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spät erinnere ich mich, daß mein Venusbild in einem derselben liegt, nun hat es die weiße Frau dort oben, samt meinen Ergüssen. Was wird sie dazu sagen?

      Ich höre sie lachen.

      Lacht sie über mich?

      Vollmond! da blickt er schon über die Wipfel der niederen Tannen, welche den Park einsäumen, und silberner Duft erfüllt die Terrasse, die Baumgruppen, die ganze Landschaft, so weit das Auge reicht, in der Ferne sanft verschwimmend, gleich zitternden Gewässern.

      Ich kann nicht widerstehen, es mahnt und ruft mich so seltsam, ich kleide mich wieder an und trete in den Garten.

      Es zieht mich hin zur Wiese, zu ihr, meiner Göttin, meiner Geliebten.

      Die Nacht ist kühl. Mich fröstelt. Die Luft ist schwer von Blumen- und Waldgeruch, sie berauscht.

      Welche Feier! Welche Musik ringsum. Eine Nachtigall schluchzt. Die Sterne zucken nur leise in blaßblauem Schimmer. Die Wiese scheint glatt, wie ein Spiegel, wie die Eisdecke eines Teiches.

      Hehr und leuchtend ragt das Venusbild.

      Doch – was ist das?

      Von den marmornen Schultern der Göttin fließt bis zu ihren Sohlen ein großer dunkler Pelz herab – ich stehe starr und staune sie an, und wieder faßt mich jenes unbeschreibliche Bangen und ich ergreife die Flucht.

      Ich beschleunige meine Schritte; da sehe ich, daß ich die Allee verfehlt habe, und wie ich seitwärts in einen der grünen Gänge einbiegen will, sitzt Venus, das schöne, steinerne Weib, nein, die wirkliche Liebesgöttin, mit warmem Blute und pochenden Pulsen, vor mir auf einer steinernen Bank. Ja, sie ist mir lebendig geworden, wie jene Statue, die für ihren Meister zu atmen begann; zwar ist das Wunder erst halb vollbracht. Ihr weißes Haar scheint noch von Stein und ihr weißes Gewand schimmert wie Mondlicht, oder ist es Atlas? und von ihren Schultern fließt der dunkle Pelz – aber ihre Lippen sind schon rot und ihre Wangen färben sich, und aus ihren Augen treffen mich zwei diabolische, grüne Strahlen und jetzt lacht sie.

      Ihr Lachen ist so seltsam, so – ach! es ist unbeschreiblich, es benimmt mir den Atem, ich flüchte weiter und muß immer wieder nach wenigen Schritten Atem holen und dieses spöttische Lachen verfolgt mich durch die düsteren Laubgänge, über die hellen Rasenplätze, in das Dickicht, durch das nur einzelne Mondstrahlen brechen; ich finde den Weg nicht mehr, ich irre umher, kalte Tropfen perlen mir auf der Stirne.

      Endlich bleibe ich stehen und halte einen kurzen Monolog.

      Er lautet – nun – man ist ja immer sich selbst gegenüber entweder sehr artig oder sehr grob.

      Ich sage also zu mir: Esel!

      Dieses Wort übt eine großartige Wirkung, gleich einer Zauberformel, die mich erlöst und zu mir bringt.

      Ich bin im Augenblicke ruhig.

      Vergnügt wiederhole ich: Esel!

      Ich sehe nun wieder alles klar und deutlich, da ist der Springbrunnen, dort die Allee von Buchsbaum, dort das Haus, auf das ich jetzt langsam zugehe.

      Da – plötzlich noch einmal – hinter der grünen, vom Mondlicht durchleuchteten, gleichsam in Silber gestickten Wand, die weiße Gestalt, das schöne Weib von Stein, das ich anbete, das ich fürchte, vor dem ich fliehe.

      Mit ein paar Sätzen bin ich im Hause und hole Atem und denke nach.

      Nun, was bin ich jetzt eigentlich, ein kleiner Dilettant oder ein großer Esel?

      Ein schwüler Morgen, die Luft ist matt, stark gewürzt, aufregend. Ich sitze wieder in meiner Gaisblattlaube und lese in der Odyssee von der reizenden Hexe, die ihre Anbeter in Bestien verwandelt. Köstliches Bild der antiken Liebe.

      In den Zweigen und Halmen rauscht es leise und die Blätter meines Buches rauschen und auf der Terrasse rauscht es auch.

      Ein Frauengewand –

      Da ist sie – Venus – aber ohne Pelz – nein, diesmal ist es die Witwe – und doch – Venus – oh! welch ein Weib!

