landes, ein Verzeichniß der Günstlinge der Königin Elisabeth, deren erster, sagt er, Robert Dudley war, und der Graf von Leicester der zweyte. Sollte man glauben, es sey nöthig Herrn von Voltaire zu belehren, daß Robert Dudley und der Graf von Leicester nur eine Person sind?