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Leutnant der Panzertruppen, beschuldigt nicht der Menschenfresserei, sondern der Leichenfresserei. Rotwangig, mit blauen Augen.

      »Ja, Bruder, ich habe im Leichenhaus immer ein Stückchen abgeschnitten. Gekocht und gegessen. Wie Kalbfleisch. Ich habe Hunger.«

      Der Menschenfresser Solowjow, der klassischen katorga-Menschenfresserei beschuldigt. Auf die Flucht hatten sie einen Dritten mitgenommen, einen frajer*.

      »Am zehnten Tag dann haben wir ihn nachts mit der Axt. Ganz haben wir ihn nicht gegessen. Haben ihn in einem kalten Bach unter einem Stein gelassen.«

      Beide Freunde wurden von der Operativgruppe eingefangen und waren geständig.

      Menschenfresser, zwei Menschenfresser wohnten an der Transport-Außenstelle bei Baragon (wohin Korolenko* verbannt war). Sie waren längst entlassen und sparten »fürs Festland«. Sie töteten einzelne Durchreisende, die über Nacht blieben, wie bei Ostrowskij, »Am verkehrsreichsten Platz«* – sie raubten sie aus, und das Fleisch aßen sie auf. Nach der Verhaftung zeigten sie die Schädel der Getöteten und die Knochen. Diese Menschenfresser kenne ich nur aus Erzählungen.

      Ein russischer Rockefeller der ersten Generation, ein Sammler von Besitztümern – Aleksej Schatalin, aus Tula. Verurteilt zur Erschießung, Ersetzung durch zehn Jahre. Zulieferung von Pferden an die Armee, aller möglicher Untergrundhandel »von der Nähnadel bis zur Fabrik«, wie sich Schatalin ausdrückt.

      »Als Kind, wenn ich in den Laden ging, dachte ich – wenn ich groß bin, will ich auch so einen haben, und dann erweitere ich ihn. Als Jugendlicher habe ich überlegt: was verschafft dem Menschen eine feste gesellschaftliche Position. Und die Antwort: Kapital und Bildung.

      Bildung – das bedeutet 10–15 Jahre angestrengter Arbeit. Ich wählte das Kapital. Und begann als Händler. Dann sofort – die Revolution, und kein Ende absehbar. Mein Vater, er war Kutscher in Tula, stellte dem Grafen Bobrinskij die Pferde für die letzte Abreise. Du kanntest den Grafen Bobrinskij? Der eine Bäuerin geheiratet hat, deren Vater gräflicher Leibeigener war? Vier Sprachen konnte sie, hatte das ganze Leben im Ausland verbracht. Jetzt ist sie wahrscheinlich gestorben. Bobrinskij selbst wurde wegen dieser Ehe nirgends empfangen in adligen Häusern.

      Die Bildung hat mich trotzdem reingelegt. Ich habe Steine verkauft gegen Valuta und beim Dollarkurs danebengehauen. Gründliche ökonomische Kenntnisse besitze ich nicht.

      Den Umsatz hat bei mir der Untersuchungsführer reingeschrieben: zwei Millionen im Jahr. Das war 1932. Bei der Durchsuchung haben sie mir, weißt du, zweihundertfünfzigtausend in bar abgenommen. Mir tut es darum nicht leid. Gibt es ein Leben, dann gibt es auch Geld.«

      Bystrow (Vorarbeiter):

      »Du, Schatalin, arbeitest schlecht. Sieh zu, ich gebe dir die Strafmahlzeit.«

      Bystrow schimmert rosig vor Zufriedenheit. Zu mir hatte er bei unserer ersten Begegnung gesagt:

      »Soll ich Ihnen schmutzige Arbeit geben oder saubere?«

      »Ganz egal.«

      »Es gibt sowieso nur schmutzige.«

      Jetzt bin ich nicht beim Bau, sondern beim Bergbau, und mein Herr ist Kassajew, Gitarrenspieler. Schnell gab er seine Spitzen an Schatalin weiter.

      »Du, Bystrow«, sagt Schatalin gemächlich, »gib mir doch wenigstens eine halbe Schüssel, aber dass die Schüssel groß ist wie ein Pferdeeimer.«

      Kassajew läuft täglich die Schurfgräben[78] ab. In Friseur Genkas Grube ist der Schurfgraben nicht tief, einen halben Meter vielleicht. Kassajew springt hinunter in den Schurfgraben, die Gummistiefel klatschen. Genka, auf dem Rand der Grube sitzend, steht auf. Kassajew hebt Genkas Hacke hoch und schaut sie an.

