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hatten, stieß Frau Bonacieux an eine kleine Thüre, welche bei Tag offen, aber in der Nacht gewöhnlich geschlossen war. Die Thüre gab nach, Beide traten ein und befanden sich in der Dunkelheit; Frau Bonacieux kannte jedoch alle Winkel und Räume dieses für die Leute vom Gefolge bestimmten Theiles vom Louvre. Sie verschloß die Thüre hinter sich, nahm den Herzog bei der Hand, machte tastend einige Schritte, faßte ein Geländer, berührte mit dem Fuß eine Stufe und fing an eine Treppe hinaufzusteigen, wobei der Herzog zwei Stockwerke zählte. Dann wandte sie sich nach der rechten Seite, folgte einer langen Flur, stieg wieder ein Stockwerk hinab, machte noch einige Schritte, steckte einen Schlüssel in ein Schloß, öffnete eine Thüre, schob den Herzog in ein nur durch eine Nachtlampe beleuchtetes Zimmer und sagte zu ihm: »Bleibt hier, Mylord Herzog, man wird kommen!« Hierauf entfernte sie sich durch dieselbe Thüre, welche sie mit dem Schlüssel wieder verschloß, so daß sich der Herzog buchstäblich gefangen fand.

      So sehr von aller Welt getrennt der Herzog von Buckingham war, so befiel ihn doch nicht die geringste Furcht; eine der hervorspringendsten Seiten seines Charakters bestand in der Aufsuchung von Abenteuern und in der Liebe zum Romantischen. Tapfer, kühn, unternehmend, war es nicht das erste Mal, daß er sein Leben in solchen Versuchen wagte; er hatte erfahren, daß die angebliche Botschaft von Anna von Oesterreich, im Vertrauen auf deren Inhalt er nach Paris kam, eine Falle war, und statt nach England zurückzukehren, hatte er die Lage, in die man ihn versetzt, mißbraucht und der Königin erklärt, er würde nicht zurückkehren, ohne sie gesehen zu haben. Die Königin hielt seinem Drängen Anfangs eine gänzliche Weigerung entgegen, später aber befürchtete sie, der Herzog könnte außer sich gerathen und eine Thorheit begehen. Schon war sie entschlossen, ihn zu empfangen und ihn zu bitten, er möge sogleich abreisen, als gerade an dem Abend dieser Entscheidung Frau Bonacieux, welche den Herzog zu suchen und nach dem Louvre zu führen beauftragt war, verhaftet wurde. Zwei Tage lang wußte man durchaus nicht, was aus ihr geworden war, und Alles blieb ausgesetzt. Aber sobald sie ihre Freiheit wieder erlangt und mit La Porte die Verbindung wiederhergestellt hatte, nahmen die Dinge wieder ihren Lauf, und sie erfüllte den gefahrvollen Auftrag, den sie ohne ihre Verhaftung drei Tage früher vollführt haben würde.

      Als sich Buckingham allein sah, näherte er sich einem Spiegel. Die Musketierkleidung stand ihm vortrefflich. Damals ein Mann von fünf und dreißig Jahren, galt er mit Recht für den schönsten Baron und zierlichsten Cavalier von Frankreich und England. Der Liebling zweier Könige, im Besitze eines Vermögens von Millionen, allmächtig in einem Reiche, das er nach seiner Laune aufregte oder beruhigte, war George Villiers, Herzog von Buckingham, eine jener fabelhaften Existenzen, welche noch nach Jahrhunderten die Nachwelt in fortwährendes Erstaunen setzen. Seiner sicher, überzeugt von seiner Macht, gewiß, daß die Gesetze, welche Andere beherrschen, ihn nicht erreichen konnten, ging er gerade auf das Ziel los, das er sich gesteckt hatte, und war dasselbe auch so erhaben, so blendend, daß es für einen Andern eine Thorheit gewesen wäre, nur seinen Blick darauf zu werfen. So war es ihm gelungen, sich wiederholt der schönen und stolzen Anna von Oesterreich zu nähern und durch die Macht der Verblendung ihre Liebe zu gewinnen.

      George Villiers stellte sich, wie gesagt, vor einen Spiegel und gab seinem schönen blonden Haare die Wellenlinien wieder, die das Gewicht seines Hutes niedergedrückt hatte, strich seinen Schnurrbart in die Höhe und lächelte, glücklich und stolz, dem so lange ersehnten Augenblick nahe zu sein, sich selbst in übermüthiger Hoffnung zu.

      In diesem Augenblick öffnete sich eine verborgene Tapetenthüre und eine Dame erschien. Buckingham sah diese Erscheinung im Spiegel; er stieß einen Schrei aus, es war die Königin!

      Anna von Oesterreich zählte damals sechs bis sieben und zwanzig Jahre, das heißt sie stand im vollen Glanze ihrer Schönheit. Ihr Gang war der einer Königin oder Göttin. Ihre Augen, welche Smaragdreflexe warfen, waren unendlich schön und zugleich voll Sanftmuth und Majestät. Ihr Mund war klein und frischroth, und obgleich ihre Unterlippe, wie bei allen Prinzen vom Hause Oesterreich, etwas vortrat, so war er doch äußerst anmuthig in seinem Lächeln, aber ungemein wegwerfend in der Geringschätzung. Ihre Haut war berühmt wegen ihrer sammetartigen Weichheit; ihre Hand und ihre außerordentlich reizenden Arme wurden von den Dichtern der Zeit als unvergleichlich besungen. Ihre Haare, welche in ihrer Jugend blond, nunmehr aber kastanienbraun geworden waren, umrahmten auf eine bewunderungswürdige Weise ihr Antlitz, dem der strengste Richter nur etwas weniger Röthe und der anspruchsvollste Bildhauer nur ein wenig mehr Zartheit in der Nase hätte wünschen können.

