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leuchtet unmittelbar ein, daß sich diese Lehre von der Isostasie in keiner Weise mit der Schrumpfungshypothese und ihrer Vorstellung vom „Gewölbedruck“ und dem „Zusammenbruch des Erdballes“ vereinigen läßt. Die geologische Wissenschaft ist damit vor die Aufgabe gestellt, eine neue Grundhypothese zu schaffen, welche die Schrumpfungshypothese ersetzen und das gesamte Tatsachenmaterial unter Einschluß des geophysikalischen zu einem Gesamtbilde vereinigen kann.

      Aber statt dessen sehen wir heute nur zwei Teillösungen des Problems in einem für beide gleich hoffnungslosen Kampf gegeneinander verstrickt, nämlich die Hypothese der Brückenkontinente und die Hypothese der Permanenz der Ozeane und Kontinente.

      Die Verfechter der Brückenkontinente halten sich an die heute wohl als gesichert zu betrachtende Tatsache, daß die enge Verwandtschaft der Fauna und Flora heute weit getrennter Kontinente durchaus breite Landverbindungen für die Vorzeit erfordert19. Die immer reichlicher zuströmenden Einzelfunde lassen das Bild dieser Zusammenhänge immer deutlicher vor unseren Augen erwachsen, und heute schon herrscht bei den wichtigsten dieser Landbrücken unter den verschiedenen Fachgelehrten eine sehr weitgehende Übereinstimmung. Wir verweisen in dieser Hinsicht auf die im vierten Kapitel gegebene tabellarische Übersicht über die ablehnende oder zustimmende Stellung von 20 Fachgelehrten zu den einzelnen Brücken. Als gesichert gelten eine bisweilen behinderte Landverbindung zwischen Nordamerika und Europa, die erst in der Eiszeit endgültig abbrach, ferner eine solche zwischen Afrika und Südamerika, die, schon mit der Kreide behindert, im Eozän endgültig abbrach, eine dritte, die „lemurische“ Brücke zwischen Madagaskar und Vorderindien, die im Untereozän abbrach, aber noch bis zum Miozän einen beschränkten Formenaustausch zuließ, und endlich eine „gondwanische“ Brücke zwischen Afrika plus Madagaskar und Australien, die im Lias oder Unterdogger abbrach und vermutlich Antarktika enthielt.

      Auch zwischen Südamerika und Australien muß unbedingt früher eine bequeme Landverbindung geherrscht haben, aber die Ansicht, daß diese durch einen Brückenkontinent im südlichen Pazifik gebildet worden sei, wird nur von ganz wenigen Fachgelehrten vertreten. Die meisten nehmen an, daß diese Verbindung über Antarktika ging, welches gerade auf der kürzesten Verbindung zwischen den beiden Kontinenten liegt.

      Daneben ist natürlich eine große Anzahl von Brücken anzunehmen, die heute durch Schelfmeere ersetzt sind. Die Anhänger der Hypothese der Brückenkontinente haben bisher gar keinen Unterschied gemacht zwischen Brücken über Tiefsee und Brücken über Schelfe. Für die ersteren werden in diesem Buche neue Anschauungen entwickelt, für die letzteren aber, dies sei besonders betont, bleiben die bisherigen Anschauungen vom Versinken und Wiederauftauchen des trockenen Landes in vollem Umfange bestehen, und wir haben z. B. nicht das geringste einzuwenden gegen die bisherige Vorstellung, daß an der Beringstraße vom Eozän bis zum Quartär Landverbindung zwischen den beiden großen Kontinentalschollen geherrscht hat, und daß sie erst dann versank, ebenso wie sie bereits früher, namentlich in der Trias, zeitweise versunken gewesen war20. Nur das Versinken von Landbrücken bis zum Tiefseeboden ist es, was, wie gezeigt werden wird, der Kritik nicht standzuhalten vermag, aber ohne daß wir deshalb die Landverbindung entbehren können.

