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hätten. Wir trauten’s uns halt nicht! Aber jetzt haben wir’s ordentlich gelernt. Und Sie sind so gut. Darum dachten wir – — Aber es geht nicht!«

      »Warum nicht?«

      »Weil hier im Salettl die hohen Herrschaften sitzen; und drin in der Wirtsstuben, da ist’s natürlich zu heiß.«

      Saltner blickte stumm auf die Baronin. Die war aber schon aufgestanden, sie hatte offenbar ganz vergessen, dass sie leidend war:

      »Soll hier im Salettl Steirisch getanzt werden? Dann hinaus mit uns, das versteht sich! Diesen himmlischen alten Bauer muss ich tanzen seh’n. Meine Herren, machen Sie gefälligst Platz!«

      In wenigen Augenblicken waren die Tische und Stühle hinausgetragen und standen auf dem Rasen im Mondschein; dort setzten die Damen sich wieder, einige der Herren blieben steh’n. Der Wirt zündete an der Hecke bengalische Feuer an, die ihren roten und grünen Schein mit dem Mondlicht wunderbar vermischten und alle die neugierigen Gesichter der Gäste, die sich näher hinzudrängten, wie in farbige Flammen tauchten. Die ›Bauernfamilie‹ trat in das Salettl und der ›Steirische‹ begann; Kathi ganz in ihrer Rolle als bejahrter Bauer, zuerst ein wenig unsicher und schüchtern, einem Kinde ähnlich, das etwas auswendig gelernt hat, allmählich freier und bald überraschend naturwahr. Ebenso drollig war Wabi als Alte mit der Brille, die feierlich und ehrenfest mit ihrem Alten tanzte, während doch die jugendliche Lust in allen Gliedern zuweilen durch die Maske hervorzuckte. Die beiden Buben tanzten weniger kunstgerecht, aber auch im Gefühl ihrer Rollen, hinterdrein. Die Musik zum Tanz machte ein unsichtbarer Bauernknecht vom Nachbarhaus, der sich in einer holzbedeckten Laube des Gärtchens mit seiner Handharmonika versteckt hatte.

      Die Baronin klatschte vor Vergnügen Beifall; die ganze Gesellschaft folgte. Vielleicht dadurch befeuert ward Kathi lustiger, toller; sie hörte auf, die wechselnden Tanzfiguren mit so sauberer altväterlicher Geschicklichkeit und Genauigkeit auszuführen, sie spielte mehr und mehr den Bauern, in dem das Bier oder der Wein tanzt, ward in ihren Bewegungen kühner, unternehmender, die ›Alte‹ mit sich fortreißend; endlich geriet sie ganz in bacchantischen Übermut hinein, der durch den Gegensatz zu ihrer Erscheinung völlig phantastisch wirkte und unbändiges Gelächter unter den Zuschauern hervorrief. Dabei war die Anmut des Mädchens erstaunlich; in ihren Armen, ihren Hüften war Rhythmus, Musik, sie schien für charaktervollen Tanz wie geboren zu sein. Ihre Augen brannten vor Lust, närrisch genug in diesem grau eingerahmten Gesicht. Wenn sie aufstampfte, zitterten die Bretter, ihre Zähne blitzten, und ihre aufgeblühten Lippen schienen in der Luft irgendeinen Wein- und Feuergeist zu trinken, der sie selig berauschte.

      Sie hatte schon lange so getanzt, aber sie ward nicht müde; dass noch sonst jemand da war als sie und ihre Wabi, schien sie ganz vergessen zu haben.

      »Eine richtige Alpenrose!« sagte endlich hinter Wittekind eine kalt begeisterte, gleichsam feinschmeckende Stimme. Es war Waldenburg.

      »Bei alledem«, fuhr dieser fort, da Wittekind ihm zunickte, – »so ein Steirischer wiederholt sich. Ja, wenn die Mädels noch in antiken Schleiergewändern tanzten. … Wollen wir uns beiseite stehlen und auf meinem Zimmer eine stille Zigarre rauchen? Wir haben uns ja seit dem unerwarteten Wiedersehen noch nicht ausgesprochen.«

      »Ja, das sollten wir tun«, sagte Wittekind zerstreut.

      Er hatte grade die Augen auf Frau von Tarnow geheftet, die allen Figuren des Tanzes mit so verzehrender Aufmerksamkeit folgte, als lerne sie sie auswendig; ihre großen Augensterne leuchteten, aber ernst, nicht lustig.

      Sie saß neben der Baronin. Diese stand plötzlich auf und ging auf die Tänzerinnen zu.

      »Genug! Genug!« rief sie aus.

      Als die Mädchen fast erschrocken stehen blieben, setzte sie sanfter, aber doch mit nervös klagender Stimme hinzu:

      »Entzückend, ich danke euch; aber nun hört auf. Es war ein großer Genuss; aber ich werde krank! Mit mir dreht sich alles. Woher nehmt ihr diese Ausdauer; das ist übermenschlich!«

      Kathi lächelte; auf ihrer Stirn perlten große Tropfen, sie schien’s aber nicht zu spüren. Die Baronin klopfte ihr huldvoll auf die Schulter:

      »Machen Sie uns noch ein Vergnügen, mein Kind, singen Sie uns was! Einen Jodler, ein Lied!«

      »Singen kann ich nicht«, antwortete das Mädchen, das seinen Bart langsam herunterzog.