      Buckingham stand geblendet da; nie war ihm Anna von Oesterreich auf den Bällen, bei den Feten, bei den Carroussels so schön vorgekommen, als sie ihm in diesem Augenblick in ihrem einfachen weißen Seidenkleide erschien. Sie war begleitet von Donna Estefania, der einzigen von ihren spanischen Frauen, welche nicht durch die Eifersucht des Königs oder die Verfolgungen von Richelieu vertrieben worden war.

      Anna von Oesterreich ging zwei Schritte vorwärts; Buckingham stürzte auf seine Kniee und küßte, ehe es die Königin verhindern konnte, den Saum ihres Kleides.

      »Herzog, Ihr wißt bereits, daß ich Euch nicht habe schreiben lassen?«

      »O ja, Madame, ja, Ew. Majestät. Ich weiß, daß ich ein Thor, ein Wahnsinniger gewesen bin, glauben zu können, der Schnee würde sich beleben, der Marmor erwärmen; aber was wollt Ihr? wenn man liebt, glaubt man leicht an die Liebe; überdies habe ich bei dieser Reise nicht Alles verloren, da ich Euch sehe.«

      »Ja,« erwiederte Anna, »aber Ihr wißt, warum und wie ich Euch sehe, Mylord. Ich sehe Euch aus Mitleid für Euch selbst; ich sehe Euch, weil Ihr, unempfindlich für alle meine Qualen, hartnäckig in einer Stadt verweilt, wo Ihr Euer Leben wagt und meine Ehre bloßstellt. Ich sehe Euch, um Euch zu sagen, daß uns Alles trennt, die Tiefe des Meeres, die Zwistigkeiten der Königreiche, die Heiligkeit der Schwüre. Es ist ein wahrer Frevel, gegen so viele Dinge zu kämpfen, Mylord. Ich sehe Euch endlich, um Euch zu sagen, daß wir uns nicht mehr sehen dürfen.«

      »Sprecht, Madame, sprecht, Königin,« erwiederte Buckingham, »die Sanftheit Eurer Stimme verhüllt die Härte Eurer Worte. Ihr sprecht von Frevel! aber der Frevel liegt in der Trennung von Herzen, welche Gott für einander geschaffen hatte.«

      »Mylord!« rief die Königin, »Ihr vergeht, daß ich Euch nie gesagt habe, ich liebe Euch.«

      »Aber Ihr habt mir auch nie gesagt, Ihr liebet mich nicht, und in der That, eine solche Aeußerung wäre von Seiten Eurer Majestät eine zu große Undankbarkeit. Denn sagt mir, wo würdet Ihr eine Liebe finden, die der meinigen gliche, eine Liebe, welche weder die Zeit, noch die Entfernung, noch die Verzweiflung zu ersticken vermögen; eine Liebe, die sich mit einem entfallenen Bande, einem verlorenen Blicke, einem entschlüpften Worte begnügt? Vor drei Jahren, Madame, habe ich Euch zum ersten Male gesehen, und seit drei Jahren liebe ich Euch auf diese Weise. Soll ich Euch sagen, wie Ihr gekleidet wäret, als ich Euch zum ersten Male sah, soll ich jedes Stück Eurer damaligen Toilette beschreiben? Ich sehe Euch noch vor mir: Ihr saßet nach spanischer Sitte, auf Polstern; Ihr hattet ein Kleid von grüner Seide mit Gold- und Silberstickerei, lange, an Euren schönen, Euren bewunderungswürdigen Armen mit großen Diamanten befestigte Aermel, eine geschlossene Krause, auf Eurem Haupt eine kleine Mütze von der Farbe Eures Kleides und auf dieser Mütze eine Reiherfeder. Oh! ich schließe die Augen und sehe Euch, wie Ihr damals waret. Ich öffne sie wieder, und sehe Euch, wie Ihr jetzt seid – noch hundertmal schöner!«

      »Welche Thorheit!« murmelte Anna von Oesterreich, die nicht den Muth besaß, dem Herzog zu grollen, weil er ihr Porträt so gut in seinem Innern bewahrt hatte; »welche Thorheit, eine vergebliche Leidenschaft mit solchen Erinnerungen zu nähren!«

      »Und wovon soll ich denn leben? ich habe nur Erinnerungen. Das ist mein Glück, mein Schatz, meine Hoffnung! So oft ich Euch sehe, finde ich einen Diamant mehr, den ich in dem Gefässe meines Herzens einschließe. Dieser ist der vierte, den Ihr fallen laßt und ich aufraffe; denn in drei Jahren, Madame, habe ich Euch nur vier Mal gesehen, das erste Mal, wie ich so eben gesagt, das zweite Mal bei Frau von Chevreuse, das dritte Mal in den Gärten von Amiens . . . «

      »Herzog,« rief die Königin, »sprecht mir nicht von diesem Abend.«

      »Oh, sprechen wir im Gegenteil davon, Madame, sprechen wir davon, es ist der schönste, leuchtendste Abend meines Lebens. Ihr erinnert Euch jener

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