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unterbrach ich ihn, „das ist ein Inserat für einen Kurort oder eine Schönheitscreme, aber nicht für ein Automobil.”

      Lenz öffnete den Mund.

      „Augenblick”, fuhr ich fort, „Uns hältst du ja doch für befangen, Gottfried. Ich mache dir deshalb einen Vorschlag: fragen wir mal Jupp. Das ist die Stimme des Volkes!”

      Jupp war unser einziger Angestellter, ein Junge von fünfzehn Jahren, der eine Art Lehrlingsstelle bei uns hatte. Er bediente die Benzinpumpe, besorgte das Frühstück und räumte abends auf. Er war klein, übersät mit Sommersprossen und hatte die größten abstehenden Ohren, die ich kannte.

      Wir holten ihn heran. Lenz las ihm das Inserat vor. „Würdest du dich für so einen Wagen interessieren, Jupp?” fragte Köster.

      „Einen Wagen?” fragte Jupp zurück. – Ich lachte. „Natürlich einen Wagen”, knurrte Gottfried. „Meinst du ein Heupferd?”

      „Hat er Schnellgang, von oben gesteuerte Nockenwelle und hydraulische Bremsen?” erkundigte Jupp sich ungerührt.

      „Schafskopf, es ist doch unser Cadillac”, fauchte Lenz.

      „Nicht möglich”, erwiderte Jupp und grinste von einem Ohr zum andern.

      Lenz verschwand missmutig in der Bude, um dem Inserat bei aller Wahrung seines poetischen Schwunges doch etwas mehr technischen Halt zu geben.

      Ein paar Minuten später erschien Oberinspektor Barsig plötzlich in der Hoftür. Wir empfingen ihn mit großen Ehren. Er war Ingenieur und Sachverständiger der Phönix-Autoversicherung, ein wichtiger Mann, um Reparaturen zugewiesen zu bekommen. Wir standen glänzend mit ihm.

      „Ich bringe Ihnen eine gute Nachricht. Sie können den Ford abholen. Die Direktion hat bewilligt, dass Sie die Reparatur machen.”

      „Großartig”, sagte Köster. „Wir können sie gut brauchen.”

      Barsig stand auf und verabschiedete sich. „Denken Sie an”, sagte er im Gehen, „die Frau, die mit in dem Ford war, ist vor ein paar Tagen doch noch gestorben. Hatte nur Schnittwunden. Wahrscheinlich zuviel Blut verloren.”

      „Wie alt war sie denn?” fragte Köster.

      „Vierunddreißig”, erwiderte Barsig. „Schwanger im vierten Monat. Mit zwanzigtausend Mark versichert.”

* * *

      Wir fuhren gleich los, um den Wagen zu holen. Er stand bei einem Bäckermeister. Der Mann war nachts halbbetrunken damit gegen eine Mauer gerast. Nur seine Frau war verletzt worden; er selbst hatte nicht einen Kratzer abbekommen.

      Wir trafen ihn in der Garage, als wir den Wagen zum Abschleppen fertig machten. Langsam kam er heran. „Wann ist der Wagen fertig?” fragte er.

      „In ungefähr drei Wochen”, erklärte Köster.

* * *

      Wir fuhren los. Draußen zeigte Lenz auf die Sitze des Fords. Sie hatten große schwarze Flecken. „Das Blut seiner toten Frau. Und ein neues Verdeck herausgeschunden[40]. Beige. Zarte Farben. Alle Achtung. Dem trau ich auch zu, dass er die Versicherungssumme für zwei Tote rausholt. Die Frau war ja schwanger.”

      Köster zuckte die Achseln. „Er sagt sich wahrscheinlich, dass das eine mit dem andern nichts zu tun hat.”

      „Möglich”, sagte Lenz. „Es soll ja Leute geben, für die sowas direkt ein Trost im Unglück ist. Uns kostet es glatt fünfzig Mark von unserm Verdienst.”

* * *

      Nachmittags ging ich unter einem Vorwand nach Hause. Ich war um fünf Uhr mit Patrice Hollmann verabredet, aber ich sagte in der Werkstatt nichts davon. Nicht, dass ich es verbergen wollte; aber es kam mir auf einmal ziemlich unwahrscheinlich vor.

      Sie hatte mir ein Cafe als Treffpunkt angegeben. Ich kannte es nicht; ich wusste nur, dass es ein kleines, elegantes Lokal war. Ahnungslos ging ich hin. Aber ich prallte erschreckt zurück, als ich eintrat. Der Raum war überfüllt mit schwätzenden Frauen. Ich war in eine typische Damenkonditorei geraten.