      »Dann spielen Sie die Zither; – die Harmonika bringt mich um. Sie haben doch eine Zither?«

      »Wir haben eine im Haus, weil ich’s lernen soll. Aber ich kann noch nichts; so zum Vorspielen nicht.«

      »Nicht? Das tut mir Leid. Dann bringen Sie uns die Zither; unsre liebe Marie wird singen!« fuhr die Baronin fort und wendete sich ihrem ›Leibarzt‹ zu; Kathi war in demselben Augenblick aus ihrem Gehirn gelöscht. »Und setzen wir uns wieder ins Salettl; hier auf dem Rasen wird’s kühl!«

      Man trug die Tische und Stühle ins Salettl zurück.

      »Beste Frau Baronin«, sagte Frau von Tarnow, ohne die philosophische Ruhe zu verlieren, mit der sie allen Launen ihrer Dame folgte: »ich tue so gern, was Sie nur wollen, aber diesmal, bitt’ ich, dispensieren Sie mich. Ich habe heute Abend gar kein Herz zum Singen; – und wir sind nicht allein«, setzte sie leiser hinzu.

      »Aber was tut das, Marie?« sagte die Baronin. »Wir sind hier ja wie im Theater; alles produziert sich. Und der romantische Mondschein. … Da ist schon die Zither. Singen Sie uns dazu ein paar von Ihren amerikanischen Liedern!«

      »Ich bitte Sie, das geht nicht. Diese Lieder werden zum Klavier gesungen oder zur Gitarre.«

      »Ihre Gitarre«, sagte die Baronin achselzuckend, »ist mit unsern Koffern in Salzburg. Also Sie wollen nicht?«

      Waldenburg war hinzugetreten, setzte sich der Amerikanerin gegenüber und blickte ihr mit seinem schmeichelnd majestätischen Lächeln in die Augen.

      »Wenn man Sie nun recht schön bittet?« sagte er nachdrücklich. »Damit Sie diesem poetischen Abend seine Krone aussetzen?«

      Frau von Tarnow zögerte noch einen Augenblick; dann antwortete sie aber mit einem so liebenswürdigen Lächeln, dass es Wittekind überraschte und befremdete:

      »Ich möchte Ihnen nicht Nein sagen, Herr Geheimrat. Gut, ich werde singen. In Gottes Namen mit der Zither statt mit der Gitarre; es passe nun, wie es will!«

      Sie legte die Zither vor sich hin, präludierte ein wenig – offenbar war sie auch mit diesem Instrument vertraut – und sang ein Lied mit englischem Text. Es war eine zarte, wiewohl nicht sonderlich originelle Melodie; die Worte waren von einem Mädchen oder einem Jüngling an den Vater gerichtet, der nicht hartherzig sein, nicht zu strenge richten, der liebend verzeihen soll. Frau von Tarnow sah zuerst vor sich hin, auf die zitternden Saiten; dann ruhte ihr Blick fast die ganze Zeit auf Waldenburg, und so warm und herzlich, dass dieser eine eigentümliche Erregung mit Anstrengung verbarg und Wittekind sich unruhig auf seinem Sessel bewegte. Er hatte sich nicht getäuscht, es war eine Altstimme; von edlem und reinem Wohllaut, und besser geschult, als man hätte erwarten dürfen. Er wäre entzückt, ja berauscht gewesen, wenn ihn nicht das Benehmen der Sängerin verstimmt und verwundet hätte. Wozu sagte sie ihm denn, dass Waldenburg kein gutes Herz habe, wozu wusste sie’s, wenn sie ihm so vertrauensvoll warme Blicke schenken konnte?

      Er dachte schon daran, sich in seinem Winkel leise zu erheben und hinwegzugeh’n, da sie ein zweites Lied zu singen bereit schien, als die Baronin Tilburg aufstand und erklärte: draußen warte der Wagen, es sei spät geworden, und sie müsse zu Bett. Es mochte sie verdrossen haben, dass Waldenburgs Bitten mehr vermocht hatten, als die ihrigen.

      Frau von Tarnow erhob sich stumm, mit ihrem versiegelten, marmorblassen Gesicht; auch die andern fügten sich, ohne etwas zu entgegnen. Die Baronin hatte aus der Stadt einen leichten Wagen kommen lassen, um hinunter zu fahren; der Kutscher knallte mit der Peitsche, die beiden Pferde schnoberten munter in die mondhelle Luft. Als jedoch die Damen mit Tilburg auf die Straße traten, warf die Baronin einen sorgenvollen Blick auf das Gefährt; sie sah den absinkenden Weg hinunter und schüttelte den Kopf.

      »Das ist Gift für die Nerven«, sagte sie, »so einen Berg

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