      »Eins kann man sagen – schonender Umgang mit dem Gerät.«

      Genka schweigt und lächelt respektvoll. Plötzlich fängt Kassajew an, die Sohle zu hacken und den Schurfgraben zu verbreitern. Zehn Minuten Arbeit, und der Schurfgraben ist zugeschüttet mit Gestein. Kassajew stellt die Hacke in eine Ecke des Schurfgrabens.

      »So muss man arbeiten. Ich könnte ein guter Hauer sein, nur«, sagt der Ingenieur, »wozu zum Teufel brauche ich das.«

      »Ich denke auch, Valentin Iwanowitsch«, sagt Genka respektvoll, »wozu zum Teufel brauche ich das.«

      Der Weg zur Arbeit – um die sieben Kilometer. Auf der Hälfte des Wegs ein Hügel, bläulich von Rentiermoos, und eine riesige umgestürzte morsche Lärche. Hier ruht man sich immer aus. Wir sind drei, Kassajew, Schatalin und ich.

      Kassajew:

      »Und wofür sitzt du, Schatalin?«

      Mich fragt niemals jemand von den Chefs. Schatalin hebt den Kopf, und eine Art Grinsen geht über sein Gesicht.

      »Ich, Valentin Iwanowitsch, habe ein Trennfutter verkauft.«

      »Was?«

      »Ein Trennfutter.«

      »Was ist das denn, ein Oberteil?«

      »Das Fell aus einem Wintermantel.«

      »H-hm. Und für wie viel hast du es verkauft?«

      »Für hundert Rubel.«

      Man sieht, dass Kassajew sich anstrengt, etwas zu begreifen.

      »Und … gekauft hast du es für wie viel?«

      »Für vierzig«, sagt Schatalin bescheiden.

      »Für vierzig? Aber das ist ja Spekulation«, schreit Kassajew.

      »Das haben sie vor Gericht auch gesagt, Valentin Iwanowitsch: Spekulation.«

      »M-hm … Und wie viel haben sie dir gegeben?«

      »Erschießung mit Ersetzung durch zehn Jahre.«

      »Erschießung? Für Trennfutter?«

      »Ja, Valentin Iwanowitsch.«

      »Na, wir müssen los«, ärgerlich steht der Geologe auf.

      Kassajew:

      »Und dann habe ich noch in Sibirien in der Forstwirtschaft gearbeitet.Eine große Forstwirtschaft, staatliche Pferde. Den Pferden waren allen die Mäuler zugebunden. Dort sind die Pferde krank. Das Futter ist gut, und das für die Menschen auch – der Löffel bleibt stecken, so einen Borschtsch kochen sie. Und sie zahlen gut. Mit einem Wort – eine ›Potz Wirtschaft‹.«

      »Rotz-Wirtschaft? Die Pferde haben den Rotz.«

      »Nicht Rotz, sondern Potz, ich rede Russisch mit dir.«

      Bei Tomtor Ojmjakonskij, wo man im Herbst 1958 einen gigantischen Seenfisch fand, wo die jakutischen Kühe wie Ziegen über die Felsen springen und man die Pferde, kaum größer als Rentiere, im Winter nicht füttert – die Herde wandert im Schneesturm durch die Wälder und »scharrt« den Schnee, wie die Rentiere. Für unseren Traktor haben wir Winterwege angelegt mit einem Dreimeter-Schneerand. Ich bin über zehn Kilometer zu Fuß gelaufen, zweimal vielleicht hat mich eine Herde überholt. Und beim dritten Mal blieb von der Herde etwas liegen. Ich ging näher ran – ein totes neugeborenes Fohlen[79], noch warm, das schon Reif ansetzte[80].

      Der freie Zimmerhäuer Gnesdilow wurde im Frühjahr aus dem Bergwerk entlassen, begann mit der Produktion von Preiselbeereis und machte über den Sommer Zehntausende Rubel. In der Siedlung Arkagala-Kohle leben dreihundert Mann, und im Lager tausend.

      In der chirurgischen Abteilung ein frischer Fall: Autounfall. Brüche beider Ober- und Unterschenkel, Rippenbruch[81]. Kopfverletzung. Der Barackendienst aus der Nachbarsiedlung fuhr in der Nacht nach Debin, war auf die »Trasse« getreten und hatte, als er ein Auto kommen sah, die Hand gehoben. Weiter erinnert er sich an nichts. Das Auto wurde ermittelt. Zum Unglück des Barackendienstes saß in der Kabine der Kassierer, er fuhr Geld auf die Bank. Das Gericht sprach den Fahrer frei, der nachts mit voller Geschwindigkeit

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<p>78</p>

der Schurfgraben – разведочная траншея

<p>79</p>

das Fohlen – жеребенок

<p>80</p>

… das schon Reif ansetzte – начинающий индеветь

<p>81</p>

Brüche beider Ober- und Unterschenkel, Rippenbruch – переломы обоих бедер, голеней, ребра