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      Die Prinzen von Orleans

      Erster Theil

      Einleitung

      Die Geschichte ist im Allgemeinen die treue Darstellung der bemerkenswerthesten Begebenheiten der Länder; insbesondere enthält dieselbe die wahre Schilderung der Beherrscher der Reiche, und bezweckt als dann, die Wirkung der Leidenschaften, des Ehrgeizes, der Schmeichelei, der Grausamkeit, der falschen Ehre zu zeigen.

      In beiden Fällen verkennen wir zuweilen die unerschütterliche Bestimmung der Vorsehung; aber dies darf die Völker nicht entmuthigen. Wir wollen jede gottlose Auslegung vermeiden. Das Uebel kann nicht ewig sein. Für jedes Volk werden nach den Tagen der Sclaverei Jahrhunderte der Freiheit kommen. Die moralische Welt hätte eine furchtbare Zerrüttung zu erwarten, wenn dem nicht so wäre. Bewahren wir also unsern Muth und zweifeln wir niemals an der Vorsehung, der erhabenen Lenkerin unseres Geschickes. Lassen wir aber neben der Hoffnung die Energie in unsern Seelen hervorwachsen. Die Muthlosigkeit der Völker nährt die Grausamkeit der Tyrannen Ach! warum muß das Volk, um heilsame Veränderungen zu bewirken, erst sein Blut für dieselben vergießen!

      Die Familie Orleans hat einen wichtigen, oft unheilbringenden Einfluß auf das Schicksal Frankreichs ausgeübt: ihr Schritt vor Schritt in ihrer politischen Laufbahn zu folgen , ist ein der Aufmerksamkeit würdiges Studium. Die Arbeit, welche wir dem Publikum hiermit übergeben, enthält ungedruckte Dokumente, neuentdeckte Thatsachen, welche die unbekannt geblieben waren, über die Mitglieder des Hauses, welches jetzt Frankreich, beherrscht, nicht sowohl durch sein moralisches Uebergewicht, als in Folge einer Revolution, einer Revolution, welche von den Freunden des Volkes nur als eine Schöpfung der Bourgeoisie betrachtet werden kann.

      Ich bin streng aber gerecht gegen diese Familie gewesen, deren Geschichte zu schreiben und mit der überhaupt mich zu beschäftigen, ich mich nur entschlossen habe, um gewisse merkwürdige Thatsachen aufzudecken und zu rügen, auf welche ich die allgemeine Aufmerksamkeit gerichtet zu sehen wünsche. Es war gewiß ein sehr schwieriges Unternehmen; ich hoffe mich desselben zweckgemäß entledigt zu haben. Ich muß einigen dieser Männer den Vorwurf machen, nicht an dem allgemeinen Besten gearbeitet, nicht jedem Mitglieder der großen Familie der Menschheit, Arbeit, Brot, Rechte, Freiheit, Glück zu sichern gestrebt, sich den Eingebungen ihres wahnsinnigen Ehrgeizes hingegeben zu haben; verderbt und ohne Grundsätze gewesen zu sein, das Vaterland in den Tagen des Unglücks verrathen und endlich sich tief unter jenen Männern des Herzens stehend gezeigt zu haben, die ihre lange Laufbahn der Sache der Unterdrückten widmeten, jenen hochherzigen Männern, welche von den härtesten Verfolgungen nicht besiegt wurden und die ihre muthigen Hoffnungen niemals verläugneten.

      Indem ich so rede, sage ich die Wahrheit nach meinem Gewissen, denn die Geschichte ist Wahrheit Streng ohne Beleidigung, gerecht ohne Schwäche, werde ich weder meine Verachtung des Systems der Tyrannei, das die bedeutendsten Mitglieder dieser Familie befolgt haben, noch meinen Unwillen über ihre n Ränke, um zu dem Throne zu gelangen, zurückhalten. Gegen Berühmtheiten dieser Art muß man unerbittlich sein.

      Männer, die von Klugheit unterstützt, mit den Freuden ihrer ersten Triumphe nicht zufrieden, durch List auf einen glänzenden Standpunkt gelangt, durch die Ehrfucht und ihren Geiz die Demüthigung und Erniedrigung ihres Vaterlandes herbeiführen, und das Volk desselben seiner Freiheit berauben, dürfen von der Geschichte nicht geschont, ihr Unglück muß nicht bedauert werden; man muß diejenigen, welche alle unsere Rechte mit Füßen getreten haben, nicht bemitleiden!

      Solche Wahrheiten sagen zu müssen ist schmerzlich; man möchte in den Fürsten nicht allein Helden, sondern auch einsichtsvolle Männer sehen; sind es dagegen nur Ehrsüchtige, Wüthriche oder Schwächlinge, so kann man ihr Geschichtschreiber nicht sein, ohne sie zu brandmarken.

      Die Thatsachen kommen diesen Wahrheiten zu Hilfe; sie sind wichtig Der Leser wird nach folgender Darstellung darüber urtheilen.

