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und Körperstärke zu imponiren.

      Aubin Courte-Joie war in den ersten Reihen der Meuterer; aber der Krüppel hatte seine Stelzfüße durch zwei tüchtige gesunde Beine ersetzt: er ließ sich von einem kolossalen Bettler tragen. Er saß auf den Schultern desselben und seine Stelzfüße waren mit Riemen an dem Leibe des Bettlers festgeschnallt, so daß er in dieser Stellung eben so fest saß, wie der General im Sattel.

      So reichte Aubin bis an die Epaulette des Generals, gegen den er drohend seine Stimme und seine Fäuste erhob.

      Der General streckte die Hand nach ihm aus, faßte ihn beim Kragen, hob ihn mit starker Faust auf, hielt ihn einige Augenblicke über der Menge schwebend und warf ihn endlich einem Gendarmen zu.

      »Halte mir den Hanswurst fest,« sagte er, »er würde mir am Ende Kopfweh machen.«

      Der Bettler, der sich plötzlich seines Reiters entledigt sah, schaute verwundert auf, und der General erkannte den Blödsinnigen, mit weichem er vor einer Stunde gesprochen – hatte; aber jetzt sah der Kerl so pfiffig aus, wie kaum ein anderer unter den aufständischen Bauern.

      Die Menge lachte, aber diese Heiterkeit war nur von kurzer Dauer.

      Aubin Courte-Joie befand sich in den Armen des Gendarmen, an dessen Seite Jean Oullier ging. Er griff verstohlen in die Tasche, machte sein Messer auf, zog es hervor, stieß es dem Gendarmen bis an’s Heft in die Brust und rief: »Es lebe Heinrich V.! Rette Dich, Jean Oullier!«

      Der Bettler, der die Kraftäußerung des Generals durch eine ähnliche Heldenthat erwiedern zu wollen schien, schlüpfte behende unter das Pferd, faßte den General beim Stiefel und warf ihn mit einem kräftigen Ruck auf der andern Seite vom Pferde.

      Der General und der Gendarme fielen zugleich; man hätte sie Beide für todt halten können.

      Aber der General raffte sich schnell aus und schwang sich mit eben so viel Kraft als Gewandtheit wieder in den Sattel.

      Dabei that er einen so kräftigen Faustschlag auf den Kopf des Bettlers, daß dieser, ohne einen Laut von sich zu geben, rücklings zu Boden sank.

      Weder der Gendarme noch der Bettler standen auf, der Bettler war ohnmächtig, der Gendarme todt.

      Jean Oullier, dem die Hände gebunden waren, gab dem zweiten Gendarmen einen so starken Stoß mit der Schulter, daß der Mann wankte.

      Jean Oullier sprang über die Leiche des Soldaten hinweg und stürzte sich unter die Menge.

      Aber der General hatte die Augen allenthalben, er bemerkte sogar was hinter ihm vorging. Er schwenkte sein Pferd, faßte Jean Oullier, zog ihn in die Höhe und legte ihn quer auf sein Pferd.

      Es begann nun Steine zu regnen, und die Bauern nahmen ihre drohende Haltung wieder an.

      Die Gendarmen hielten sich gut; sie umringten den General und füllten ihre Bajonnete gegen die Menge, welche nicht mehr Mann gegen Mann zu kämpfen wagte und nur mit Steinen warf.

      So drangen sie bis in die Nähe des Gasthofes vor. Hier wurde die Lage des Generals und seiner Leute sehr bedenklich. Die Bauern, welche entschlossen schienen, Jean Oullier nicht in der Gewalt seiner Feinde zu lassen, wurden immer kühner mit ihren Angriffen. Schon waren einige Bajonnete mit Blut gefärbt, und doch wurde die Wuth der Meuterer immer größer.

      Glücklicherweise war der General den Soldaten so nahe, daß sie seine Stimme hören konnten.

      »Heraus, Grenadiere!« rief er ihnen zu.

      Sogleich stürzten die Soldaten mit gefälltem Bajonnete aus dem Gasthofe und warfen die Bauern zurück. Der General konnte mit seiner Escorte in den Hof gelangen.

      Er fand hier den Unterpräfecten, der ihn erwartete.

      »Da ist Ihr Mann,« sagte er und warf ihm Jean Oullier wie ein Packet zu, »er ist uns theuer zu stehen gekommen. Gott gebe, daß er seinen Preis werth ist!«

      In diesem Augenblicke hörte man auf dem andern Ende des Marktplatzes ein starkes Gewehrfeuer.

