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Mir war plötzlich etwas eingefallen. „Otto, du musst mir mal einen Gefallen tun. Ich brauche morgen abend den Cadillac.”

      Otto schloss die Augen bis auf einen kleinen Spalt und lächelte. „Gut, Robby; meinetwegen.”

      „Brauchst du den Wagen vielleicht zu deiner neuen Krawatte?” fragte Lenz, der herangekommen war.

      „Halt den Schnabel”, sagte ich und schob ihn beiseite. Aber er ließ nicht locker. „Zeig mal her, Baby!” Er befühlte die Seide. „Herrlich. Unser Kind als Gigolo. Mir scheint, du willst auf Brautschau!”

      „Du kannst mich heute nicht beleidigen, du Verwandlungskünstler”, erwiderte ich.

      „Brautschau?” Ferdinand Grau hob den Kopf. „Warum soll er denn nicht auf Brautschau gehen?” Er wurde lebhafter und wandte sich mir zu. „Tu’s ruhig, Robby! Du hast noch das Zeug dazu. Zur Liebe gehört eine gewisse Einfalt. Die hast du. Bewahre sie dir. Sie ist ein Gottesgeschenk. Nie wieder zu kriegen, wenn man sie mal verloren hat.

      „Nimms dir nicht allzusehr zu Herzen”, grinste Lenz. „Dumm geboren werden ist keine Schande. Nur dumm sterben.”

      „Schweig, Gottfried.” Grau wischte ihn mit einer Bewegung seiner mächtigen Tatze beiseite. „Auf dich kommts nicht an, du Etappenromantiker[57]. Um dich ists nicht schade.”

      VI

      Patrice Hollmann wohnte in einem großen, gelben Häuserblock, der durch ein schmales Rasenstück von der Straße getrennt war. Vor dem Eingang stand eine Laterne. Ich parkte den Cadillac direkt darunter. Er sah in dem bewegten Licht aus wie ein mächtiger Elefant aus fließendem, schwarzem Glanz.

      Ich hatte meine Garderobe noch weiter vervollständigt. Zu der Krawatte hatte ich noch einen neuen Hut und ein Paar Handschuhe gekauft; – außerdem trug ich einen Ulster[58] von Lenz, ein herrliches, graues Stück aus feinster Shetlandwolle. So ausgerüstet wollte ich meinen ersten säuferischen Eindruck nachdrücklich in die Flucht schlagen.

      Ich hupte. Gleich darauf flammte wie eine Rakete in fünf Fenstern übereinander die Treppenbeleuchtung auf. Der Lift begann zu summen. Ich sah ihn herunterschweben wie einen hellen Förderkorb, der vom Himmel herabgelassen wurde. Patrice Hollmann öffnete die Tür und kam rasch die Treppen herunter. Sie trug eine kurze, braune Pelzjacke und einen engen, braunen Rock.

      „Hallo!” Sie streckte mir die Hand entgegen. „Ich freue mich so herauszukommen. Ich war den ganzen Tag zuhause.”

      „Warum haben Sie mir das nicht früher gesagt”, erwiderte ich. „Ich hätte Sie dann schon mittags abgeholt.”

      „Haben Sie denn soviel Zeit?”

      „Das nicht. Aber ich hätte mich schon frei gemacht.”

      Sie holte tief Atem. „Wunderbare Luft! Es riecht nach Frühling.”

      „Wenn Sie Lust haben, können wir in der Luft herumfahren, so viel Sie wollen”, sagte ich, „nach draußen, vor die Stadt. durch den Wald – ich habe einen Wagen mitgebracht.” Damit zeigte ich so nachlässig auf den Cadillac, als wär er ein alter Ford.

      „Der Cadillac?” Überrascht sah sie mich an. „Gehört der Ihnen?”

      „Heute abend, ja. Sonst gehört er unserer Werkstatt. Wir haben ihn aufgearbeitet und wollen das Geschäft unseres Lebens damit machen.” Ich öffnete die Tür. „Wollen wir zuerst in die ,Traube’ fahren und essen? Was meinen Sie dazu?”

      „Essen schon, aber wozu gerade in der Traube?”

      Ich sah verdutzt auf. Die Traube war das einzige elegante Restaurant, das ich kannte.

      „Offen gestanden”, sagte ich, „anders weiß ich nichts. Ich denke auch, der Cadillac verpflichtet uns etwas.”

