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Kaiser blickte erleichtert auf. Sein Gesicht war heiß, sein Atem ging rasch. Die Nähe der Unsichtbaren hatte ihn mächtig erregt. Nun war er wieder allein.

      Allein! – —

      Er schloß die Augen. Sog das Geflüstere des Regens ein, der sanft vertröpfelnd auf die Blätter der Magnolie fiel, ohne den Kaiser zu erreichen. Immer seltener kamen die Tropfen . . . Nun hörten sie völlig auf – — Eine feuchte, wundervoll-erschlaffende Wärme quoll aus Erdreich, Hecken und Blüten her.

      Der Kaiser wartete, ob die Unsichtbaren nicht wieder kämen. Er wartete vergebens. Sein Betspruch war wohl allzu kräftig gewesen. Er stützte die Ellbogen auf die Kniee, barg die Stirn in den Händen . . .

      Warum nur hatte er den Spruch gebetet?! Warum nicht lieber den anderen, den er, ein halbes Kind noch, in einem Folianten Julians gefunden. Eine Beschwörungsformel in schlechtem Latein, die Geister nicht fort, sondern herbannen sollte.

      Vorhin schon war sie ihm durch den Kopf geflogen. Auch jetzt dacht’ er sie. Mit einer Inbrunst dacht’ er sie, die ihn selbst betroffen machte. Er sprach sie aber nicht aus. So blieb er allein.

      Allein?!

      Nein. Er war nicht mehr allein. Da unten am Meeresstrand stand ein junges Weib; ganz deutlich sah er sie mit seinen Augen. Es schien ihm unbegreiflich, wie sie hergekommen sein mochte, denn die kaiserlichen Gärten blieben jedem Fremden versperrt. Doch sie war da. Es schien sogar, als hätte sie eben am Meeresstrande gebadet; noch nestelten ihre Hände festigend an dem Gewande. Aus den Füßen, die nackt unter dem Kleidsaum vorschauten, lag noch eine Schaumkrone, – wie die letzte Schmeichelei einer Welle. In den blonden Haaren, die ihr über den Rücken flossen, glitzerten Wassertropfen. Sie war schön, wie der Kaiser noch kein Weib gesehen; von seltsamen hellenischer Schönheit, hellenisch war auch der Faltenwurf, in den sie das Kleid legte, die Art, wie sie es mit einer Spange auf der Schulter befestigte. Nun kniete sie nieder, um die Riemen ihrer Sandalen zu binden; sie trug keine plumpen Goldschuhe wie der Kaiser.

      Er traute seinen Augen nicht. War’s ein Weib, ein wirkliches Weib von Fleisch und Blut? War’s ein neuer Spuk, der ihn narrte? Es wurde ihm unbehaglich zu Mut. Eine Weile noch sah er ihr zu, entzückt und dennoch befangen. Dann bezwang er sich, trat auf sie zu.

      »Wer bist Du? Weißt Du nicht, daß die Gärten des Kaisers jedem Fremden verboten sind?« fragte er in strengem Ton.

      Ohne im Einschnüren der Sandalen innezuhalten, blickte sie stumm zu ihm auf, mit einem lächelnden Blick.

      »Wer bist Du?« sagte er noch einmal. Seine Stimme war schon bedeutend milder.

      Sie sah ihn an; seine Frage wunderte sie. Dachte einen Augenblick nach, als müsse sie sich erst auf ihren Namen besinnen. Leichthin:

      »Ich heiße Arsinoe!«

      »Arsinoe!«

      Schwer und süß dünkte ihm der Name, gleich dem Duft der Orangeblüte.

      »Wie kamst Du hierher, Arsinoe, in meine Gärten?«

      Sie neigte den Kopf ein wenig zur Seite. Blickte ihn schelmisch an, als wollte sie sagen:

      »Das weißt Du doch selbst am besten!«

      »Wie kamst Du hierher?« wiederholte er, da sie schwieg. Sein Ton klang härter, sein Gesicht sah strenger aus als vorhin.

      »Ich hatte mich verirrt, Cäsar! Ich ging in den Gärten an der Stadtmauer spazieren; beim goldenen Thor verlor ich den Weg. Ich geriet auf einen kleinen, ganz verborgenen Pfad, der mich unversehens hierher führte. Siehst Du, da läuft er am Meere hin.«

      Sie wies auf einen kaum fußbreiten Wegstreif, der durch Wiesen und dichtes Lorbeergebüsch sich verstohlen dem Strande entlang zog. Der Kaiser erinnerte sich nicht, ihn schon früher gesehen zu haben. Freilich waren seine Gärten so groß, daß er unmöglich jeden Saumpfad kennen konnte. Die Fremde war auf einfache, natürliche Weise gekommen, – das Gefühl des Unheimlichen schwand.

