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Gail leise. „Wir alle wollen verstehen, warum du dich so unglücklich fühlst.“

      Dann sah Chantelle auf. Ihr Gesicht war rot vor Wut. „Sie hat mir Bailey geklaut.“

      Emily runzelte die Stirn, verwirrt über die Erwähnung von Baileys Namen. Sie und Chantelle waren so dicke wie Pech und Schwefel.

      „Was meinst du?“, hakte Gail nach.

      Chantelles Gesichtsausdruck zeugte von unergründlichem Schmerz und Verletzung. Es bestürzte Emily, sie so zu sehen.

      „Sie sagte, dass ich einen doofen Akzent habe“, rief Chantelle. „Und das Bailey nur eine Freundin mit blonden Haaren haben darf. Dann hat Bailey mir gesagt, dass Laverne ihre neue beste Freundin ist.“ Chantelles Gesicht brach. Statt Wut löste sie sich in Tränen auf, ließ ihren Kopf auf die Knie fallen und weinte bitterlich.

      Emilys Hand flatterte zu ihrem Herzen. Das war zu viel zu ertragen.

      „Können wir etwas tun?“, fragte Emily und sah Gail an. „Du verstehst, wie wichtig es für Chantelle ist, Konsistenz in ihrem Leben zu haben.“

      „Natürlich“, antwortete Gail diplomatisch. „Du bist gut mit Yvonne, Baileys Mutter, befreundet, oder? Vielleicht solltest du mit ihr darüber sprechen?“

      „Ich bin mir nicht sicher, wie das helfen wird“, antwortete Emily. „Bailey ist willensstark. Nur weil ihre Mutter ihr sagt, dass sie etwas tun soll, heißt das nicht, dass sie es tun würde. Wäre es nicht leichter, Laverne einfach in eine andere Klasse zu versetzen und sie dadurch einfach räumlich voneinander zu entfernen?“

      Frau Doyle sah entgeistert aus. „Absolut nicht.“

      „Aber sehen Sie nur, was es bei Chantelle anrichtet“, rief Emily aus.

      Frau Doyle sprach offen. „Laverne ist neu hier, genau wie einst Chantelle. Sie hat in Bailey eine Freundin gefunden und es wäre grausam, ihr das zu nehmen.“

      Emily spürte, wie ihre mütterlichen Instinkte sich schärften. „Mit Respekt, Laverne hat nicht die gleiche Geschichte wie Chantelle. Sie hat nicht die gleichen Schwierigkeiten durchgemacht. Wäre es nicht die einfachste Lösung, ihre Klassen jetzt zu wechseln? Um es im Keim zu ersticken, bevor es noch schlimmer wird? Wenn Laverne jetzt so gemein ist, wie viel schlimmer wird sie morgen oder übermorgen sein?“

      „Es tut mir leid“, sagte Frau Doyle und schüttelte den Kopf. „Aber sie werden ihre Probleme untereinander regeln müssen. Gail kann sie anleiten und natürlich wird Fräulein Butler alles im Klassenzimmer beaufsichtigen. In diesen Situationen gibt es keine schnellen Lösungen, Frau Morey. Chantelles Umstände spielen dabei keine Rolle.“

      Emily sah Gail eindringlich an. „Du bist auf meiner Seite, nicht wahr?“

      „Es geht nicht um Seiten“, antwortete Gail. „Mir geht es um Chantelle und was das Beste für sie ist.“

      „Lass mich raten“, sagte Emily. „Was ist das Beste für sie, dass sie einmal in der Woche in dein Büro kommt, um ihre Gefühle auszudrücken? Sie ist ein siebenjähriges Kind. Sie handelt nach ihren Emotionen, nach ihren Gefühlen. Wenn du hier sitzt und endlos mit dir sprichst, wird ihr das bei Mobbing nicht helfen.“

      „Unsere Sitzungen sind sehr hilfreich“, antwortete Gail ruhig.

      „Ich denke nicht, dass wir es so schnell Mobbing nennen sollten“, warf Frau Doyle ein.

      Emily war wütend. Sie hatte das Gefühl, als würden alle Chantelle aufgeben. Wie konnte das kein Mobbing sein?

      „Chantelle wurde wegen ihres Akzents verspottet. Ihr wurde die beste Freundin weggenommen. Dieses neue Mädchen hat sie geächtet. Wieso ist das kein Mobbing?“

      „Emily“, sagte Gail leise.

