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harrten, beauftragt, den Damen die Leuchte vorauszutragen.

      Unauffällig entfernten sich Muhme und Nichte, denen auf der verschneiten Gasse der Knecht das Lämpchen vorantrug. Die frische Luft der Winternacht erquickte Salome und gierig atmeten die Lungen den reinen Odem ein. Frau Alt kam außer Atem durch das hastige Fragen, was der Fürst denn alles zu erzählen wußte, und durch die begeisterten Lobreden auf die Leutseligkeit desselben. Die Muhme merkte dabei gar nicht, daß Salome sich schweigend verhielt, und daß der Knecht um eine halbe Gassenlänge vorausgegangen ist. Jäh verstummte die geschwätzige Bürgermeisterin, als hinter ihrem Rücken eine Männerstimme ertönte:

      „Die Schlanke ist's! Schnell!“

      Blitzschnell ward ein Tuch um den Kopf der Muhme geworfen, Salome ward von vermummten Männern umringt, emporgehoben und in eine inzwischen herangebrachte Sänfte gesteckt, die in raschem Tempo dem Domplatz zu weggetragen wurde. Das alles vollzog sich schnell und lautlos; nur die entsetzte Bürgermeisterin kreischte, doch erstickte das dicke Tuch ihre Jammertöne. Bis Frau Alt dieses Tuch vom Kopf gezogen, war die Stelle menschenleer, nachtschwarz alles ringsum, die Gasse nur vom Schneelicht schwach beleuchtet. Ist es Spuk gewesen? Haben böse Geister das Mädchen von ihrer Seite gerissen oder ist Salome in den Erdboden versunken?

      Der Knecht kam mißmutig ob solcher Verzögerung zurück und machte aus seiner Stimmung kein Hehl. Dabei merkte er aber am Gezeter der Bürgermeisterin, daß sich etwas Absonderliches ereignet haben müsse. „Ist 'leicht etwas passiert?“ fragte er.

      „Mord und Totschlag! Mich haben sie ermordet und Salome ist verschwunden! Du bist mir ein wackerer Beschützer in Nacht und Not!“ kreischte verzweifelnd Frau Alt.

      Fassungslos starrte der Knecht die Bürgermeisterin an und leuchtete ihr mit dem Lämpchen ins runzelige Gesicht. Dann drehte er sich ringsum, als wollte er im Schnee das verschwundene Fräulein suchen.

      „Bring' nur mich schnell nach Hause, und dann lauf' zum Bürgermeister, vermeld' ihm den Raub unserer Nichte, es sollen die Stadtknechte, die Büttel fahnden! Laßt Sturm läuten! Huhu, dort kommt wieder so ein schwarzer Mordbube, der Beelzebub selber!“

      Erschrocken griff der Knecht die Bürgermeisterin beim Arm und riß sie mit sich im Sturmlauf zum Trinkhaus, das durch die Hilferufe beider im Nu alarmiert war. Die Kunde von einer Entführung Salomes wirkte auf die Festgesellschaft geradezu lähmend, sie ernüchterte die Männer und verursachte Weibern Krämpfe. Ludwig Alt vermochte das Ereignis nicht zu fassen und rief immer wieder: „Nicht möglich! Ein Mädchenraub in unserer stillen, ehrsamen Stadt von der Gasse weg! Es kann nicht wahr sein!“

      Vater Wilhelm Alt schwur, die ihm angethane Schmach rächen zu wollen, wer immer der Mädchenräuber sein möge.

      Sämtliche Rumorknechte und Büttel wurden aufgeboten, die nun nach Hause verlangenden Festgäste auf dem Heimweg schützend zu begleiten. Doch nichts von Räubern, nicht ein Schatten zeigte sich in den wie ausgestorben scheinenden, schneeerfüllten, vom Mondlicht schwach erleuchteten Gassen Salzburgs.

      Beide Alts aber, von handfesten Knechten begleitet, visitierten unter Anführung des Rottmeisters die Thore der festgeschlossenen Stadt und hielten bei den Türmern Umfrage, ob jemand zu Roß, Wagen oder mit einer Sänfte Auslaß begehrt und erhalten habe. Dies war nach bestimmten Erklärungen der Türmer nicht der Fall, ratlos kehrten beide Alts in ihre Behausungen zurück. In Wilhelm Alt, dem Vater Salomes, aber stieg ein furchtbarer Verdacht auf, der ihm die Nachtruhe raubte.

      II

      Im Keutschachhofe, der erzbischöflichen Residenz, war trotz der späten Stunde reges Leben gemäß der von Wolf Dietrich seiner Zeit eigenhändig festgesetzten Hofstaatsordnung, es harrten das Hofgesinde wie die höheren Chargen bis hinauf zum Hofmarschalk der Rückkehr des Fürsten vom Festmahl im Trinkhause und wagte niemand, so der Dienst traf, sich zurückzuziehen, denn Wolf Dietrich verstand sich darauf, seine Leute in Atem und Ordnung zu halten, so vieler bei Hof es auch waren.

