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unterdrückte sie aus Rücksicht auf diese jede Äußerung ihres sehr intensiven Ekels; während sie am Bette des Vaters wachte, trug sie beständig Sorge, den Kranken nichts von ihrer Angst und ihrer schmerzlichen Verstimmung merken zu lassen. Als sie später diese selben Szenen vor ihrem Arzt reproduzierte, trat der damals gehemmte Affekt mit besonderer Heftigkeit, als ob er sich solange aufgespart hätte, auf. Ja, das Symptom, welches von dieser Szene erübrigt war, gewann seine höchste Intensität, während man sich seiner Verursachung näherte, um nach der völligen Erledigung derselben zu verschwinden. Anderseits konnte man die Erfahrung machen, daß das Erinnern der Szene beim Arzte wirkungslos blieb, wenn es aus irgend einem Grunde einmal ohne Affektentwicklung ablief. Die Schicksale dieser Affekte, die man sich als verschiebbare Größen vorstellen konnte, waren also das Maßgebende für die Erkrankung wie für die Wiederherstellung. Man sah sich zur Annahme gedrängt, daß die Erkrankung darum zu stande kam, weil den in den pathogenen Situationen entwickelten Affekten ein normaler Ausweg versperrt war, und daß das Wesen der Erkrankung darin bestand, daß nun diese »eingeklemmten« Affekte einer abnormen Verwendung unterlagen. Zum Teil blieben sie als dauernde Belastungen des Seelenlebens und Quellen beständiger Erregung für dasselbe bestehen; zum Teil erfuhren sie eine Umsetzung in ungewöhnliche körperliche Innervationen und Hemmungen, die sich als die körperlichen Symptome des Falles darstellten. Wir haben für diesen letzteren Vorgang den Namen der »hysterischen Konversion« geprägt. Ein gewisser Anteil unserer seelischen Erregung wird ohnedies normalerweise auf die Wege der körperlichen Innervation geleitet und ergibt das, was wir als »Ausdruck der Gemütsbewegungen« kennen. Die hysterische Konversion übertreibt nun diesen Anteil des Ablaufs eines mit Affekt besetzten seelischen Vorganges; sie entspricht einem weit intensiveren, auf neue Bahnen geleiteten Ausdruck der Gemütsbewegung. Wenn ein Strombett in zwei Kanälen fließt, so wird eine Überfüllung des einen stattfinden, sobald die Strömung in dem anderen auf ein Hindernis stößt.

      Sie sehen, wir sind im Begriffe, zu einer rein psychologischen Theorie der Hysterie zu gelangen, in welcher wir den Affektvorgängen den ersten Rang anweisen. Eine zweite Beobachtung Breuers nötigt uns nun, in der Charakteristik des krankhaften Geschehens den Bewußtseinszuständen eine große Bedeutung einzuräumen. Die Kranke Breuers zeigte mannigfaltige seelische Verfassungen, Zustände von Abwesenheit, Verworrenheit und Charakterveränderung neben ihrem Normalzustand. Im Normalzustand wußte sie nun nichts von jenen pathogenen Szenen und von deren Zusammenhang mit ihren Symptomen; sie hatte diese Szenen vergessen oder jedenfalls den pathogenen Zusammenhang zerrissen. Wenn man sie in die Hypnose versetzte, gelang es nach Aufwendung beträchtlicher Arbeit, ihr diese Szenen ins Gedächtnis zurückzurufen, und durch diese Arbeit des Wiedererinnerns wurden die Symptome aufgehoben. Man wäre in großer Verlegenheit, wie man diese Tatsache deuten sollte, wenn nicht die Erfahrungen und Experimente des Hypnotismus den Weg dazu gewiesen hätten. Durch das Studium der hypnotischen Phänomene hat man sich an die anfangs befremdliche Auffassung gewöhnt, daß in einem und demselben Individuum mehrere seelische Gruppierungen möglich sind, die ziemlich unabhängig von einander bleiben können, von einander »nichts wissen«, und die das Bewußtsein alternierend an sich reißen. Fälle solcher Art, die man als »Double conscience« bezeichnet, kommen gelegentlich auch spontan zur Beobachtung. Wenn bei solcher Spaltung der Persönlichkeit das Bewußtsein konstant an den einen der beiden Zustände gebunden bleibt, so heißt man diesen den bewußten Seelenzustand, den von ihm abgetrennten den unbewußten. In den bekannten Phänomenen der sogenannten posthypnotischen Suggestion, wobei ein in der Hypnose gegebener Auftrag sich später im Normalzustand gebieterisch durchsetzt, hat man ein vorzügliches Vorbild für die Beeinflussungen, die der bewußte Zustand durch den für ihn unbewußten erfahren kann, und nach diesem Muster gelingt es allerdings, sich die Erfahrungen bei der Hysterie zurechtzulegen. Breuer entschloß sich zur Annahme, daß die hysterischen Symptome in solchen besonderen seelischen Zuständen, die er hypnoide nannte, entstanden seien. Erregungen, die in solche hypnoide Zustände hineingeraten, werden leicht pathogen, weil diese Zustände nicht die Bedingungen für einen normalen Ablauf der Erregungsvorgänge bieten. Es entsteht also aus dem Erregungsvorgang ein ungewöhnliches Produkt, eben das Symptom, und dieses ragt wie ein Fremdkörper in den Normalzustand hinein, dem dafür die Kenntnis der hypnoiden pathogenen Situation abgeht. Wo ein Symptom besteht, da findet sich auch eine Amnesie, eine Erinnerungslücke, und die Ausfüllung dieser Lücke schließt die Aufhebung der Entstehungsbedingungen des Symptoms in sich ein.