      »Was ist das?« fragte der General lauschend.

      »Vermuthlich die Nationalgarde,« antwortete der Unterpräfect, »ich habe Befehl zum Ausrücken gegeben; sie wird meinen Weisungen gemäß die Meuterer umgangen haben.«

      »Und wer hat Befehl gegeben zu feuern?«

      »Ich, Herr General; man mußte Sie ja aus den Händen der Meuterer erlösen —«

      »Mille tonnerres! Sie sehen ja, daß ich mich selbst erlöst habe,« eiferte der alte Krieger. »Merken Sie wohl, im Bürgerkriege ist alles unnütz vergossene Blut mehr als ein Verbrechen, es ist ein arger Mißgriff.«

      Eine Ordonnanz galoppirte in den Hof.

      »Herr General,« sagte der Offizier, »die Aufständischen fliehen in allen Richtungen. Die Reiterei ist da, soll ich ihnen nachsetzen lassen?«

      »Kein Mann soll mir von der Stelle,« sagte der General, »überlassen Sie es nur der Nationalgarde; es sind Freunde, sie werden es untereinander schon ausmachen.«

      Eine zweite Gewehrsalve bewies, daß es die Bauern und die Nationalgarde »mit einander schon ausmachten«.

      Dies waren die beiden Salven welche der Baron Michel in La Logerie gehört hatte.

      »Jetzt,« sagte der General, »kommt es nur darauf an, diesen traurigen Tag zu benützen. Es ist nur ein uns günstiger Fall denkbar: daß dieser Mann hier,« – auf Oullier deutend – »allein in das Geheimniß eingeweiht war. Gendarme, hat er seit seiner Verhaftung mit Jemanden gesprochen?«

      »Nein, Herr General, er hat nicht einmal Zeichen gegeben, denn die Hände sind ihm gebunden.«

      »Hat er mit dem Kopfe genickt? Hat er ein Wort geflüstert? Bei diesen Leuten ist ein Wink, ein Laut genügend.«

      »Ich habe nichts bemerkt,« sagte der Gendarme.

      »Nun, dann wollen wir’s versuchen. Herr Capitän, lassen Sie Ihre Leute essen; in einer Viertelstunde brechen wir auf. Die Gendarmen werden mit Hilfe der Nationalgarde genügen, die Ruhe in der Stadt zu erhalten. Ich reite mit meiner Escorte voraus.«

      Der General ging wieder in den Gasthof.

      Die Soldaten rüsteten sich zum Abmarsch.

      Unterdessen saß Jean Oullier, von zwei Gendarmen bewacht, im Hofe auf einem Stein. Sein Gesicht war so ruhig und gleichgültig wie gewöhnlich: er liebkoste mit seinen gebundenen Händen seinen Hund, der ihm gefolgt war und den Kopf auf die Knie seines Herrn legte und ihm von Zeit zu Zeit die Hände leckte, gleichsam um dem Gefangenen anzudeuten, daß er in seinem Unglück einen Freund habe.

      Jean Oullier streichelte ihn mit einer Entenfeder, die er im Hofe aufgenommen; dann benutzte er einen Augenblick, wo er von dem Gendarmen nicht beobachtet wurde, schob dem Hunde die Feder zwischen die Zähne, gab dem klugen Thiere einen Wink, stand auf und sagte:

      »Geh, Pataud!«

      Der Hund entfernte sich langsam und sah sich von Zeit zu Zeit nach seinem Herrn um; endlich schlürfte er unbemerkt zur Hausthüre hinaus.

      »Er wird früher ankommen als wir,« sagte Jean Oullier zu sich selbst.

      Unglücklicherweise waren die Gendarmen nicht die einzigen Wächter des Gefangenen.

      V.

      Die Hilfsmittel Oullier‘s

      In der Vendée gibt es noch sehr sehr wenig schöne Landstraßen, und diese sind erst seit dem Jahre 1832, also nach den hier erzählten Ereignissen angelegt worden.

      Dieser Mangel an Landstraßen war den Insurgenten in dem großen Kriege hauptsächlich zu Statten gekommen.

      Am linken Ufer der Loire gab es damals nur zwei Straßen, die von Nantes nach La Rochelle und nach Palmboeuf führten. Die erstere berührte das Städtchen Montaigu.

      Zwischen diesen Hauptstraßen sind einige schlechte Nebenwege. Um auf diesen Straßen von Montaigu nach Machecoul zu gelangen, mußte man einen bedeutenden Umweg machen. Der General sah aber wohl ein, daß der Erfolg seines Unternehmens von der

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