      Mit Mühe gelang es mir, einen Tisch, der gerade frei wurde, zu ergattern. Unbehaglich blickte ich umher. Außer mir waren nur noch zwei Männer da und die gefielen mir nicht.

      „Kaffee, Tee, Schokolade?” fragte der Kellner und wedelte mit seiner Serviette eine Anzahl Kuchenkrümel von der Tischplatte auf meinen Anzug.

      „Einen großen Kognak”, erwiderte ich.

      Er brachte ihn. Aber er brachte gleichzeitig ein Kaffeekränzchen[41] mit, das Platz suchte, an der Spitze eine Athletin reiferen Alters mit einem Pleureusenhut[42]. „Vier Plätze, bitte!” sagte er und zeigte auf meinen Tisch.

      „Halt”, antwortete ich, „der Tisch ist nicht frei. Ich erwarte jemand.”

      „Das geht nicht, mein Herr!” sagte der Kellner. „Um diese Zeit können keine Plätze reserviert werden.”

      „Können Sie mir wenigstens noch einen Kognak bringen?” knurrte ich den Kellner an.

      „Sehr wohl, mein Herr. Wieder einen großen?”

      „Ja.”

      „Bitte sehr.” Er verbeugte sich. „Es ist doch ein Tisch für sechs Personen, mein Herr”, sagte er entschuldigend.

      „Schon recht. Bringen Sie nur den Kognak.”

      „Salute![43]” sagte jemand hinter mir.

      Ich fuhr auf. Da stand sie und lachte. „Sie fangen ja rechtzeitig an!”

      Ich stellte das Glas, das ich immer noch in der Hand hielt, auf den Tisch. Ich war plötzlich verwirrt. Das Mädchen sah ganz anders aus, als ich es in Erinnerung hatte. Zwischen den vielen, Kuchen essenden, wohlgenährten Weibern wirkte es wie eine schmale, junge Amazone, kühl, strahlend, sicher und unangreifbar. Das wird nie etwas mit uns, dachte ich und sagte: „Wo sind Sie denn nur so geisterhaft hergekommen? Ich habe doch die ganze Zeit die Tür beobachtet.”

      Sie zeigte nach rechts hinüber. „Dort drüben ist noch ein Eingang. Aber ich habe mich verspätet. Warten Sie schon lange?”

      „Gar nicht. Höchstens zwei, drei Minuten. Ich bin auch erst eben gekommen.”

      Das Kaffeekränzchen an meinem Tisch wurde still. Ich spürte die abschätzenden Blicke von vier soliden Müttern im Nacken. „Wollen wir hier bleiben?” fragte ich.

      Das Mädchen streifte mit einem raschen Blick den Tisch. Ihr Mund zuckte. Sie sah mich belustigt an. „Ich fürchte, Cafes sind überall gleich.”

      Ich schüttelte den Kopf. „Wenn sie leer sind, sind sie besser. Dies hier ist ein Teufelslokal, in dem man Minderwertigkeitskomplexe bekommt. Wir könnten am besten in eine Bar gehen.”

      „In eine Bar? Gibt es denn Bars, die am hellen Tage offen sind?”

      „Ich weiß eine”, sagte ich. „Sie ist allerdings sehr ruhig. Wenn Sie das mögen – ”

      „Manchmal schon – ”

      Ich blickte auf. Ich konnte im Augenblick nicht feststellen, wie sie das meinte. Ich hatte nichts gegen Ironie, wenn sie nicht gegen mich ging; aber ich hatte ein schlechtes Gewissen.

      „Also gehen wir”, sagte sie.

      Ich winkte dem Kellner. „Drei große Kognaks”, brüllte der Unglücksvogel[44] mit einer Stimme, als wollte er einem Gast im Grabe die Rechnung machen. „Drei Mark dreißig!”

      Das Mädchen drehte sich um. „Drei Kognaks in drei Minuten? Ganz schönes Tempo!”

      „Es sind noch zwei von gestern dabei.”

      „So ein Lügner”, zischte die Athletin am Tisch hinter mir her. Sie hatte lange geschwiegen.

      Ich wandte mich um und verbeugte mich. „Ein gesegnetes Weihnachtsfest, meine Damen!”

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<p>40</p>

herausschinden – здесь: выколотить , выторговать

<p>41</p>

Kaffeekränzchen n – компания любительниц кофе

<p>42</p>

Pleureusenhut m – шляпа с траурным крепом

<p>43</p>

Salute ! – Салют!

<p>44</p>

Unglücksvogel m – несчастный, невезучий человек, неудачник. Второй компонент – vogel используется для образования сложных существительных (в том числе и окказиональных) с негативной коннотацией