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Gefängnisdirektor.

      Caldwell trug blaue Hosen, ein blaues Arbeitshemd und Sandalen ohne Socken. Er trug Hand- und Fußfesseln. Riley hatte ihn seit Jahren nicht gesehen. Während seiner Zeit als Serienmörder waren seine Haare lang und sein Bart struppig, ein passender Look für einen Straßenkünstler. Jetzt war er glatt rasiert und sah geradezu gewöhnlich aus.

      Auch wenn er sich nicht wehrte, sah er verängstigt aus.

      Gut, dachte Riley.

      Er sah auf die Liege und dann schnell wieder weg. Er schien zu versuchen nicht auf den blauen Plastikvorhang zu blicken. Für einen Moment starrte er in den Zuschauerraum. Das schien ihn ruhiger und gefasster zu machen.

      “Ich wünschte er könnte uns sehen”, murmelte Gail.

      Sie wurden durch Einwegglas abgeschirmt und Riley teilte Gails Wunsch nicht. Caldwell hatte sie so schon eingehender betrachtet, als ihr lieb war. Um ihn zu fassen, hatte sie verdeckt ermittelt. Sie hatte vorgegeben ein Tourist zu sein und ihn dafür bezahlt ihr Porträt anzufertigen. Während er arbeitete hatte er sie mit Komplimenten überschüttet, ihr gesagt, dass sie die schönste Frau war, die er seit langem gezeichnet hatte.

      In dem Moment hatte sie gewusst, dass sie sein nächstes Opfer sein würde. An diesem Abend hatte sie als Beute gedient, um ihn aus seinem Versteck zu locken. Als er versucht hatte sie anzugreifen, waren ihr die anderen Agenten sofort zur Hilfe geeilt.

      Seine Gefangennahme war ohne Probleme verlaufen. Die Entdeckung, dass er seine Opfer zerteilt und in seiner Gefriertruhe aufbewahrt hatte, war eine andere Sache. Vor der geöffneten Gefriertruhe zu stehen war einer der grauenvollsten Momente ihrer Karriere gewesen. Sie fühlte immer noch Mitleid mit den Familien der Opfer – unter anderem Gail – für die grausige Aufgabe ihre zerteilten Familienmitglieder zu identifizieren.

      “Zu schön, um zu leben”, hatte er sie genannt.

      Es hatte Riley zutiefst erschüttert, dass er sie genauso wie diese Frauen gesehen hatte. Sie hatte sich nie für schön gehalten und Männer – selbst ihr Exmann Ryan – hatten ihr selten gesagt, dass sie es sei. Caldwell war eine schreckliche Ausnahme.

      Was hatte es zu bedeuten, dachte sie, dass ein pathologisches Monster sie so perfekt fand? Hatte er in ihr etwas erkannt, das genauso monströs war wie er? Noch Jahre nach der Gerichtsverhandlung und dem Urteil plagten sie Albträume, in denen sie seine bewundernden Augen sah, die honigsüßen Worte hörte und vor der Gefriertruhe mit den Leichenteilen stand.

      Das Hinrichtungsteam half Caldwell auf die Hinrichtungsliege, entfernte die Hand- und Fußfesseln, zog ihm die Sandalen aus und band ihn fest. Ledergurte hielten ihn auf der Liege – zwei über der Brust, zwei für die Beine, zwei für die Knöchel und zwei für die Handgelenke. Seine nackten Füße zeigten in Richtung des Fensters. Es war schwer sein Gesicht zu sehen.

      Plötzlich wurden die Vorhänge vor dem Fenster zum Zuschauerraum geschlossen. Riley verstand, dass er dafür da war, die Phase der Hinrichtung zu verstecken, in der am meisten schief gehen konnte – wie etwa, dass das Team keine passende Vene fand. Trotzdem erschien es ihr seltsam. Die Leute im Zuschauerraum waren kurz davor Caldwell sterben zu sehen, aber sie durften nicht zusehen, wie so etwas Banales wie eine Nadel in seinen Arm gestochen wurde. Der Vorhang bewegte sich leicht, offensichtlich durch eine Bewegung von einem der Helfer auf der anderen Seite.

      Als der Vorhang sich wieder öffnete, waren die Infusionsleitungen angebracht und liefen durch Löcher in dem blauen Plastikvorhang in den Arm des Häftlings. Zwei Mitglieder des Hinrichtungsteams standen hinter dem Plastikvorhang, wo sie die tödlichen Chemikalien einlassen würden.

      Ein Mann hielt den roten Telefonhörer, bereit einen Anruf zu erhalten, der nicht kommen würde. Ein anderer sprach mit Caldwell, seine Worte über die schlechte Soundanlage kaum vernehmbar. Er fragte Caldwell, ob er noch irgendwelche letzten Worte hatte.