      Aber Emily war verärgert. Sie fühlte sich, als ob niemand im Raum bereit wäre, etwas Konkretes wegen der Situation zu tun. Alles, was sie anboten, war mehr von diesen endlosen Gesprächen, die sie im Augenblick für nutzlos hielt, wie Eheberatung für ein paar Kinder, die gerade alt genug waren, ihre eigenen Schnürsenkel zu binden!

      „Was?“, sagte Emily wütend zu Gail, so kurz davor, ihre Beherrschung zu verlieren, dass es ihr Angst machte.

      „Ich habe viel Erfahrung mit Situationen wie diesen“, fuhr Gail fort. „Ich werde Chantelle, Laverne und Bailey hier zusammen haben. Es gibt keine Schuld. Wir müssen nur einen Weg finden, dass alle gemeinsam den gleichen Raum einnehmen.“

      Emily hatte genug gehört. „Das ist absurd. Du gibst dir die größte Mühe, um einen Bully zu beschützen. Komm Chantelle, wir gehen.“

      Chantelle sah völlig überrascht aus. Sie blinzelte, ihre Wimpern waren feucht von Tränen, dann richtete sie sich auf. Emily fühlte sich erleichtert, als das Mädchen zu ihr eilte und ihre Arme fest um ihre Mitte schlang. Sie hatte getan, was sie als Mutter tun musste; ihr Kind bedingungslos zu unterstützen. Nichts davon war Chantelles Schuld, und das Letzte, was sie wollte war, dass das Kind dachte, dass sie etwas falsch gemacht hatte. Zusammen marschierten sie aus dem Büro.

      „Mama, du zitterst“, sagte Chantelle, während sie durch die Korridore gingen, an Tilly an der Rezeption vorbei und auf die Steintreppe hinaus.

      „Es tut mir leid“, erwiderte Emily und holte tief Luft. „Ich wollte nicht meine Beherrschung verlieren.“

      Aber Chantelle schien von ihrem Wutausbruch abgelenkt worden zu sein. „Entschuldige dich nicht“, sagte sie mit weit aufgerissenen Augen. „Es war cool!“

      Emily konnte nicht anders, aber sie fühlte ein kleines Ziehen in ihren Mundwinkeln. „Gut, danke. Aber nimm dir daran kein Beispiel. Leute anzuschreien ist keine gute Art sich zu benehmen.“

      „Okay, Mama“, antwortete Chantelle.

      Aber Emily konnte das Zwinkern des Respekts in ihrem Auge sehen. Als Chantelle jemanden an ihrer Seite gebraucht hatte, war Emily für sie da gewesen. Obwohl sie sich wegen ihres Ausbruchs schrecklich fühlte, konnte Chantelle zumindest aus erster Hand sehen, dass dieser Mama Bär ihr immer den Rücken stärken würde.

      Als Emily auf den Stufen der Schule stand, fiel ihr ein, dass sie nicht wusste, wie sie nach Hause kommen sollte. Sie zog in Erwägung, Daniel anzurufen, aber sie wusste, dass er heute sehr beschäftigt war mit seiner Arbeit bei Jack. Sie war sich nicht sicher, ob sie ihn deswegen stören sollte. Obwohl er auf der einen Seite wissen sollte, was passiert war, war sie Chantelles Mutter genauso wie Daniel ihr Vater war, und sie war sich sicher, dass sie ohne ihn mit dieser Situation fertigwerden konnte. Sie konnten darüber diskutieren, sobald er von der Arbeit nach Hause kam.

      Sie rief in der Pension an. Lois ging ran.

      „Ich nehme nicht an, dass Parker in der Nähe ist, oder?“, fragte Emily Lois, Parkers zerbeulten kleinen Lieferwagen vor ihrem geistigen Auge.

      „Er ist da“, sagte Lois. „Ich werde ihn holen.“

      Die Leitung verstummte. Einen Moment später erklang Parkers Stimme durch den Hörer.

      „Chefin“, witzelte er, „was kann ich für Sie tun?“

      Emily sah auf Chantelle hinunter, die auf der Treppe saß und an ihren Schnürsenkeln herumfummelte. Sie sah so niedergeschlagen aus. Emily war zuversichtlich, dass sie die richtige Entscheidung getroffen hatte, Daniel nicht zu belästigen. Sie wollte wieder in Sicherheit in ihrem Zuhause sein, bevor Chantelles Schultag besprochen wurde.

      Emily sprach mit Parker am Telefon. „Ich muss dich um einen Gefallen bitten ...“

      *

      An diesem Abend entspannte sich die Familie zusammen in der Lounge. Schließlich hatte Emily das Gefühl, dass genug Zeit vergangen war und sie bereit war, das Thema von

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