      »Willst Du Dich nicht zu mir setzen, Arsinoe? Du wirst müde sein vom Umherirren! Komm’ zu mir auf die Steinbank unter der Magnolie! Erzähle mir, – Du hast eine so süße Stimme!«

      »Ich komme! Laß mich nur erst meinen Anzug in Ordnung bringen! Hecken und Büsche sind übel damit umgegangen!« Sie bückte sich. Neben ihr, im Sande, lag ein rosenfarbenes Band mit rätselhaften Zeichen eingewebt. Das band sie kunstvoll um die Hüften.

      »So, nun komm’!«

      Sie wehrte ihm lachend. »Halt! Nicht so eilig. Sind Eure Byzantinerinnen nicht eitler?!«

      Sie schüttelte ihr Haar in den Nacken, band es in einen losen Knoten, den sie mit einem Silberstern auf der Höhe des Scheitels heftete. Blinkender Schein zitterte von dem Stern auf ihre weiße Stirne; eine Woge von Licht und Schönheit umfloß ihre Gestalt.

      Sie saßen unter der Magnolie. Des Kaisers Blick ruhte auf der weißen Schläfe unter dem blinkenden Sternenschein.

      »Bist Du aus Konstantinopel, Arsinoe?«

      »Nein.« ,

      »Woher denn?«

      »Aus Cythere.«

      »Aus Cythere!!«

      Schier sehnsuchtsvoll hatte er’s herausgestoßen Dann halb scheu, halb flüstern:

      »Cythere?! Das ist die Heimat der griechischen Liebesgöttin, nicht wahr?«

      Sie kniff die Augen ein wenig ein: lächelte.

      »Das weißt Du?!«

      »Natürlich. Schon als ich ein ganz kleiner Knirps war, hat mir mein Großvater oft von all den Götzen erzählt. Das heißt, Götzen nannte er sie nicht, obgleich er ein sehr frommer Mann war, so fromm, daß an seinem Sarge Wunder geschahen. Aber er hatte eine Vorliebe für das, was er »das klassische Altertum« nannte.«

      »Dein Großvater war ein weiser Mann. Und ein sehr schöner Mann. Ich hab’ ihn gut gekannt«

      Er starrte sie mit weitoffenen Augen an.

      »Das ist nicht möglich! Mein Großvater ist seit zwanzig Jahren tot. Du bist noch so jung! Du kannst ihn nicht gekannt, kaum einmal gesehen haben!«

      Sie ließ die Enden ihres Gürtelbandes spielend durch die Finger gleiten.

      »Ach so! Ja, Du hast Recht; ich kann ihn nicht gekannt haben. Ich meinte es auch nicht so wörtlich. Ich kenne ihn vom Hörensagen.«

      Wieder überschlich den Kaiser ein bängliches Gefühl. Alles an dieser Frau war befremdend, geheimnisvoll. Wie er sie jetzt von der Seite her ansah, fiel ihm eine Ähnlichkeit auf. Eine Ähnlichkeit die ihn erschreckte und entzückte zugleich. »Denk’ Dir, Arsinoe, im Palast steht, in einem verborgenen Gemach, eine Statue der Aphrodite, die mein Großvater von einer Reise mitgebracht hat. Die sieht Dir ähnlich!«

      »Was Du sagst?!«

      Spott und Rührung zugleich lagen in ihrem Ton. Eine Röte huschte über ihr Gesicht, – wie Abglanz einer Erinnerung. Dann wieder, als erzähle sie die natürlichste Sache von der Welt:

      »Ich habe sie ihm geschenkt, als er auf Cythere war.«

      Der Kaiser horchte auf. Zwang sich zum Scherze.

      »Du bist ein Schelm, Arsinoe! Willst Du mir nicht etwa weiß machen, daß Du schon mit Adam im Paradies kokettiert hättest?! Möchtest wohl als ein Spuk gelten? Wart’, ich banne Dich —«

      Ehe sie sich’s versah, hatte er das Kreuz über sie geschlagen. Mit angstvoller Neugier starrte er sie an. War sie ein Höllenspuk, so mußte sie vor diesem Zeichen verblassen, vergehen – —

      Eine, zwei Sekunden der Erwartung. Sie verblaßte nicht, zerrann nicht. Lächelnd hatte sie den Kaiser gewähren lassen; lächelnd, als wundere sie sein kindisches Thun.

      Des Kaisers Brust hob sich in einem befreiten Atemzug. Noch schwebte seine Hand erhoben, die das Kreuz geschlagen.

      Arsinoe haschte lächelnd nach dieser Hand, zog sie herab, drückte ihre Lippen auf seine überschlanken Fingerspitzen.

      Das

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