       Erstes Kapitel

      Philipp, Bruder Ludwigs XIV., erster Herzog v. Orleans (der Verrückte), 1670–1701

      Man findet in dem Leben der Fürsten nur eine bedingte Größe: es ist eine weite Kluft zwischen diesem aristokratischen Trotz und den erhabenen Ansichten der Proletarier unserer Zeit.

      Diese Geschichte beginnt also mit der Erinnerung an königliche Erbärmlichkeiten. Ludwig XIII. war der Vater des ersten Herzogs von Orleans, des Stammvaters einer Familie, die nach vielen Ränken endlich zum Throne gelangt ist. Dieser Orleans war der Bruder Ludwig XIV. Man ist überein gekommen, diesen Letzteren einen großen König zu nennen. Welcher Irrthum! Er war ein Hochmüthiger. Er benutzte das, was Richelieu für das Königthum gethan hatte, welches seinen Bemühungen zu Folge unumschränkt und siegreich geworden war, um so mehr als Frankreich durch das Uebergewicht seines Geistes schon die Welt beherrschte.

      Unterjocht, wurden die Edeln des Landes die Höflinge des Königs, und die Mitschuldigen seiner schändlichen Ausschweifungen. Der Hof Ludwig XIV. war prachtvoll und flößte den Prinzen ein Selbstvertrauen voll Eigendünkel ein.

      Die Erziehung, welche Ludwig XIV. und Orleans erhalten hatten, trug nicht wenig dazu bei, eine unglückliche Rivalität unter ihnen zu erwecken. Ludwig XIV., zum Throne bestimmt, empfing auf Befehl Mazarins allen Unterricht, den eine höhere Stellung bedingt. Seine Studien waren für den künftigen katholischen Monarchen berechnet. Man lehrte ihn bei Zeiten:

      »Daß ein König aus edlerem Stoffe sei, als andere Menschen;

      »daß sein Zweck der Ruhm, sein Mittel die Kraft

      »sein müsse, daß er allein die ganze Nation repräsentire;

      »daß das Volk nur eine auszubeutende Masse, eine Zusammensetzung

      »von Gemeinen sei; daß die Nation

      »gänzlich durch die Person des Monarchen vertreten

      »werde; daß die Unterthanen gehorchen müßten, ohne die

      »Befehle des Königs beurtheilen zu wollen,« 2c.

      Diese Lästerungen und rohen Grundsätze mußten nothwendigerweise aus dem Könige einen Tyrannen, aus dem Volke Sklaven machen, man hatte dieselben Ludwig XIV. in zarter Jugend eingeimpft; er hatte sie mit der Milch seiner Mutter eingesogen, die ihn betrachtend, ausrief:

      »Ich möchte ihn verehren, wie ich ihn liebe.«

      Bei dem Studium Ludwig XIV. bemerkte man, daß dessen Verstand dem feines jüngeren Bruders untergeordnet war. Mazarin, durch eine sehr gefährliche Politik geleitet, befahl Lamothe le Bayer, dem Lehrer der Knaben, den jungen Orleans in einer gewissen Unwissenheit zu lassen, damit sein Bruder, zum Herrscher berufen, nicht vor ihm erröthen müsse.

      »Was denken Sie,« sagte der Cardinal Mazarin zu Lamothe le Bayer, »einen gescheidten Mann aus dem Bruder des Königs zu machen? Wenn er klüger als der König würde, könnte er demselben nicht mehr gehorchen wollen.«

      Der Herzog von Orleans verließ also die Studien und ergab sich den Ausschweifungen. Er beschäftigte sich nur mit Erbärmlichkeiten und brachte den größten Theil seines Lebens mit liederlichen Frauenzimmern zu. Indessen hatten die Berechnungen seiner niedrigen Politik Mazarin doch betrogen. Orleans fühlte im Heranwachsen auch den Keim jener Unverschämtheit in seinem Innern zunehmen, den die Großen auf ihre Kinder vererben, und war durchaus nicht geneigt, der höheren Stellung seines Bruders zu weichen.

      Man findet in den Memoiren aus jener Zeit eine Menge Züge, welche von der Zügellosigkeit des damaligen Hofes und der unfreundlichen Stimmung beider Brüder gegen einander, Folge dieser unvernünftigen Erziehung, Zeugniß ablegen.

      »Von Montereau, sagt Laporte, gingen wir nach Corbeil, wo der König verlangte, daß Monsieur (!) in seinem Zimmer schliefe, welches so klein war, daß es nur eben den Durchgang für eine Person gestattete. Eines Morgens nach dem Erwachen spuckte der König, ohne daran zu denken, auf Monsieurs Bett, welcher augenblicklich ganz absichtlich auf das Bett des Königs spuckte, worauf dieser etwas zornig seinem Bruder ins Gesicht spie. Monsieur sprang nun auf das Bett des Königs, und p . . . darauf; der König that dasselbe auf Monsieurs Bett. Als sie nun nichts mehr zu spucken und zu p. . . hatten, zogen sie einander die Betttücher weg und an dem Fußboden umher, und am Ende kam es zu Schlägen. Ich that was ich konnte um diesem Handgemenge

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