      Gegenüber diesen Anhängern der Hypothese der Brückenkontinente verfechten die Anhänger der Permanenzhypothese den Satz: „Die großen Tiefseebecken bilden permanente Erscheinungen der Erdoberfläche und haben mit geringen Änderungen ihrer Umrisse schon seit der ersten Sammlung des Wassers an derselben Stelle gelegen, an der sie jetzt liegen“21. Sie gehen aus von der oben erörterten Tatsache, daß auf den Kontinenten keine Tiefseeablagerungen in irgendwie beträchtlicher Ausdehnung vorkommen, daß also die Kontinentalschollen als solche unbestritten permanent sind. Hierdurch entsteht aber für die Konstruktion von Brückenkontinenten eine große Verlegenheit. Denn wenn deren Erhebung nicht durch anderweitige entsprechende Senkungen kompensiert wird, so enthalten die übrigbleibenden, sehr verkleinerten Tiefseebecken bei weitem nicht Raum genug für die Wassermenge der Ozeane. Es müßten dann – mit Ausnahme hoher Gebirge – alle Kontinente einschließlich der emporgehobenen Brückenkontinente, mit einem wenn auch nicht sehr tiefen Meere vollständig überflutet gewesen sein. Eine solche allgemeine Überflutung durch eine „Panthalassa“ wird aber in der Geologie nur für die allerälteste Zeit angenommen, und es ist klar, daß wir durch diese Konsequenz für die in Frage kommenden Zeiten, wo wir gerade Landbrücken zwischen trockenen Kontinenten brauchen, ad absurdum geführt werden. Um dieser von Willis und Penck betonten Schwierigkeit zu entgehen, müßten wir die sehr unwahrscheinliche, sonst durch nichts begründete Annahme machen, daß die Gesamtwassermenge der Erde sich gerade in entsprechendem Tempo vermehrt hat, wie die Landbrücken abgesunken sind. Diese Hypothese ist aber ernstlich noch von niemand vertreten worden.

      Weiter fußen die Anhänger der Permanenzhypothese auch auf den geophysikalischen Ergebnissen, die wir oben skizziert haben. Ein Absinken von Kontinenten zum Tiefseeboden erscheint unmöglich. Zwar läßt sich ein Untertauchen von Landgebiet bis zur Schelftiefe durchaus physikalisch erklären. Es kommen dafür sogar mehrere Ursachen in Betracht, deren jede für sich allein ausreichen dürfte. Einmal kann durch Zugkräfte eine Zerrung der ja plastisch zu denkenden Kontinentalscholle eintreten, welche mit Höhenschrumpfung verbunden sein muß; und zweitens besteht durchaus die Möglichkeit, daß es bei größeren Polverlagerungen in dem Quadranten, von dem sich der Pol fortbewegt, infolge des Nachhinkens der Erde bei der Einstellung auf das neue Rotationsellipsoid zu großen Überflutungen kommt, worauf Simroth22 u. a. hingewiesen haben. (Und umgekehrt in dem Quadranten, auf den sich der Pol zubewegt, zu großen Trockenlegungen). Dieses „Absinken“ bis zu Schelftiefen hat zweifellos z. B. an der schon oben erwähnten Beringstraße, in der Nordsee und dem Kanal, im Ägäischen Meere, in der Bassstraße zwischen Tasmanien und Australien, und an vielen anderen Stellen stattgefunden und ist geophysikalisch auch durchaus einwandfrei. Für diese Fälle gilt zweifellos das allgemeine Gesetz, daß die so erzeugten Abweichungen vom mittleren Kontinentalniveau um so seltener auftreten, je größer sie sind23. Etwas ganz anderes wäre aber ein Absinken bis zur Tiefseestufe, welche 5000 m unterhalb der Kontinentalstufe, von dieser durch ein Häufigkeitsminimum getrennt, liegt. Die Größe dieser Senkung sowohl wie die Gleichartigkeit der erreichten Tiefe dürften für diejenigen, welche auch hier am Versinken der Landbrücken festhalten wollen, sehr schwer zu erklären sein.

      Aus diesen Widersprüchen gibt es nur einen Ausweg: wenn wir annehmen, daß die Kontinentalschollen nicht nur in vertikaler Richtung zu isostatischen Ausgleichsbewegungen befähigt sind, sondern auch zu Bewegungen in horizontaler Richtung. Tun wir diesen nur durch seine Neuheit seltsam erscheinenden, in Wahrheit aber geophysikalisch wie geologisch durchaus vorbereiteten Schritt, so haben wir die Möglichkeit, breite Landverbindungen auch da zu rekonstruieren, wo heute die Tiefsee liegt, und zwar ohne in Konflikt mit der Isostasie zu kommen, und ohne daß uns die Wassermenge der Erde Schwierigkeiten macht. Wir nehmen also an, daß die nordamerikanische Kontinentalscholle früher dicht neben der europäischen gelegen, ja mit ihr eine einzige Scholle gebildet hat, daß diese große Scholle sich spaltete und die beiden Teile sich im Laufe der Zeiten weiter und weiter voneinander entfernten. Ebenso nehmen wir an, daß Südamerika und Afrika einst unmittelbar zusammenhingen, sich abspalteten und immer mehr voneinander entfernten. Um das alte Gondwanaland zu rekonstruieren, schieben wir auch Antarktika und Australien konzentrisch auf Südafrika zusammen und nehmen auch hier eine Aufspaltung einer einzigen großen Kontinentalscholle an. Um Lemuria zu rekonstruieren, brauchen wir dagegen nur die Falten von Hochasien zu glätten, wodurch Vorderindien schon von selbst zur Berührung mit Madagaskar und dies mit Afrika gebracht wird.

