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Die toten Seelen. Nikolai Gogol
Читать онлайн.Название Die toten Seelen
Год выпуска 0
isbn
Автор произведения Nikolai Gogol
Жанр Зарубежная классика
Издательство Public Domain
Tschitschikow entschuldigte sich, daß er sie so spät beunruhigt hätte. »Macht nichts, macht nichts!« sagte die Hausfrau. »Bei welchem Wetter hat Sie der liebe Gott hergeführt! So ein Ungewitter und Schneesturm! … Nach einer solchen Fahrt hätten Sie etwas essen sollen, aber es ist Nacht, und ich kann nichts mehr bereiten lassen.«
Die Worte der Hausfrau wurden von einem seltsamen Zischen unterbrochen, vor dem der Gast erschrak: es klang, als ob sich das ganze Zimmer plötzlich mit Schlangen gefüllt hätte; als er aber seinen Blick hob, beruhigte er sich, denn er merkte, daß es der Wanduhr plötzlich eingefallen war, zu schlagen. Dem Zischen folgte sofort ein Schnarchen, und schließlich nahm die Uhr ihre ganze Kraft zusammen und schlug zwei; es klang, als ob jemand mit einem Stock auf einen gesprungenen Topf schlüge; dann aber fuhr der Pendel fort, ruhig nach rechts und links zu schwingen.
Tschitschikow dankte der Hausfrau und sagte ihr, daß er nichts brauche und daß sie sich nicht bemühen solle, daß er außer einem Bett gar nichts wünsche, und äußerte nur ein Interesse für die Frage, in was für eine Gegend er geraten sei und ob es von hier noch weit zum Gutsbesitzer Ssobakewitsch wäre, worauf die Alte erwiderte, daß sie diesen Namen noch nie gehört habe und daß es einen solchen Gutsbesitzer hier gar nicht gäbe.
»Kennen Sie wenigstens den Manilow?« fragte Tschitschikow.
»Wer ist Manilow?«
»Ein Gutsbesitzer, Mütterchen.« »Noch nie gehört. Es gibt keinen solchen Gutsbesitzer.«
»Was für Gutsbesitzer gibt es denn?«
»Bobrow, Swinjin, Kanapatjew, Charpakin, Trepakin, Pljeschakow.«
»Sind's reiche Leute oder nicht?«
»Nein, Väterchen, sehr reiche gibt es hier nicht. Der eine hat zwanzig Seelen, der andere dreißig; aber solche, die hundert hätten, solche gibt es hier nicht.«
Tschitschikow merkte, daß er in eine ordentliche Wildnis geraten war.
»Ist es wenigstens nahe zur Stadt?«
»An die sechzig Werst werden es sein. Es tut mir so leid, daß es für Sie nichts zu essen gibt! Wollen Sie nicht Tee, Väterchen?«
»Danke, Mütterchen. Ich will nichts als ein Bett.«
»Es ist auch wahr, nach einer solchen Fahrt muß man ordentlich ausruhen. Machen Sie sich hier bequem, Väterchen, hier auf diesem Sofa. He, Fetinja, bring ein Federbett, Kissen und ein Laken. Was für ein Wetter hat uns der liebe Gott beschert: es donnerte so, daß ich die ganze Nacht ein Licht vor dem Heiligenbild brennen hatte. Ach, Väterchen, dein ganzer Rücken und die eine Seite sind so dreckig wie bei einem Eber. Wo hast du dich so dreckig zu machen geruht?«
»Es ist noch ein Glück, daß ich mich nur dreckig gemacht habe. Ich muß Gott danken, daß ich mir die Seiten nicht gebrochen habe.«
»Heilige Märtyrer, ist das schrecklich! Soll man nicht den Rücken mit etwas einreiben?«
»Ich danke, ich danke. Machen Sie sich keine Mühe, sagen Sie nur Ihrem Mädel, daß sie mir die Kleider trocknet und ausbürstet.«
»Hörst du, Fetinja!« wandte die Hausfrau sich an das weibliche Wesen, das inzwischen schon ein Federbett hereingeschleppt und es von den Seiten so tüchtig durchgeschüttelt hatte, daß ein ganzes Gestöber von Daunen das Zimmer füllte. »Nimm den Rock des Herrn und seine Unterwäsche. Trockne zuerst alles vor dem Feuer, wie du es für den seligen Herrn zu tun pflegtest, und dann reibe und klopfe alles ordentlich durch.«
»Sehr wohl, Gnädige!« sagte Fetinja, indem sie über das Federbett das Laken ausbreitete und die Kissen aufschichtete.
»So, jetzt ist das Bett für Sie fertig«, sagte die Hausfrau. »Leb wohl, Väterchen, ich wünsche dir gute Nacht. Willst du vielleicht noch etwas? Bist du es vielleicht gewöhnt, daß man dir vor dem Einschlafen die Fersen kitzelt? Mein Seliger konnte ohne das gar nicht einschlafen.«
Der Gast bedankte sich aber für das Kitzeln der Fersen. Als die Hausfrau gegangen war, zog er sich schnell aus und gab das ganze Geschirr, das er von sich genommen, wie das obere, so auch das untere, der Fetinja, die ihm ihrerseits gute Nacht wünschte und mit seiner ganzen nassen Ausrüstung verschwand. Als er allein geblieben war, sah er nicht ohne Vergnügen sein Bett an, das beinahe bis an die Decke reichte: Fetinja verstand sich offenbar gut aufs Durchschütteln von Federbetten. Als er mit Hilfe eines Stuhles auf das Bett stieg, senkte es sich unter ihm sofort fast bis zum Boden, und die von ihm herausgedrängten Daunen flogen in alle Ecken des Zimmers. Er löschte die Kerze aus, schlüpfte unter die Kattundecke, rollte sich unter ihr zu einem Kringel zusammen und schlief sofort ein. Er erwachte am nächsten Morgen ziemlich spät. Die Sonne schien ihm durchs Fenster gerade in die Augen, und die Fliegen, die gestern ruhig an den Wänden und an der Decke geschlafen hatten, wandten sich alle gegen ihn: die eine setzte sich ihm auf die Lippe, die andere aufs Ohr, die dritte bemühte sich, sich mitten aufs Auge zu setzen; diejenige aber, die die Unvorsichtigkeit hatte, sich sehr nahe ans Nasenloch zu setzen, zog er, verschlafen wie er war, in diese Nase ein; infolgedessen mußte er heftig niesen, und dieser Umstand hatte sein Erwachen zur Folge. Er streifte mit dem Blicke das Zimmer und merkte, daß auf den Bildern doch nicht lauter Vögel dargestellt waren: unter ihnen hing ein Bildnis Kutusows und ein in Öl gemaltes Porträt eines alten Herrn in Uniform mit roten Aufschlägen, wie man sie zur Zeit des Kaisers Paul trug. Die Uhr ließ wieder ein Zischen vernehmen und schlug zehn; zur Türe blickte