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hatten zwar beschlossen, die ihnen von seinem Vater durch dessen Zurückgezogenheit bewiesene Vernachlässigung zu vergessen, und luden ihn zu sich ein; allein diese Einladungen wurden von Alfred auf die höflichste Weise abgelehnt. Andere gingen noch weiter und kamen, um ihm in der Abtei selbst Besuche abzustatten; aber sie wurden an der Tür von den Dienstboten unter den artigsten Verbeugungen abgewiesen. Ein so abstoßendes Benehmen musste verletzen, und die Leute begannen endlich, sobald der Name Alfred Monkton genannt wurde, den Kopf geheimnisvoll zu schütteln, auf das erbliche Familienleiden anzuspielen und ihre Verwunderung darüber auszudrücken, womit der junge Mann sich Monate lang in dem einsamen alten Hause die Zeit vertreiben könne.

      Die richtige Antwort auf diese Frage zu finden war nicht leicht. Von dem alten Priester ließ sich keine Auskunft erlangen, da er ein äußerst vorsichtiger Mann war, und seine höflichen und weitschweifigen Erwiderungen stets so einzurichten wusste, dass sich daraus nichts entnehmen ließ. Die Haushälterin war ein zu finsteres, abstoßendes altes Weib, als dass man sich ihr überhaupt hätte nähern können, und die wenigen übrigen Dienstboten hatten zu lange in der Familie gelebt, um nicht schweigen gelernt zu haben. Die einzigen Personen also, von denen sich einige Auskunft erlangen ließ, waren die auf dem Hofe beschäftigten Arbeiter; allein ihre Mitteilungen lauteten sehr unbestimmt. Manche von ihnen wollten den »jungen Herrn« im Bibliothekzimmer, mit Haufen staubiger Papiere in den Händen, haben auf- und abgehen sehen. Andere hatten sonderbare Töne in den unbewohnten Teilen der Abtei gehört, und ihn beim Aufblicken wahrgenommen, wie er bemüht gewesen, die Fenster zu öffnen, als wolle er Licht und Luft in die seit Jahren unbewohnten Räume einlassen; oder sie hatten ihn auf der gefährlichen Spitze irgendeines alten, verfallenen Turmes stehen sehen, der seit Menschengedenken von niemand bestiegen worden, und nach allgemeinem Volksglauben von den Geistern der Mönche bewohnt war, die früher dort gehaust hatten. Derartige Beobachtungen und Gerüchte dienten natürlich dazu, die schon herrschende Meinung zu befestigen, dass der junge Monkton denselben Weg gehe, den seine Voreltern gegangen, das heißt, irrsinnig geworden sei.

      Das bisher Erzählte habe ich meistens nur aus den Mitteilungen anderer entnommen, der jetzt folgende Teil beruht auf meinen eigenen Wahrnehmungen.

      II

      Ungefähr fünf Monate später, nachdem Alfred Monkton die Volljährigkeit erreicht hatte, verließ ich die Universität und beschloss, sowohl zu meiner Belehrung als Erholung einige Zeit fremde Länder zu besuchen.

      Als ich England verließ, lebte der junge Monkton noch in seiner abgeschlossenen Zurückgezogenheit auf der Abtei und erlag, der allgemeinen Meinung zufolge, immer mehr und mehr dem erblichen Leiden der Familie. In Betreff Miss Elmslys sagte das Gerücht, dass sie sich durch den Aufenthalt im Auslande bedeutend erholt und bereits mit ihrer Mutter den Heimweg nach England angetreten habe, um ihr früheres Verhältnis zu dem Erben von Wincot wieder anzuknüpfen. Noch ehe sie jedoch anlangten, hatte ich meine Reise schon begonnen. Ich durchwanderte halb Europa ohne Plan, bis mich endlich der Zufall auch-nach Neapel führte. Dort traf ich einen alten Schulfreund, welcher Attaché bei der englischen Gesandtschaft war, und dort nahmen die merkwürdigen, Alfred Monkton so nahe berührenden Begebenheiten ihren Anfang, welche ich in den nachfolgenden Zeilen schildern will.

      An einem schönen Morgen, als ich mit meinem Freunde, dem Attaché, in den Gärten der Villa Reale umher schlenderte, begegneten wir einem jungen, einsam gehenden Manne, welcher meinen Begleiter grüßte. Ich glaubte diese dunklen, glühenden Augen, die fahlen Wangen und den ängstlich suchenden Blick schon gesehen zu haben, und Alfred Monkton in

      ihm zu erkennen, und war im Begriffe, meinen Freund darüber zu befragen, als er mir unaufgefordert die gewünschte Auskunft gab.