      Zur Verwunderung der Begleiter hatte der Fürst den Weg zur Residenz zu Fuß genommen, neben sich den Kämmerer vom Dienst, einen jungen, treuergebenen Adeligen, den Wolf Dietrich mehr als die übrigen (im ganzen vier) Kämmerer mit seinem Vertrauen auszeichnete. Voraus schritten die Lichtträger, Lakaien bildeten rückwärts die Bedeckung.

      Was der Fürst mit seinem Kämmerer besprach, blieb der Begleitung unverständlich, einmal weil sich Wolf Dietrich der italienischen Sprache bediente, und dann aus dem Grunde, weil sehr leise und geheimnisvoll gesprochen ward.

      Als sich der Zug lautlos dem Portal des langgestreckten Keutschachhofes näherte, ertönte ungebührlicher Lärm im Palais, den des Fürsten seines Ohr schier augenblicklich wahrnahm und der Wolf Dietrich veranlaßte, dem Vorläufer und den Lichtträgern zu befehlen, stehen zu bleiben. Er selbst, vom Kämmerling auf dem Fuße gefolgt, trat rasch und leise ein und überrumpelte dadurch die zeternde Gruppe von Thürhütern und Lakaien, die willens schien, sich an einem blassen, armselig gekleideten Weibe zu vergreifen. Eben erhielt die schluchzende Frau einen Fausthieb, da stand der Fürst auch schon mitten im Knäuel und sein Begleiter drängte kraftvoll die Leute zurück. Scharf befahl Wolf Dietrich augenblickliche Ruhe, Zornesröte bedeckte seine Wangen, und die Adern schwollen sichtbar an. „Wer erfrecht sich bei Hof solcher Aufführung? Was soll der Lärm in meinem fürstlichen Hause? Was will das Weib zu später Stunde?“

      Vor Schreck und Überraschung verstummte die Dienerschaft, niemand fand ein Wort der Erwiderung, doch das arme Weib that einen Kniefall vor dem Fürsten und bat um Barmherzigkeit in höchster Not.

      „Man hat in Bittangelegenheiten die festgesetzte Audienzstunde einzuhalten! Gen Mitternacht wird nicht gebettelt!“ grollte der Fürst.

      „Gnädiger Herr! Übet Barmherzigkeit! Bis Taganbruch kann ich nimmer warten, derweil stirbt mir der Mann!“

      In Wolf Dietrichs Herz regte sich das Mitgefühl, weichen Tones fragte er nach dem Begehr des armen Weibes.

      „Euer Gnaden Leibmedikus hätt' ich gern gebeten um Hilfe, etzliches aus der fürstlichen Kuchel….“

      „Ist jemand schwer krank bei dir?“

      „Ja, gnädiger Herr, der Mann und zwei Kinder!“

      „Und mein Medikus, was ist's mit ihm? Ist er nicht mitgegangen?“

      Einer der Lakaien erkannte die günstige Gelegenheit, alle Schuld am üblen Auftritt bequem auf die Schultern des Leibarztes schieben zu können, und erstattete Bericht, daß der Medikus es abgelehnt habe, in später Nachtstunde den Berg hinaufzuklettern bis zum Häuschen des armen Weibes, wasmaßen der Medikus nur für den Fürsten da sei, nicht für das gemeine Volk.

      Wolf Dietrich befahl schneidend scharfen Tones, es solle der Medikus augenblicklich geweckt, dem Weibe Wein und Atzung in einem Korbe verabreicht werden. Und einer plötzlichen Gefühlsregung folgend, wandte sich der junge Fürst zum Kämmerer: „Du besorgst, was ich dir befohlen. Alphons bringt den Medikus und Dienerschaft mit der Spende für die Armen nach. Ich werde selbst inspizieren. Lichtträger voraus!“

      Der Kämmerer wagte zu sagen: „Hochfürstliche Gnaden! Es ist spät, und schlecht der Weg hinan zum Berg!“

      „Besorge, was ich befohlen! Hilfe zu bringen, ist eine der schönsten Aufgaben eines Fürsten. Schicke mir den Medikus nach, mach' ihm flinke Beine!“

      Auf Befehl mußte das Weib mit dem Vorläufer vorausgehen, der Armen schwindelte ob der jähen Wendung und der Gewißheit, daß der hochgemute Fürsterzbischof selbst zu später Stunde Einkehr halten will in der Hütte des Elends.

      Man hatte das schier verfallene Häuschen am Wege zum Nonnbergkloster noch nicht erreicht, kam der Leibmedikus schon hinterdrein angepustet, nach Luft und Fassung schnappend.

      Einer der Lichtträger mußte mit in die Stube, das Weib führte Wolf Dietrich und den Arzt in ein Gemach, welches in seiner Dürftigkeit den an Prunk gewohnten Fürsten erschaudern ließ. Auf Stroh lag der Mann, auf einem Ballen Fetzen zwei Kinder, abgemagert schier zum Skelett, gelbfarbig, hohläugig, wimmernd vor Schmerzen und Hunger.

      Wieder warf sich das abgezehrte Weib in die Kniee und hob flehentlich die Arme zum Fürsten empor: „Habt

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