      Es wird Aufgabe der folgenden Abschnitte sein, zu zeigen, daß diese Verschiebungstheorie eine große Reihe überraschender Vereinfachungen liefert, und daß sie geeignet ist, die Gesamtheit unserer heutigen Kenntnisse zu einem Bilde zusammenzufassen. Eine so kleine Schrift wie die vorliegende kann dazu natürlich nur eine Skizze liefern, die Ausführung erfordert liebevolle Einzelarbeit auf einer langen Linie.

      Einige geschichtliche Bemerkungen seien vorausgeschickt. Die Vorstellung einer Verschiebung der Erdrinde in horizontaler Richtung über die magmatische Unterlage

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<p>19</p>

„Allerdings gibt es heute auch noch einige Gegner der Landbrücken. Unter ihnen ist besonders G. Pfeffer hervorzuheben. Er geht davon aus, daß verschiedene jetzt auf die Süderdteile beschränkte Formen auf der Nordhalbkugel fossil nachgewiesen sind. Für diese ist es nach ihm unzweifelhaft, daß sie einst mehr oder weniger universal verbreitet waren. Ist nun schon dieser Schluß nicht unbedingt zwingend, so noch viel weniger der weitere, daß wir eine universale Ausbreitung auch in allen den Fällen diskontinuierlicher Verbreitung im Süden annehmen dürften, in denen ein fossiler Nachweis im Norden noch nicht stattgefunden hat. Wenn er so alle Verbreitungseigentümlichkeiten ausschließlich durch Wanderungen zwischen den Nordkontinenten und ihren mediterranen Brücken erklären will, so steht diese Annahme durchaus auf ganz unsicherem Boden…“ (Arldt, Südatlantische Beziehungen, Peterm. Mitteil. 62, 41-46, 1916). Daß jedenfalls die Verwandtschaften der Südkontinente sich einfacher und vollständiger durch unmittelbare Landzusammenhänge erklären lassen, als durch parallele Abwanderung vom gemeinsamen Nordgebiet, bedarf keiner Erörterung.

<p>20</p>

Unter den zahlreichen Mißverständnissen, auf denen sich Dieners Ablehnung unserer Vorstellungen stützt (Die Großformen der Erdoberfläche, Mitteil. d. k. k. Geol. Ges. Wien 58, 329-349, 1915), und die größtenteils bereits von Köppen (Über Isostasie und die Natur der Kontinente, Geogr. Zeitschr. 25, 39-48, 1919) zurückgewiesen sind, befindet sich auch das folgende: „Wer Nordamerika an Europa heranschiebt, zerreißt seinen Zusammenhang mit der asiatischen Kontinentalscholle an der Beringstraße.“ Dieser durch die Merkatorkarte nahegelegte Einwand schwindet, wenn man den Globus zur Hand nimmt; es handelt sich im wesentlichen um eine Drehung Nordamerikas etwa um Alaska. Näheres siehe Kap. 4.

<p>21</p>

Bailey Willis, Principles of palaeogeography. Sc. 31, N. S., Nr. 790, S. 241-260, 1910. Dies ist wohl die schroffste Fassung. Andere Autoren, wie z. B. Sörgel (Die atlantische „Spalte“, kritische Bemerkungen zu A. Wegeners Theorie von der Kontinentalverschiebung, Monatsber. der D. Geol. Ges. 68, 200-239, 1916), versuchen einen Mittelweg zu finden, indem sie die Brückenkontinente möglichst zu schmalen Brücken am Rande der Ozeanbecken zusammenschrumpfen lassen. Aber sie erschweren dadurch unnötig die Erklärung der Verwandtschaften und geben dabei den Vorzug der schrofferen Fassung der Permanenzlehre auf, den geophysikalischen Ergebnissen gerecht zu werden.

<p>22</p>

Simroth, Die Pendulationstheorie, S. 8. Leipzig 1907.

<p>23</p>

Vielleicht existiert ein kleines sekundäres Häufigkeitsmaximum beim Meeresniveau wegen der Abrasion durch die Brandung.