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belastet seinen künstlerischen Auftrieb. Dickens war zufrieden. Zufrieden mit der Welt, mit England, mit seinen Zeitgenossen und sie mit ihm. Beide wollten sie sich nicht anders, als sie waren. In ihm war nicht die zornige Liebe, die züchtigen will, aufrütteln, anstacheln und erheben, der Urwille des großen Künstlers, mit Gott zu rechten, seine Welt zu verwerfen und sie neu, nach seinem eigenen Dünken zu erschaffen. Dickens war fromm, fürchtig; er hatte für alles Bestehende eine wohlwollende Bewunderung, ein ewig kindliches, spielfrohes Entzücken. Er war zufrieden. Er wollte nicht viel. Er war einmal ein ganz armer, vom Schicksal vergessener, von der Welt verschüchterter Knabe gewesen, dem erbärmliche Berufe die Jugend verzettelt hatten. Damals hatte er bunte farbige Sehnsucht gehabt, aber alle hatten ihn zurückgestoßen in eine lange und hartnäckig getragene Verschüchterung. Das brannte in ihm. Seine Kindheit war das eigentlich dichterisch-tragische Erlebnis – hier war der Same seines schöpferischen Wollens eingesenkt in das fruchtbare Erdreich von schweigsamem Schmerz; und seine tiefste seelische Absicht war, als ihm dann die Macht und Möglichkeit der Wirkung ins Weite wurde, diese Kindheit zu rächen. Er wollte mit seinen Romanen allen armen, verlassenen, vergessenen Kindern helfen, die so wie er einst Ungerechtigkeit erlitten durch schlechte Lehrer, vernachlässigte Schulen, gleichgültige Eltern, durch die lässige, lieblose, selbstsüchtige Art der meisten Menschen. Er wollte ihnen die paar farbigen Blüten Kinderfreude retten, die in seiner eigenen Brust verwelkt waren ohne den Tau der Güte. Später hatte ihm das Leben dann alles gewährt, und er wußte es nicht mehr anzuklagen: aber die Kindheit rief in ihm um Rache. Und die einzige moralische Absicht, der innere Lebenswille seines Dichtens war, diesen Schwachen zu helfen: hier wollte er die zeitgenössische Lebensordnung verbessern. Er verwarf sie nicht, er bäumte sich nicht auf gegen die Normen des Staates, er droht nicht, reckt nicht die zornige Faust gegen das ganze Geschlecht, gegen die Gesetzgeber, die Bürger, gegen die Verlogenheit aller Konventionen, sondern deutet nur hier und dort mit vorsichtigem Finger auf eine offene Wunde. England ist das einzige Land Europas, das damals, um 1848, nicht revolutionierte; und so wollte auch er nicht umstürzen und neu schaffen, nur korrigieren und verbessern, wollte nur die Phänomene des sozialen Unrechts, dort wo ihr Dorn zu spitz und schmerzhaft ins Fleisch drang, abschleifen und mildern, doch nie die Wurzel, die innerste Ursache, aufgraben und zerstören. Als echter Engländer wagt er sich nicht an die Fundamente der Moral, sie sind dem Konservativen sakrosankt wie das gospel, das Evangelium. Und diese Zufriedenheit, dieser Absud vom flauen Temperament seiner Epoche, ist so charakteristisch für Dickens. Er wollte nicht viel vom Leben: und so seine Helden. Ein Held bei Balzac ist gierig und herrschsüchtig, er verbrennt vor ehrgeiziger Sehnsucht nach Macht. Nichts ist ihm genug, unersättlich sind sie alle, jeder ein Welteroberer, ein Umstürzler, ein Anarchist und ein Tyrann zugleich. Sie haben ein napoleonisches Temperament. Auch die Helden Dostojewskis sind feurig und ekstatisch, ihr Wille verwirft die Welt und greift in herrlichster Ungenügsamkeit über das wirkliche Leben nach dem wahren Leben; sie wollen nicht Bürger und Menschen sein, sondern in jedem von ihnen funkelt durch alle Demut der gefährliche Stolz, ein Heiland zu werden. Ein Held Balzacs will die Welt unterjochen, ein Held Dostojewskis sie überwinden. Beide haben sie eine Anspannung über das Alltägliche hinaus, eine Pfeilrichtung gegen das Unendliche. Die Menschen bei Dickens sind alle bescheiden. Mein Gott, was wollen sie? Hundert Pfund im Jahr, eine nette Frau, ein Dutzend Kinder, einen freundlich gedeckten Tisch für die guten Freunde, ihr Cottagehaus bei London mit einem Blick von Grün vor dem Fenster, mit einem kleinen Gärtchen und einer Handvoll Glück. Ihr Ideal ist ein spießerisches, ein kleinbürgerliches: damit muß man sich bei Dickens zurechtfinden. Alle seine Menschen wollen innerlich keinen Wandel der Weltordnung, wollen weder Reichtum noch Armut, sondern dieses behagliche Mittelmaß, das als Lebensmaxime so weise für den Krämer und Kärrner, so gefährlich für den Künstler ist. Die Ideale Dickens' haben abgefärbt von ihrer armen Umwelt. Hinter dem Werke steht als der Schöpfer, der Bändiger des Chaos, nicht ein zorniger Gott, gigantisch und übermenschlich, sondern ein zufriedener Betrachter, ein loyaler Bürger. Das Bürgerliche ist die Atmosphäre aller Romane von Dickens.

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