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dem Wohnhaus von Store-Tuft stieg Rauch auf – endlich! Dort kochte die Mutter das Mittagmahl für Ole. Und Hunger und Kummer und Entbehren wurden übermächtig in dem Knaben, und vor lauter Sehnsucht nach einer warmen Stube und trockenen Kleidern und Heimweh nach seiner Mutter und der Heimat in Spanien hätte er fast wieder zu weinen angefangen. Aber dann dachte er daran, wie der Vater wieder sagen würde: "Hölle und Teufel! Jetzt flennt er!" Und da bezwang er sich.

      Ängstlich blickte er nach dem Hof.

      Das Wohnhaus lag mit der Langseite nach dem Garten zu – ein rot angestrichener, zweistöckiger Holzbau mit weißen Fensterrahmen. Dahin steuerten sie, der Knabe immer voran, der Vater hinterdrein.

      An der Giebelseite vorbei gelangten sie in den Hof; gegenüber lagen die Ställe für das Vieh – Schafstall, Kuhstall, Pferdestall – alles unter einem Dach. Die Gebäude waren ganz neu und lagen rechtwinklig zur Scheune; gegenüber der Holzschuppen und die anderen Wirtschaftsgebäude. Auf dem Hof standen Ziegen und knabberten Tannennadeln, umschwärmt von Spatzen in unglaublichen Mengen; die Versammlung fand unmittelbar vor der Kornscheuer statt.

      Jetzt erblickten die Ziegen die Ankömmlinge. Sie hoben die Köpfe und streckten die Hälse, alle auf einmal, Augen gespannt, Ohren gespitzt, starr, den letzten Bissen unbeweglich im Maul, neugierig bis aufs äußerste. Bloß der Bock kaute weiter, während er den beiden schwerfällig und gleichmütig entgegensah. Der Spatzenschwarm schwirrte geräuschvoll davon.

      Zwischen der Giebelseite des Hauptgebäudes und dem Stall hielt der Vater und stieg ab. Der Junge war schon drin und begaffte das Scheunendach, das beschädigt war und eben ausgebessert wurde; Arbeiter waren jedoch nicht zu sehen. Wahrscheinlich waren sie kurz vorher mit auf den Fischzug gegangen; die Leiter stand noch auf ihrem Gestell gegen die Scheune gelehnt. "Halt!" rief der Vater. Und der Junge blieb stehen und wandte sich um. Der Vater war dabei, "Rauen" an einem Schleifstein festzubinden, der an der Giebelwand des Hauptgebäudes lehnte. Der Junge sah zu. "Merkwürdig, wie ruhig er jetzt ist!" dachte der Vater. Er trat vor und deutete mit der Peitsche nach der großen Steinschwelle vor dem Hauseingang; dahin sollte der Junge vorangehen. Das tat er denn auch. Erst kam er an einem Gitterschlitten vorbei; zwei Kätzchen spielten zwischen den Sprossen, eins innen, das andere außen. Die Fenster, an denen sie vorbeikamen, gingen so tief herunter, daß sie durch die ganze Schlafstube, die auf der andern Seite ebenfalls Fenster hatte, und dann ebenso in die Wohnstube sehen konnten. Da saß Ole, in einem weißen Hemd, das ihm bis auf die Füße reichte, am Herd mit hochgezogenen Beinen; neben ihm stand, über ein paar Töpfe gebeugt, die Mutter. Mehr zu sehen hatte Edvard nicht Zeit. Er stieg über die Schwelle und hinein in den Flur, aus dem ihm ein herber Fischgeruch, alter und frischer, und ein Geruch von etwas, was er nicht kannte, entgegenströmte. Wieder deutete der Vater voran – nach rechts; auch links war eine Tür, eine feingemalte mit einer Messingklinke; da sollte er nicht hinein. Na, dachte der Junge, soviel hätt' ich auch gewußt, daß wir irgendwohinein wollen, wo Menschen sind, und nicht in die kalte Gaststube! Er legte seine steifen Finger auf die Klinke und drückte.

      Der Herd war in der Ecke links, dicht an der Tür. Und große Augen machten sie, die zwei, die da saßen! Oles Krauskopf guckte nur eben aus Vaters blauweißem Leinenhemd heraus. Die Mutter war ziemlich hochgewachsen und hatte feine Züge. Sie trug eine schwarze Haube. Das blonde, mit Wasser glattgekämmte Haar schmiegte sich um die Wangen, wodurch ihr Gesicht lang erschien. Sie richtete sich von ihren Töpfen auf und wandte sich den Eintretenden zu, die sie alle beide kannte. Ihr Gesicht war ernst, doch freundlich; ein bißchen ängstlich schien sie, oder unsicher; die Augen wollten anfangs auf keinem der beiden so richtig ruhen. Oles Stiefel standen am Herd; seine Kleider samt Hemd und Strümpfen hingen an einer Stange, die zwischen den Dachbalken befestigt war, zum Trocknen; auf dem andern Gestänge lag Holz und allerlei sonst. Ringsumher Hausgerät und Geschirr, wie immer am Werktag.

      Die Stube war nicht gemalt, sondern vertäfelt; unter den Fenstern zu beiden Seiten liefen rotgestrichene Bänke entlang; in der Ecke links, auf der andern Seite des Fensters, stand ein Tisch mit einem Bücherregal darüber; am Tischende, gleich neben der Kammertür, hing die Schlaguhr; sie ging so gleichmäßig und unbekümmert, als sei der Unfriede niemals über diese Schwelle gekommen. Draußen sah Edvard die Kätzchen im Schlitten; das eine mit der Pfote von innen durchs Gitter heraus-, das andere von außen hineingreifend. Und unmittelbar vor sich Oles Gesicht. Ole lächelte; denn auch ihm war bang zumute. Aber die Töpfe!