      Wie sie dasteht im leichten, weißen Morgengewande und auf mich blickt, wie poetisch und anmutig zugleich erscheint ihre feine Gestalt; sie ist nicht groß, aber auch nicht klein, und der Kopf, mehr reizend, pikant – im Sinne der Französischen Marquisenzeit – als streng schön, aber doch wie bezaubernd, welche Weichheit, welcher holde Mutwille umspielen diesen vollen, nicht zu kleinen Mund – die Haut ist so unendlich zart, daß überall die blauen Adern durchschimmern, auch durch den Mousselin, welcher Arm und Busen bedeckt, wie üppig ringelt sich das rote Haar – ja, es ist rot – nicht blond oder goldig – wie dämonisch und doch lieblich spielt es um ihren Nacken, und jetzt treffen mich ihre Augen wie grüne Blitze – ja, sie sind grün, diese Augen, deren sanfte Gewalt unbeschreiblich ist – grün, aber so wie es Edelsteine, wie es tiefe, unergründliche Bergseen sind.

      Sie bemerkt meine Verwirrung, die mich sogar unartig macht, denn ich bin sitzen geblieben und habe noch meine Mütze auf dem Kopfe.

      Sie lächelt schelmisch.

      Ich erhebe mich endlich und grüße sie. Sie nähert sich und bricht in ein lautes, beinahe kindliches Lachen aus. Ich stottere, wie nur ein kleiner Dilettant oder großer Esel in einem solchen Augenblicke stottern kann.

      So machen wir unsere Bekanntschaft.

      Die Göttin fragt um meinen Namen und nennt mir den ihren. Sie heißt Wanda von Dunajew.

      Und sie ist wirklich meine Venus.

      »Aber Madame, wie kamen Sie auf den Einfall?«

      »Durch das kleine Bild, das in einem Ihrer Bücher lag –«

      »Ich habe es vergessen.«

      »Die seltsamen Bemerkungen auf der Rückseite –«

      »Warum seltsam?«

      Sie sah mich an. »Ich habe immer den Wunsch gehabt, einmal einen ordentlichen Phantasten kennenzulernen – der Abwechslung wegen – nun, Sie scheinen mir nach allem einer der tollsten.«

      »Meine Gnädige – in der Tat –« wieder das fatale, eselhafte Stottern und noch dazu ein Erröten, wie es für einen jungen Menschen von sechzehn Jahren wohl passen mag, aber für mich, der beinahe volle zehn Jahre älter –

      »Sie haben sich heute nacht vor mir gefürchtet.«

      »Eigentlich – allerdings – aber wollen Sie sich nicht setzen?«

      Sie nahm Platz und weidete sich an meiner Angst – denn ich fürchtete mich jetzt, bei hellem Tageslichte, noch mehr vor ihr – ein reizender Hohn zuckte um ihre Oberlippe.

      »Sie sehen die Liebe und vor allem das Weib«, begann sie, »als etwas Feindseliges an, etwas, wogegen Sie sich, wenn auch vergebens, wehren, dessen Gewalt Sie aber als eine süße Qual, eine prickelnde Grausamkeit fühlen; eine echt moderne Anschauung.«

      »Sie teilen sie nicht.«

      »Ich teile sie nicht«, sprach sie rasch und entschieden und schüttelte den Kopf, daß ihre Locken wie rote Flammen emporschlugen.

      »Mir ist die heitere Sinnlichkeit der Hellenen Freude ohne Schmerz – ein Ideal, das ich in meinem Leben zu verwirklichen strebe. Denn an jene Liebe, welche das Christentum, welche die Modernen, die Ritter vom Geiste predigen, glaube ich nicht. Ja, sehen Sie mich nur an, ich bin weit schlimmer als eine Ketzerin, ich bin eine Heidin.

      ›Glaubst du, es habe sich lange die Göttin der Liebe besonnen,

      Als im Idäischen Hain einst ihr Anchises gefiel?‹

      Diese Verse aus Goethes römischer Elegie haben mich stets sehr entzückt.

      In der Natur liegt nur jene Liebe der herrischen Zeit, ›da Götter und Göttinnen liebten‹. Damals

      ›folgte Begierde dem Blick, folgte Genuß der Begier‹.

      Alles andere ist gemacht, affektiert, erlogen. Durch das Christentum – dessen grausames Emblem – das Kreuz – etwas Entsetzliches für mich hat – wurde erst etwas Fremdes, Feindliches in die

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