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Brust. Ein vierter trank eben eine für den Abendtisch bestimmte Flasche Wein aus und füllte dabei seine Taschen mit dem zusammengerafften Silberzeug. Der fünfte versuchte in einer Ecke das Vorhängschloß eines Koffers zu zertrümmern.

      »Mir nach, Kinder!« rief Elim seinen Leuten zu, indem er auf den Räuber, der das Mädchen bedrohte, losstürzte.

      »Spitzbube!« schrie Jurko, indem er seinen zweiten Stein in die Rippen des Banditen schleuderte, der den Säbel über dem alten Manne gezückt hielt.

      Die übrigen Seeleute sprangen mit erhobenen Stöcken hervor.

      »Wir sind umzingelt!« riefen die Räuber, die gar keinen Widerstand versuchten. »Fort! fort!«

      Sie zerschlugen ein Fenster und sprangen hinaus.

      Das Fenster ging auf den Fluß hinaus. Das Schreien der zwei oder drei ersten machte die übrigen etwas betroffen; aber durch den Dolch des Schiffslieutenants und durch den von Jurko aufgerafften Säbel gedrängt, blieb ihnen keine Wahl, sie waren gezwungen ihren Spießgesellen zu folgen.

      Alles dies war in wenigen Augenblicken geschehen.

      Der alte Holländer, der im Schlafrock aus dem Lehnstuhl ausgestreckt lag, hatte Alles was vorgegangen war, mit dem größten Erstaunen gesehen.

      Ein halbes Dutzend halb nackter, bärtiger Männer, welche Gott weiß welchem Volksstamme angehörten, weckten in ihm die ziemlich naheliegende Vermuthung, daß die eine Räuberbande durch die andere verjagt worden sei.

      »Allmächtiger Gott!« rief er und einige verworrene, nur halb verständliche Worte, welche er stammelte, bewiesen, daß sein Gehirn wenigstens für den Augenblick heftig erschüttert war.

      Aber seine Tochter war dankbarer als er, oder gab wenigstens ihren Dank in sichtbarer Weise zu erkennen. In den sechs Männern, welche gewaltsam in die Stube eingedrungen waren, hatte sie sogleich einen Vorgesetzten und fünf Untergebene erkannt. Der unerwartete Uebergang von der Furcht zur Freude war so plötzlich, ihre Freude so groß, daß sie dem jungen Offizier beinahe um den Hals gefallen wäre; aber sie besann sich doch, sie faßte seine Hand und dankte ihm mit Thränen für die Hilfe, die er ihr und ihrem Vater geleistet.

      Elim machte mit der ihm eigenen feinen Haltung eine Verbeugung, das junge Mädchen machte zugleich lachend und weinend einige Knixe.

      Der alte Mann, der noch immer in seinem Lehnstuhl lag, betrachtete die Beiden mit Erstaunen. Jurko und seine Cameraden hatten sich inzwischen in eine Reihe gestellt, als ob sie die Musterung erwarteten, konnten sich aber eines Lächelns nicht erwehren.

      Als der Greis endlich das edle, offene Gesicht des jungen Offiziers sah, athmete er freier auf. Er richtete sich, eine Hand auf den Arm des Sessels stützend, mit einiger Mühe auf und nahm mit der andern Hand seine Nachtmütze ab.

      »Mein habe ich meinen Dank zu sagen?« fragte er französisch, denn er hatte gehört, daß sich der junge russische Offizier vorzugsweise dieser Sprache bediente.

      »Einem Manne, den der Sturm auf Ihre Küste geworfen hat,« antwortete Elim, »und der um Obdach und Zuflucht bittet. Ich bin russischer Offizier.«

      Bei diesen Worten nahm er seinen Mantel ab und erschien in Uniform.

      »Ein russischer Offizier!« erwiederte der Holländer und sank in seinen Sessel zurück, als ob ihn diese Nachricht vernichtet hätte.

      »Saperlot!«

      Dieser Empfang war keineswegs ermuthigend. Elim wußte, daß König Ludwig in Holland sehr viele Anhänger hatte, und es war immerhin möglich, daß der Herr vom Hause zu diesen gehörte.