      Ich fürchte, daß Ihnen dieses Stück meiner Darstellung nicht sehr durchsichtig erschienen ist. Aber haben Sie Nachsicht, es handelt sich um neue und schwierige Anschauungen, die vielleicht nicht viel klarer gemacht werden können; ein Beweis dafür, daß wir mit unserer Erkenntnis noch nicht sehr weit vorgedrungen sind. Die Breuersche Aufstellung der hypnoiden Zustände hat sich übrigens als hemmend und überflüssig erwiesen und ist von der heutigen Psychoanalyse fallen gelassen worden. Sie werden später wenigstens andeutungsweise hören, welche Einflüsse und Vorgänge hinter der von Breuer aufgestellten Schranke der hypnoiden Zustände zu entdecken waren. Sie werden auch mit Recht den Eindruck empfangen haben, daß die Breuersche Forschung Ihnen nur eine sehr unvollständige Theorie und unbefriedigende Aufklärung der beobachteten Erscheinungen geben konnte, aber vollkommene Theorien fallen nicht vom Himmel, und Sie werden mit noch größerem Recht mißtrauisch sein, wenn Ihnen jemand eine lückenlose und abgerundete Theorie bereits zu Anfang seiner Beobachtungen anbietet. Eine solche wird gewiß nur das Kind seiner Spekulation sein können und nicht die Frucht voraussetzungsloser Erforschung des Tatsächlichen.

      II

      Meine Damen und Herren! Etwa gleichzeitig, während Breuer mit seiner Patientin die Talking cure übte, hatte Meister Charcot in Paris jene Untersuchungen über die Hysterischen der Salpêtrière begonnen, von denen ein neues Verständnis der Krankheit ausgehen sollte. Diese Resultate konnten damals in Wien noch nicht bekannt sein. Als aber etwa ein Dezennium später Breuer und ich die vorläufige Mitteilung über den psychischen Mechanismus hysterischer Phänomene veröffentlichten, welche an die kathartische Behandlung bei Breuers erster Patientin anknüpfte, da befanden wir uns ganz im Banne der Charcotschen Forschungen. Wir stellten die pathogenen Erlebnisse unserer Kranken als psychische Traumen jenen körperlichen Traumen gleich, deren Einfluß auf hysterische Lähmungen Charcot festgestellt hatte, und Breuers Aufstellung der hypnoiden Zustände ist selbst nichts anderes als ein Reflex der Tatsache, daß Charcot jene traumatischen Lähmungen in der Hypnose künstlich reproduziert hatte.

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      1

      Dr. Josef Breuer, geb. 1842, korrespondierendes Mitglied der k. Akademie der Wissenschaften, bekannt durch Arbeiten über die Atmung und zur Physiologie des Gleichgewichtssinnes.

      2

      Studien über Hysterie. 1895. Fr. Deuticke, Wien, 2. Aufl., 1909. Stücke meines Anteils an diesem Buch sind von Dr. A. A. Brill in New York ins Englische übertragen worden (Selected papers on Hysteria and other Psychoneuroses by S. Freud, Nr. 4 der »Nervous and Mental Disease Monograph Series«, New York).

      3

      Ich weiß, daß diese Behauptung heute nicht mehr zutrifft,

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