      »Es ist Alfred Monkton«, sagte er, »er ist in demselben Teile von England zu Hause wie Sie. Kennen Sie ihn nicht?«

      »Nur entfernt«, erwiderte ich. »Er war mit Miss Elmsly verlobt, als ich ihn zum letzten Male in der Nähe von Wincot sah. Ist er schon mit ihr vermählt?«

      »Nein; es sollte auch nie-geschehen, denn er ist, wie alle seine Vorfahren – wahnsinnig.«

      »Wahnsinnig?« rief ich. »Doch ich kann mich nach den Gerüchten, die ich schon in England über ihn gehört habe, eigentlich nicht wundern.«

      »Ich urteile nicht nach den Gerüchten, sondern nach dem, was er in meiner Gegenwart und im Angesichte von Hunderten gesagt und getan hat. Sie müssen davon gehört haben.«

      »Nie. Seit Monaten habe ich von England durchaus keine Nachrichten erhalten, und ebenso wenig hier, in Neapel, Neuigkeiten erfahren.«

      »So muss ich Ihnen eine sonderbare Geschichte erzählen. Es wird Ihnen bekannt sein, dass Alfred Monkton einen Oheim und Bruder seines Vaters namens Stephan Monkton hatte. Dieser Oheim duellierte sich vor einiger Zeit in den päpstlichen Staaten mit einem Franzosen und wurde erschossen. Die Sekundanten und der Franzose, welcher unverletzt geblieben war, entflohen, wie man vermutet, in verschiedenen Richtungen. Die näheren Umstände des Duells hörten wir hier erst einen Monat später, als nämlich ein französisches Journal einen Bericht darüber brachte, welcher den hinterlassenen Papieren eines der dabei beteiligten und bald darauf in Paris verstorbenen Sekundanten entnommen war. Es ergab sich daraus die Art und Weise, in der das Duell vor sich gegangen und beendet worden, aber weiter nichts. Der andere Sekundant und der Gegner, der Franzose, waren spurlos verschwunden, und alle bisher an gestellten Nachforschungen blieben fruchtlos. Man weiß daher nichts weiter, als dass Stephan Monkton im Duelle erschossen wurde – ein Ereignis, das niemand sehr beklagen wird, da ein größerer Schuft als er nie auf Erden gelebt hat. Allein, wie dies geschehen, und wohin sein Leichnam gebracht worden ist, sind Fragen, über denen ein bis jetzt noch unaufgeklärtes Dunkel schwebt.«

      »Aber was hat alles dies mit Alfred Monkton zu tun?«

      »Nur Geduld, Sie werden es gleich hören. Was glauben Sie, das Alfred tat, sobald die Nachricht vom Tode seines Oheims nach England gelangte? Er verschob seine bereits nahe bevorstehende Vermählung mit Miss Elmsly und kam hierher, um die Grabstätte seines schuftigen Oheims aufzusuchen. Er hat erklärt, nicht eher nach England und zu seiner Braut zurückkehren zu wollen, als bis er den Leichnam gefunden habe und mit sich nach England führen könne, um ihn in der Monktonschen Gruft beizusetzen. Er hat hier sein Geld verschwendet, die Polizei nutzlos gequält, sich seit drei Monaten dem Gelächter aller preisgegeben, und ist der Erreichung seines Zweckes jetzt noch ebenso fern als je. Keinem Menschen will er einen Beweggrund für diese seltsame Handlungsweise angeben. Man mag über ihn lachen, oder ihm vernünftige Vorstellungen machen, Alles ist vergeblich. Jetzt eben, als wir ihm begegneten, war er wieder auf dem Wege zum Polizeiminister, um neue Agenten durch den ganzen Kirchenstaat zu senden, die den Ort entdecken sollen, an dem sein Oheim den Tod gefunden hat. Das Sonderbarste bei der ganzen Sache ist aber, dass er dessen ungeachtet versichert, die unbegrenzteste Liebe für Miss Elmsly zu empfinden, und sich wegen der Trennung von ihr unaussprechlich unglücklich zu fühlen – eine Trennung, die er sich freiwillig auferlegt hat, um die Überreste eines Elenden aufzusuchen, der ein Schandfleck für die Familie war, und den er kaum ein paarmal in seinem Leben gesehen hat. Denken Sie nur! Von allen »verrückten Monktons«, wie sie in England genannt werden, ist Alfred der Verrückteste, und macht hier den Hauptgegenstand unserer Unterhaltung aus. Wenn ich aber an das arme, verlassene Mädchen in England denke, so fühle ich mich mehr geneigt ihn zu verachten, als über ihn zu lachen.«

      »Sie kennen also die Elmslysche Familie?«

      »Genau. Erst vor wenigen Tagen erhielt ich von meiner Mutter aus England einen Brief in Betreff Adas, welche sie besucht hatte. Alle Freunde der Familie sind empört über diesen Narrenstreich, und dringen in sie, das Verhältnis abzubrechen. Selbst ihre Mutter, so schmutzig und hochmütig sie ist, hat es des öffentlichen Anstandes halber für notwendig erachtet, auf die Seite der übrigen Verwandten zu treten, und sich ihren Wünschen anzuschließen; allein das brave Mädchen will ihn nicht aufgeben. Sie nimmt seine Tollheit in Schutz, versichert, dass er ihr unter dem Siegel der Verschwiegenheit einen guten Grund für sein abenteuerliches Unternehmen angegeben habe, und dass sie zuversichtlich hoffe, noch recht glücklich mit ihm zu werden. Mit einem Worte, sie liebt ihn von ganzem Herzen und schenkt ihm volles Vertrauen. Durch nichts lässt sie sich wankend machen und ist fest entschlossen, ihm ihr Leben zu opfern.«

      »Weshalb

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