      Im Gegensatz dazu erklang Caldwells Antwort laut und klar.

      “Ist Agentin Paige hier?” fragte er.

      Seine Worte sandten einen Schock durch Riley.

      Der Wärter antwortete nicht. Es war keine Frage auf dessen Antwort Caldwell ein Recht hatte.

      Nach einem angespannten Schweigen, sprach Caldwell wieder.

      “Sagen Sie Agentin Paige, ich wünschte meine Kunst hätte ihr gerecht werden können.”

      Auch wenn Riley sein Gesicht nicht deutlich sehen konnte, dachte sie, dass sie ihn kichern hörte.

      “Das ist alles”, sagte er. “Ich bin bereit.”

      Riley wurde von Wut, Entsetzen und Verwirrung überrollt. Das war das Letzte, was sie erwartet hatte. Derrick Caldwell hatte sich entschieden seinen letzten Moment ihr zu widmen. Und hier, hinter dem unzerbrechlichen Glas sitzend, konnte sie nichts dagegen tun.

      Sie hatte ihn geschnappt, aber am Ende hatte er eine seltsame, kranke Art von Rache erhalten.

      Sie fühlte, wie Gails kleine Hand ihre eigene packte.

      Lieber Gott, dachte Riley. Sie versucht mich zu trösten.

      Riley musste gegen eine Welle der Übelkeit ankämpfen.

      Caldwell sagte noch etwas.

      “Werde ich fühlen, wenn es anfängt?”

      Wieder erhielt er keine Antwort. Riley konnte sehen, wie die Flüssigkeit durch die transparenten Leitungen floss. Caldwell atmete mehrmals tief ein und schien dann einzuschlafen. Sein linker Fuß zuckte ein paar Mal und erstarrte dann.

      Nach einem Moment zwickte ein Wärter die beiden nackten Füße, was keine Reaktion auslöste. Es schien eine sonderbare Geste zu sein. Aber Riley wurde klar, dass der Wärter nur sicherstellte, dass die Betäubung wirkte und Caldwell bewusstlos war.

      Der Wärter rief den Leuten hinter dem Plastikvorhang etwas zu. Riley sah erneut, wie eine Flüssigkeit durch die Leitungen floss. Sie wusste, dass eine zweite Chemikalie jetzt dabei war seine Lungen anzuhalten. Nach einer Weile würde die dritte Chemikalie sein Herz stoppen.

      Während Caldwells Atem langsamer wurde, dachte Riley darüber nach, was sie gerade sah. Wie unterschied es sich von all den Malen, in denen sie selbst tödliche Gewalt hatte anwenden müssen? Für ihre Arbeit hatte sie mehrere Mörder getötet.

      Aber das hier war nicht wie diese anderen Male. Im Vergleich war es auf bizarre Weise kontrolliert, sauber, klinisch und makellos. Es schien ihr unerklärlich falsch zu sein. Irrationaler Weise dachte Riley, Ich hätte es nicht dazu kommen lassen sollen.

      Sie wusste, dass sie damit nicht Recht hatte; Caldwells Verhaftung war professionell und nach allen Regeln durchgeführt worden. Aber sie dachte trotzdem, Ich hätte ihn selber töten sollen.

      Gail hielt Rileys Hand mit gleicher Kraft zehn Minuten lang fest. Schließlich sagte der Mann neben Caldwell etwas, das Riley nicht hören konnte.

      Der Gefängnisdirektor trat nach vorne und sprach klar und laut genug, dass ihn alle Zeugen verstehen konnten.

      “Das Urteil wurde erfolgreich um 9:07 Uhr vollstreckt.”

      Dann schlossen sich die Vorhänge vor dem Fenster wieder. Die Zuschauer hatten alles gesehen, was sie sehen sollten. Wärter kamen in den Raum und baten alle so schnell wie möglich den Raum zu verlassen.

      Als die Gruppe in den Flur trat, nahm Gail wieder Rileys Hand.

      “Es tut mir leid, dass er das gesagt hat”, sagte Gail.

      Riley war überrascht. Wie konnte Gail sich in so einem Moment Gedanken um Rileys Gefühle machen. In dem Moment, in dem endlich der Gerechtigkeit für den Mord an ihrer Tochter Genüge getan wurde.

      “Wie geht es Ihnen, Gail?” fragte sie, während sie eilig zum Ausgang gingen.

      Gail ging schweigend neben ihr her. Ihr Gesicht war leer.

      “Es ist vorbei”, sagte sie schließlich, ihre Stimme kalt und taub. “Es ist vorbei.”

      Kurz

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