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mein Junge.«

      Moreau trat an den Brunnen. Er pumpte sich einen Kübel voll.

      Wie er ihn hochhob, war die Sonne aufgegangen, und ihm schien, als gösse er sich die Sonne übers Genick, so brannte ihn das eiskalte Wasser.

      Moreau war ein Soldat des Königs.

      Eines Tages sah er ihn von ferne: ein matter Mensch mit eleganten, nachlässigen Augen und einem funkelnden Dreispitz.

      Seine linke Hand hing bösartig wie eine Schlange über den Wagenschlag.

      Zu seiner Seite saß eine dicke, blond und rosa bemalte Puppe.

      Ein dünnes Lächeln war ihm mit ganz feinem Pinsel um die Mundwinkel gezogen.

      Moreau grüßte.

      »Seine Mätresse«, sagte Moreaus Kamerad, ein welterfahrener Spanier kreolischen Geblütes, und spuckte aus. »Er hat hundert. Oder auch tausend. Wie es ihm beliebt. Und es beliebt ihm.«

      »Sind sie alle so dick?« fragte Moreau betroffen und schon angewidert von einer Majestät, die ihm einst dünkte, wie ein Gestirn über den Menschen zu schweben.

      »Sie sind alle so dick«, schnaubte der Spanier. »Und die meisten sind noch viel dicker.«

      Ein fades, süßliches Aroma strömte durch die Allee.

      »Sind das die Linden?« fragte Moreau.

      »Junge: die Linden blühen noch nicht. Das ist die Mätresse des Königs, die so duftet.«

      Moreau trat hinter eine Hecke und erbrach.

      Der Spanier wiegte sich erheitert in den Hüften.

      Moreau dachte, was für einen ehrlichen starken Geruch die fünfzig Mann in seinem Schlafsaal haben.

      Sie riechen, wie Männer riechen sollen. Wie es die Natur ihnen zugeeignet hat.

      Was sollte er mit Frauen: er, ein Soldat, der den Geruch der Erde, der Männer, des Weines, des Blutes und der Pferde liebte?

      Er würde nie mehr eine Frau berühren.

      Er erinnerte sich an Jeannette.

      Aber Jeannette war dürr wie ein Knabe gewesen.

      Und sie hatte geduftet: fern und leicht wie ein leiser Südwind.

      Einige Tage später brachte der Spanier, der immer allerlei Neuigkeiten wußte, eine Nachricht in die Kaserne, die nur vorsichtig und im Flüsterton verbreitet werden durfte.

      Moreau erfuhr sie nachmittags in einer Taverne, wo er mit dem alten Korporal und einem jungen Fähnrich, namens Rapatel, beim Roten hockte und würfelte.

      Un … deux … trois …

      Moreau knallte den Becher auf die Tischplatte.

      Dix-huit.

      »Achtzehn Holla Das ist meine Zahl, achtzehn Augen beim Würfeln Achtzehn Jahre bin ich alt«

      »Und achtzehn Mädchen hast du lieb«, scherzte der junge Fähnrich.

      Moreau verdunkelte sich.

      Der Fähnrich errötete hilflos. Da kam der Spanier, griff nach dem Becher, schlug um: sechzehn.

      »Ludwig XVI.«

      Er warf sein Gesicht in Falten und murmelte hinein:

      »Es ist der letzte Ludwig, glaubt mir.«

      Moreau stand auf:

      »Ich bin ein Soldat des Königs.«

      Der Spanier erregte sich nicht sonderlich und lachte tief aus der Brust heraus:

      »Da bist du was Besonderes. Hör' zu.«

      Sein Gesicht fiel wieder in Falten. Seine Stimme wisperte wie eine Grille:

      »Der König hat gestern seinen Kammerdiener Maurice erstochen. Er beschuldigte ihn delikater Beziehungen zur Gräfin Saiten.«

      Moreau taumelte an die Wand.

      »Die Gräfin Saiten – war das jene dicke Dame im Wagen, vorgestern?«

      Der Spanier feixte.

