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an der Reling und starrten auf das Wasser hinunter. Ein Junge war gar so eingeschüchtert, dass er bibberte. Es war der Junge, der an dem Tag mit dem Schild-Training so viel Angst gehabt hatte und gezwungen worden war, Runden zu laufen.

      Kolk musste das gespürt haben, denn er kam über das Schiff auf ihn zu. Kolk schien unbeeindruckt, als der Wind sein Haar zurückwarf; mit finsterer Miene schritt er vorwärts, als würde er die Natur selbst bezwingen wollen. Er kam neben ihm zu stehen und sein Gesicht verzog sich noch mehr.

      „SPRING!“, schrie Kolk.

      „Nein!“, antwortete der Junge. „Ich kann nicht! Ich tu’s nicht! Ich kann nicht schwimmen! Bringt mich nach Hause zurück!“

      Kolk trat an den Jungen heran, als dieser von der Reling zurückwich, packte ihn hinten am Hemd und hob ihn in die Luft.

      „Dann wirst du das Schwimmen lernen!“, zischte Kolk und warf dann vor Thors ungläubigen Augen den Jungen über Bord.

      Der Junge flog schreiend durch die Luft und stürzte gut fünfzehn Fuß tief auf die schäumenden Fluten zu. Er landete mit einem Platschen und trieb dann mit zappelnden Armen an die Oberfläche.

      „HILFE!“, schrie er.

      „Was ist das erste Gesetz der Legion?“, rief Kolk an die anderen Jungen an Bord gewandt, den Jungen im Wasser ignorierend.

      Thor war die richtige Antwort vage bewusst, doch er war zu abgelenkt vom Anblick des Jungen, der unter ihm ertrank, um zu antworten.

      „Einem anderen Legionär in Not beizustehen!“, schrie Elden hervor.

      „Und ist er in Not?“, schrie Kolk und zeigte auf den Jungen hinunter.

      Der Junge hob die Arme, tauchte im Wasser auf und ab, und die anderen Jungen standen am Deck, starrten und hatten zu viel Angst, um hinunterzuspringen.

      In dem Moment geschah etwas Seltsames mit Thor. Während er sich auf den ertrinkenden Jungen konzentrierte, wurde alles andere unwichtig. Thor dachte nicht länger an sich selbst. Der Gedanke, dass er ertrinken könnte, kam ihm gar nicht erst. Das Meer, die Ungeheuer, die Strömung...all das verblasste. Das Einzige, woran er denken konnte, war, jemand anderen zu retten.

      Thor kletterte auf die breite Eichenreling, ging in die Knie, und ohne nachzudenken sprang er hoch in die Luft und stürzte sich kopfüber in das blubbernde Rot der Gewässer unter ihm.

      KAPITEL FÜNF

      Gareth saß auf seines Vaters Thron im Großen Festsaal und ließ seine Hände über die glatten hölzernen Armlehnen gleiten, während er die Szenerie vor ihm betrachtete: tausende seiner Untertanen waren in den Raum gepfercht; aus allen Ecken des Rings waren die Menschen angereist, um diesem einmaligen Ereignis beizuwohnen: zu sehen, ob er das Schicksalsschwert ziehen konnte. Zu sehen, ob er der Auserwählte war. Das Volk hatte seit den Jugendtagen seines Vaters keine Gelegenheit mehr gehabt, einer Schwertziehung beizuwohnen—und es schien, als ob niemand es verpassen wollte. Aufregung hing wie eine Wolke in der Luft.

      Gareth selbst war vor Anspannung ganz benommen. Während er zusah, wie sich der Raum immer weiter füllte, mehr und mehr Menschen sich hereindrängten, fragte er sich, ob die Ratgeber seines Vaters doch recht hatten; ob es eine schlechte Idee gewesen war, die Schwertziehung im Großen Festsaal abzuhalten und der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Sie hatten ihn beschworen, es in der kleinen, privaten Schwertkammer zu versuchen; sie argumentierten, dass es so weniger Zeugen geben würde, falls er scheitern sollte. Doch Gareth traute den Leuten seines Vaters nicht; er fühlte sich seines Schicksals sicherer als die alte Garde seines Vaters, und er wollte, dass das gesamte Königreich seinem Triumph beiwohnen und miterleben konnte, dass er der Auserwählte war, während es passierte. Er wollte den Augenblick für alle Zeiten festgehalten haben. Der Augenblick, an dem sein Schicksal sich verwirklichte.

      Gareth war mit Flair in den Saal getreten, in Begleitung seiner Berater hindurchstolziert, bestückt mit seiner Krone und seinem Mantel, das Zepter in der Hand—er wollte, dass ihnen allen bewusst war, dass er, nicht sein Vater, der wahre König, der wahre MacGil war. Wie er es erwartet hatte, hatte es nicht lange gedauert, bis es sich für ihn so angefühlt hatte, dass dies sein Schloss war, seine Untertanen. Er wollte, dass sein Volk es nun zu spüren bekam und diese Machtdemonstration weithin zu sehen war. Nach dem heutigen Tage würden sie mit Bestimmtheit wissen, dass er ihr einer und einziger wahrer König war.