      Die Töpfe, die waren doch das Allerbeste, dachte der verhungerte und durchfrorene Edvard. In dem einen kleinen waren Kartoffeln; die waren schon fertig. Aber zwei hingen noch überm Feuer. Ob Fisch war in dem einen? Und im andern – —?

      Die Mutter war verlegen; sie wußte nicht, was anfangen. Da standen sie, unbeweglich, der barsche Mann und der Junge. Gerade als sie die beiden zum Sitzen auffordern oder irgend sonst etwas sagen wollte, da ergriff der Vater das Wort. Sie werde ja wohl wissen, was geschehen sei – he? Der Bengel komme und wolle um Verzeihung bitten und sich seine Strafe holen. Das sei notwendig; denn er sei ein böser Junge, bei dem nichts nütze, als Strafe; im Guten sei bei ihm nichts auszurichten.

      "Ach – aber – so schlimm ist es doch nicht!" sagte die Mutter mild. Ihr war ganz angst, und Ole wurde so bläulich bleich wie sein Hemd. – "Doch! Er soll seine Haue haben! Aber erst bittest Du um Verzeihung! Und zwar auf der Stelle – das rat' ich Dir!" – Ole fing zu weinen an. Edvard nicht. Ole konnte nicht mehr sitzen bleiben. Er stand auf und sah die Mutter an. "Da – —" sagte er. Weiter brachte er nichts heraus. Aber man sah, was er meinte: sie sollte sich ins Mittel legen.

      "Bitt' um Verzeihung!" knirschte es. Die Peitsche zuckte. "Mutter!" schrie Ole. Edvard mußte vor. Ole hatte sich abgewendet; er wollte nicht mehr sehen. So etwas war er nicht gewöhnt. Edvard wich zurück; der Vater hinterdrein, daß die Sporen klirrten. Edvard lief, in seiner Not, mit ausgestreckten Händen auf Oles Mutter zu; sie nahm sie nicht, und Ole fing an, aus vollem Hals zu schreien. So großes Mitgefühl war zuviel für den armen Edvard; auch er heulte los, während er rund um die Mutter herumlief. Ein solcher Lärm war es, daß die Ziegen wieder, mit dem Futter im Maul, dastanden und glotzten und aufhorchten; die Spatzen, die zurückgekommen waren, schwirrten husch-husch aufs Dach.

      Und was geschieht? Die Spatzen wiesen dem Jungen den Weg. Mit einem blitzschnellen Satz war er am Vater vorbei, zur Tür hinaus, die weitoffen hinter ihm stehen blieb. Die Ziegen stoben nach allen Seiten auseinander. Und der Junge – die Leiter hinauf – und aufs Dach. Sobald er oben stand, fing er an, die Leiter nachzuziehen. – "So ein Bengel! So ein Bengel!" schrie der Vater, der am Fenster stand. "He?" – Und fort war er.

      Sobald der Sohn ihn kommen sah, ließ er die Leiter fahren, daß sie polternd herunterfiel. Der Junge selber lief wie eine Katze das Dach hinauf, bis zum First, guckte sich um und balancierte da, als hätt' er sein Lebtag nichts anderes getrieben. Jetzt fühlte er augenscheinlich keine Schmerzen mehr in den Füßen!

      Des Vaters Angst überstieg alle Grenzen. "So pass' doch auf, Du! Pass' auf, sag' ich! Pass' auf! Willst Du wohl machen, daß Du 'runterkommst! Und zwar auf der Stelle! Mach', daß Du 'runterkommst, Du Lümmel!" Und er rannte in seinen Reitstiefeln im Hof herum und drohte hinauf.

      "Fällt mir gar nicht ein! Ich spring' auf den Hof hinunter! Jawohl!"

      "Bengel! Bist Du toll? Hölle und Teufel! Willst Du's wohl bleiben lassen!"

      "Ja, wenn Du mich nicht haust!" – "Ich verspreche gar nichts!" – "So? Du versprichst gar nichts?" Und der Junge kletterte noch ein bißchen höher hinauf.

      – "Doch! doch! Du Spitzbub! Du Lump!" – "Also Du versprichst es?" – "Ich versprech's ja – zum Teufel! Willst Du machen, daß Du 'runterkommst?" – "Auch nicht an den Haaren reißen – und nicht hauen – und nichts?" – "Ja doch, ja! Mach', daß Du 'runterkommst! Herrgott – Du rutschst ja aus! Edvard!" – Er kreischte. – "Also es gilt —? Du hast's versprochen?" – "Junge, wenn ich Dich hier hätte – Du solltest – —" er drohte mit der Peitsche hinauf. "Ja doch – ich hab's versprochen! Ich versprech' alles! Pass' auf!" – "Darf ich bis morgen hier bleiben?" sagte jetzt der Junge, "bei Ole? Darf ich?" – "Ich antworte überhaupt nicht mehr, bis Du herunterkommst!" – "Also nicht? Na denn – —" – "Du Starrkopf! Du miserabler Bengel!" – "Also Du sagst ja?" – "Ja doch, zum Teufel! Aber pack' Dich wenigstens

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