      Sie lachte. „In der Traube ist es bestimmt steif und langweilig. Gehen wir doch anderswo hin!”

      Ich stand ratlos da. Meine seriösen Träume lösten sich in Dunst auf. „Dann müssen Sie schon etwas vorschlagen”, sagte ich. „Die Lokale, die ich nämlich sonst noch kenne, sind etwas handfest. Ich glaube, das ist nichts für Sie.”

      „Warum glauben Sie das?”

      „Das sieht man doch so ungefähr – ”

      Sie blickte mich rasch an. „Wir können es ja mal versuchen.”

      „Gut.” Ich warf entschlossen mein ganzes Programm um.

      „Dann weiß ich was, wenn Sie nicht schreckhaft sind. Wir gehen zu Alfons.”

      „Alfons klingt schon sehr gut”, erwiderte sie, „und schreckhaft bin ich heute abend auch nicht.”

      „Alfons ist ein Bierwirt”, sagte ich, „ein guter Freund von Lenz.”

      Sie lachte. „Lenz hat wohl überall Freunde?”

      Ich nickte. „Er findet sie auch leicht. Das haben Sie ja bei Binding gesehen.”

      „Ja, weiß Gott”, erwiderte sie. „Das ging ja wie der Blitz.”

      Wir fuhren los.

* * *

      Alfons war ein schwerer, ruhiger Mann. Vorstehende Backenknochen. Kleine Augen. Aufgekrempelte Hemdsärmel. Arme wie ein Gorilla.

      Er wischte mit der behaarten Tatze über die helle Tischplatte aus Tannenholz. „Bier?” fragte er.

      „Korn und was zu essen”, sagte ich.

      „Und die Dame?” fragte Alfons.

      „Die Dame will auch einen Korn”, sagte Patrice Hollmann.

      „Heftig, heftig”, meinte Alfons. „Es gibt Schweinerippchen mit Sauerkraut.”

      „Selbstgeschlachtet?” fragte ich.

      „Klar.”

      „Aber die Dame möchte sicher etwas leichteres essen, Alfons.”

      „Kann nicht Ihr Ernst sein”, meinte Alfons.

      „Schauen Sie sich erst mal die Rippchen an.”

      Er ließ den Kellner eine Portion zeigen. „War eine wunderbare Sau”, sagte er. „Prämiiert. Zwei erste Preise.”

      „Da kann natürlich niemand widerstehen”, erwiderte Patrice Hollmann zu meinem Erstaunen mit einer Sicherheit, als verkehre sie schon Jahre in der Kaschemme[59] hier.

      Alfons zwinkerte. „Also zwei Portionen?”

      Sie nickte.

      „Schön! Werde mal selbst aussuchen.”

      Er ging in die Küche. „Ich nehme meine Zweifel wegen des Lokals zurück”, sagte ich. „Sie haben Alfons im Sturm erobert. Selbst aussuchen, das macht er sonst nur bei Stammgästen.”

      Alfons kam zurück. „Habe euch noch eine frische. Wurst reingegeben.”

      „Keine schlechte Idee”, sagte ich.

      Alfons sah uns wohlwollend an. Der Korn kam. Drei Gläser. Eins für Alfons mit. „Na, denn Prost”, sagte er. „Auf dass unsere Kinder reiche Eltern kriegen.”

      Wir kippten die Gläser. Das Mädchen nippte nicht, es kippte auch.

      „Heftig, heftig”, sagte Alfons und schlurfte zur Theke zurück.

      „Schmeckt Ihnen der Korn?” fragte ich.

      Sie schüttelte sich. „Etwas kräftig. Aber ich kann mich doch vor Alfons nicht blamieren.”

      Die Schweinerippchen hatten es in sich. Ich aß zwei große Portionen und auch Patrice Hollmann aß bedeutend mehr, als ich ihr zugetraut hatte. Ich fand es großartig, dass sie so gut mitmachte und sich so ohne weiteres in das Lokal fand. Sie trank auch ohne Ziererei noch einen zweiten Korn mit Alfons.

      Der zwinkerte mir heimlich zu, er fände die Sache richtig. Und Alfons war ein Kenner. Nicht gerade in

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<p>57</p>

Etappenromantiker m (авт.) – прифронтовой романтик (Etappe f – тыл фронта)

<p>58</p>

Ulster m – демисезонное мужское пальто

<p>59</p>

Kaschemme f (арготизм) – трактир, бар, пользующийся дурной славой