      Doch jetzt, da Gareth alleine auf dem Thron saß und auf die leeren Eisenstützen in der Mitte des Saales blickte, in die das Schwert gelegt werden würde, beleuchtet von einem Sonnenstrahl, der durch die Decke hereinbrach, war er sich nicht mehr sicher. Die Schwere dessen, was er gleich tun würde, fing an, ihn zu bedrücken; es würde ein nicht umkehrbarer Schritt sein, und es würde kein Zurück geben. Was, wenn er tatsächlich scheiterte? Er versuchte, es aus seinen Gedanken zu bannen.

      Am anderen Ende des Saals öffnete sich knarrend die riesige Tür, und mit einem aufgeregten Wispern legte sich langsam erwartungsvolles Schweigen über den Raum. Herein marschierten ein Dutzend der stärksten Männer am Hof, die das Schwert zusammen geschultert hatten und allesamt unter seinem Gewicht ächzten. Sechs Männer standen zu beiden Seiten und trugen das Schwert in langsamem Marsch Schritt für Schritt seinem Liegeplatz entgegen.

      Gareths Herz schlug schneller, während er zusah, wie es näherkam. Für einen kurzen Augenblick flackerte Unsicherheit auf—wenn diese zwölf Männer, größer als alle, die er je gesehen hatte, es kaum tragen konnten, welche Chance hatte er dann? Doch er versuchte, diese Gedanken zur Seite zu schieben—immerhin ging es bei dem Schwert um Schicksal, nicht um Kraft. Und er zwang sich dazu, nicht zu vergessen, dass es sein Schicksal war, hier zu sein, der Erstgeborene der MacGils zu sein, König zu sein. Er suchte in der Menge nach Argon; aus irgendeinem Grund verspürte er plötzlich ein dringendes Bedürfnis, seinen Rat einzuholen. Dies war der Moment, in dem er ihn am meisten brauchte. Aus irgendeinem Grund konnte er an niemand anderen denken. Doch natürlich war er nirgends zu finden.

      Endlich hatte das Dutzend Männer die Mitte des Saales erreicht, trugen das Schwert in den Sonnenstrahl und platzierten es auf den eisernen Stützen. Es landete mit einem schallenden Klirren, und der Klang breitete sich in Wellen durch den ganzen Saal. Im Saal herrschte absolute Stille.

      Instinktiv teilte sich die Menge, um Platz zu machen, damit Gareth heruntersteigen und versuchen konnte, es zu ziehen.

      Langsam erhob sich Gareth von seinem Thron und kostete den Moment aus, all diese Aufmerksamkeit. Er konnte spüren, wie alle Augen auf ihn gerichtet waren. Er wusste, ein Augenblick wie dieser würde nie wieder kommen, in dem das gesamte Königreich ihm so vollkommen gebannt zusah, so eingehend jede seiner Bewegungen analysierte. Er hatte diesen Moment in Gedanken so oft durchlebt, schon seit seiner Jugend, und nun war er gekommen. Er wollte, dass es langsam ging.

      Er stieg bedächtig die Treppe vor dem Thron hinunter, Stufe für Stufe, jeden Schritt voll auskostend. Er schritt den roten Teppich entlang, fühlte, wie weich er unter seinen Füßen war, kam immer näher an die Lichtsäule, an das Schwert. Es war, als würde er in einem Traum wandeln. Er fühlte sich, als hätte er seinen Körper verlassen. Ein Teil von ihm fühlte sich, als wäre er diesen Teppich schon viele Male entlanggeschritten; immerhin hatte er das Schwert im Traum schon eine Million Mal gezogen. Er fühlte nur noch stärker, dass es ihm bestimmt war, es zu ziehen; dass er seinem Schicksal entgegenschritt.

      In Gedanken konnte er schon sehen, wie es ablaufen würde: er würde tapfer vortreten, eine Hand ausstrecken, und während seine Untertanen sich gespannt vorbeugten, würde er es mit einem Ruck dramatisch hoch über sein Haupt erheben. Sie alle würden den Atem anhalten und sich zu Boden werfen und ihn zum Auserwählten erklären, dem bedeutendsten MacGil-König, der je regierte, der Eine, dem es bestimmt war, auf immer zu regieren. Sie würden bei dem Anblick vor Freude weinen. Sie würden vor Furcht vor ihm zurückschrecken. Sie würden Gott danken, dass sie zu dieser Zeit am Leben waren, um dies zu erleben. Sie würden ihn als einen Gott anbeten.

      Gareth kam auf das Schwert zu, das nun wenige Fuß entfernt war, und er

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