      »Dieselbe, die dir Magenbeschwerden verursachte. Eine Deutsche. Eine Deutsche kann einem schon Magenbeschwerden verursachen. Ein dummer Kerl, dieser Maurice, verliebt sich in einen garnierten Schweinskopf.«

      Moreau lehnte hilflos an der steinernen Wand.

      Er löste sich auf in den Stein, der ihn stützte.

      »Erstochen sagst du?« Moreau weinte wie ein Kind. »Der König hat seinen Diener erstochen?«

      »Erstochen«,flüsterte der Spanier unter seinem Hut. »Es ist eine böse Zeit.«

      Moreau zog seinen Degen und warf ihn schmetternd auf den Tisch, daß die Flasche barst und der Wein wie Blut über den Stahl rann.

      »Ich bin nicht mehr des Königs Soldat. Der König hat meinen Degen entweiht. Entweiht die Waffe des reinen Kampfes. Ich bin Soldat. Aber kein Mörder. Und diene keinem Mörder. Brüder, lebt wohl«

      Er stürmte zur Tür hinaus in die Nacht, die ihn verschlang.

      »Ein moralisches Huhn«, sagte der Spanier.

      »Aber Frankreich ist voll davon. Ein ganzer Hühnerhof. Es werden bald mehr solcher Gockel zu Sonnenaufgang krähen.« Der junge Fähnrich war erbleicht: »Er spricht zuviel aus seinem Herzen.« – Der alte Korporal drehte an seinem weißen Barte.

      Moreau nahm seinen Abschied vom Militär und wandte sich dem Studium der Rechtswissenschaft zu.

      Es muß Gerechtigkeit auf Erden geben, auch wenn Könige ihre Diener ermorden.

      Er studierte zu Rennes.

      Er war der eifrigste Student, den man seit Jahren gesehen hatte.

      Er entwarf einen Code der Menschlichkeit.

      Und auf den Umschlag schrieb er: Tapfer und fromm.

      Und wußte nicht, daß das ein Wort sei, das seine Mutter einst von ihm gesagt hatte.

      Kinder reden oft die Sprache ihrer Mutter, ohne es zu wissen.

      Nächtelang grübelte er über den Entwurf zu einem Kriegsrecht und zu einem Recht des Belagerungszustandes.

      Der Krieg ist für die Menschen da, aber nicht die Menschen für den Krieg. Der Soldat ist für das Volk, aber nicht das Volk für den Soldaten da.

      Als Moreau zum erstenmal einen farbigen Begriff vom Volk empfand, stand er auf dem Balkon seines Zimmers in Reimes und sah unten im Frühling eine Prozession schreiten. Wallendes Rot, schreitendes Blau, klingendes Gold. Männer, Frauen, Kinder.

      Volk, schrie es in ihm, ich will dein Soldat werden.

      König Volk. Ein Volkssoldat. Ein Gottessoldat.

      Moreau entwarf den Plan zu einer Nationalgarde. Der Stand des Kriegers und des Bürgers sollte vereinigt werden.

      Furcht vor den französischen Waffen, aber Achtung vor seinem Charakter heißt es fordern.

      La printanière.

      Moreau ist zwanzig Jahr. Er war Soldat. Er studierte die Pandekten. Aber er fühlt den Frühling.

      Blumen blühen plötzlich unter allen Schritten. Schmetterlinge hüpfen wie Marionetten.

      Alle Geräusche der Luft werden Lieder.

      Vogelgezwitscher schwärmt um die Dächer.

      Die Stadt singt. Die Bäume wandern.

      Mädchen flattern erregt wie Fledermäuse durchs Dunkel. Der Abend rauscht.

      Alte Herren mit silbernen Barten stampfen versonnen durch einen hellen Morgen.

      Die Studenten veranstalten ein Frühlingsfest.

      La printanière.

      In der Lichtung des Waldes sind Tische und Bänke aufgeschlagen.

      Wohlwollend promenieren Bürger und Bürgerin.

      Professoren lachen schrill wie Wellensittiche.

      Die

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