      Elim setzte daher hinzu:

      »Kann ich hoffen, mein Herr, einen Freund oder wenigstens einen wohlwollenden Feind in Ihnen zu finden? Wenn Sie uns nicht eine Zeit lang verbergen wollen, so liefern Sie uns wenigstens den Franzosen nicht aus.«

      »Erlauben Sie – erlauben Sie, junger Herr,« erwiederte der alte Mann hastig, »August van Naarvaessen ist nie ein Verräther gewesen, und alle Holländer, von dem ersten bis zum letzten, sind Freunde der Russen seit eurem großen Zar – und zumal ich, denn der Großvater meiner Frau war in Saardam der Zimmermeister Peter des Großen. Bei mir haben Sie daher mit Ihren Leuten nichts zu fürchten – einige Tage wenigstens sind Sie außer aller Gefahr – hier meine Hand darauf, und damit basta. Jetzt sagen Sie, Freund, wie heißen Sie?«

      »Elim Belosor,« antwortete der junge Offizier, erfreut über die günstige Wendung, welche die Sache nahm.

      »Jetzt, Freund Elim Belosor,« fuhr der alte Holländer fort, »ziehen Sie Ihre Uniform aus. Dann wollen wir bei einem Glase Wein das Weitere besprechen.«

      Der Alte erhob sich endlich aus seinem Lehnstuhl.

      Jurko hatte unterdessen die Frau und den Mann, welchen sie in der ersten Stube gefunden, von ihren Banden befreit. Das Frauenzimmer war die Köchin, welche nun auf Befehl des Herrn van Naarvaessen die fünf Matrosen zum Tische führte.

      Für Elim sorgte der alte Holländer. Er führte ihn in ein großes Cabinet, gab ihm einen Schlafrock und trockene Leibwäsche; kurz, er pflegte ihn wie seinen leiblichen Sohn.

      In zehn Minuten hatte sich der junge Offizier umgekleidet und erschien wieder in der Stube. Er war ganz verlegen, daß er sich der Tochter vom Hause im Schlafrocke und Pantoffeln vorstellen mußte. Zum Glücke entschuldigte ihn die Nothwendigkeit.

      Das Abendessen wurde aufgetragen.

      Elim fühlte sich ein ganz Anderer als vor einer Stunde. Was blieb ihm für den Augenblick auch zu wünschen übrig? Seine fünfundzwanzig Jahre waren mit seiner Mütze nicht in’s Wasser gefallen; er saß in einem warmen Zimmer an einer gutbesetzten Tafel, und der alte feurige Wein, vielleicht noch mehr die Gesellschaft des schönen jungen Mädchens gab ihm nicht nur seine gewohnte Heiterkeit wieder, sondern machte ihn noch munterer, als er vielleicht jemals gewesen war. Er stieß mit seinem freundlichen Wirthe an, lachte und scherzte mit der Tochter und ließ sich die trefflichen Speisen wohl schmecken; er wußte ja nicht , was ihm der folgende Tag bringen würde!

      Der gute Appetit, dessen sich der junge Schiffslieutenant erfreute, unterscheidet sich freilich sehr wesentlich von allen andern Romanhelden, die weder essen noch trinken. Die Schriftsteller in den ersten Jahrzehnten unseres Jahrhunderts haben gewiß an Magenverknöcherung gelitten; aber wir sind jetzt in der Mitte des Jahrhunderts , Alles hat sich dem allgemeinen Fortschritte angeschlossen. Heutzutage ist die Literatur realistisch, wie die Natur selbst. Nur der Colibri lebt von Rosenduft und Thautropfen. Die Nachtigall unterbricht ihren Gesang und fliegt vom Baum herunter, um einen Wurm von der Erde aufzunehmen.

      Elim sprach, wie alle gebildeten Russen, das Französische sehr geläufig. Deutsch war überdies fast seine Muttersprache, denn seine Mutter war eine Deutsche; und da August van Naarvaessen und seine Tochter dieser beiden Sprachen vollkommen mächtig waren, so wurde das Gespräch mit der größten Leichtigkeit und Ungezwungenheit geführt.

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      Da die Kosaken

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