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masochistischer Wunschtraum, dessen Übersetzung lauten könnte: es geschähe mir ganz recht, wenn der Bruder mir jenen Verkauf antäte zur Strafe für alle Quälereien, die er von mir ausgestanden hat.

      Der Traum eine verkleidete Erfüllung eines verdrängten Wunsches.

      Ich hoffe, die vorstehenden Erwägungen und Beispiele werden genügen, um es – bis auf weiteren Einspruch – glaubwürdig erscheinen zu lassen, daß auch die Träume mit peinlichem Inhalt als Wunscherfüllungen aufzulösen sind. Es wird auch niemand eine Äußerung des Zufalles darin erblicken, daß man bei der Deutung dieser Träume jedesmal auf Themata gerät, von denen man nicht gern spricht oder an die man nicht gern denkt. Das peinliche Gefühl, welches solche Träume erwecken, ist wohl einfach identisch mit dem Widerwillen, der uns von der Behandlung oder Erwägung solcher Themata – meist mit Erfolg – abhalten möchte, und welcher von jedem von uns überwunden werden muß, wenn wir uns genötigt sehen, es doch in Angriff zu nehmen. Dieses im Traume also wiederkehrende Unlustgefühl schließt aber das Bestehen eines Wunsches nicht aus; es gibt bei jedem Menschen Wünsche, die er anderen nicht mitteilen möchte, und Wünsche, die er sich selbst nicht eingestehen will. Anderseits finden wir uns berechtigt, den Unlustcharakter all dieser Träume mit der Tatsache der Traumentstellung in Zusammenhang zu bringen und zu schließen, diese Träume seien gerade darum so entstellt und die Wunscherfüllung in ihnen bis zur Unkenntlichkeit verkleidet, weil ein Widerwillen, eine Verdrängungsabsicht gegen das Thema des Traumes oder gegen den aus ihm geschöpften Wunsch besteht. Die Traumentstellung erweist sich also tatsächlich als ein Akt der Zensur. Allem, was die Analyse der Unlustträume zu Tage gefördert hat, tragen wir aber Rechnung, wenn wir unsere Formel, die das Wesen des Traumes ausdrücken soll, in folgender Art verändern: Der Traum ist die (verkleidete) Erfüllung eines (unterdrückten, verdrängten) Wunsches[54].

      Nun erübrigen noch die Angstträume als besondere Unterart der Träume mit peinlichem Inhalt, deren Auffassung als Wunschträume bei dem Unaufgeklärten die geringste Bereitwilligkeit begegnen wird. Doch kann ich die Angstträume hier ganz kurz abtun; es ist nicht eine neue Seite des Traumproblems, die sich uns in ihnen zeigen würde, sondern es handelt sich bei ihnen um das Verständnis der neurotischen Angst überhaupt. Die Angst, die wir im Traume empfinden, ist nur scheinbar durch den Inhalt des Traumes erklärt. Wenn wir den Trauminhalt der Deutung unterziehen, merken wir, daß die Traumangst durch den Inhalt des Traumes nicht besser gerechtfertigt wird als etwa die Angst einer Phobie durch die Vorstellung, an welcher die Phobie hängt. Es ist z. B. zwar richtig, daß man aus dem Fenster stürzen kann und darum Ursache hat, sich beim Fenster einer gewissen Vorsicht zu befleißen, aber es ist nicht zu verstehen, warum bei der entsprechenden Phobie die Angst so groß ist und den Kranken weit über ihre Anlässe hinaus verfolgt. Dieselbe Aufklärung erweist sich dann als gültig für die Phobie wie für den Angsttraum. Die Angst ist beidemal an die sie begleitende Vorstellung nur angelötet und stammt aus anderer Quelle.

      Wegen dieses intimen Zusammenhanges der Traumangst mit der Neurosenangst muß ich hier bei der Erörterung der ersteren auf die letztere verweisen. In einem kleinen Aufsatze über die "Angstneurose" (Neurolog. Zentralblatt, 1895) habe ich seinerzeit behauptet, daß die neurotische Angst aus dem Sexualleben stammt und einer von ihrer Bestimmung abgelenkten, nicht zur Verwendung gelangten Libido entspricht. Diese Formel hat sich seither immer mehr als stichhaltig erwiesen. Aus ihr läßt sich nun der Satz ableiten, daß die Angstträume Träume sexuellen Inhaltes sind, deren zugehörige Libido eine Verwandlung in Angst erfahren hat. Es wird sich späterhin die Gelegenheit ergeben, diese Behauptung durch die Analyse einiger Träume bei Neurotikern zu unterstützen. Auch werde ich bei weiteren Versuchen, mich einer Theorie des Traumes zu nähern, nochmals auf die Bedingung der Angstträume und deren Verträglichkeit mit der Wunscherfüllungstheorie zu sprechen kommen.

      V. Das Traummaterial und die Traumquellen

      Als wir aus der Analyse des Traumes von Irmas Injektion ersehen hatten, daß der Traum eine Wunscherfüllung ist, nahm uns zunächst das Interesse gefangen, ob wir hiemit einen allgemeinen Charakter des Traumes aufgedeckt haben, und wir brachten vorläufig jede andere wissenschaftliche Neugierde zum Schweigen, die sich in uns während jener Deutungsarbeit geregt haben mochte. Nachdem wir jetzt auf dem einen Wege zum Ziele gelangt sind, dürfen wir zurückkehren und einen neuen Ausgangspunkt für unsere Streifungen durch die Probleme des Traumes wählen, sollten wir darüber auch das noch keineswegs voll erledigte Thema der Wunscherfüllung für eine Weile aus den Augen verlieren.

      Seitdem wir durch Anwendung unseres Verfahrens der Traumdeutung einen latenten Trauminhalt aufdecken können, der an Bedeutsamkeit den manifesten Trauminhalt weit hinter sich läßt, muß es uns drängen, die einzelnen Traumprobleme von neuem aufzunehmen, um zu versuchen, ob sich für uns nicht Rätsel und Widersprüche befriedigend lösen, die, solange man nur den manifesten Trauminhalt kannte, unangreifbar erschienen sind.

      Die Angaben der Autoren über den Zusammenhang des Traumes mit dem Wachleben sowie über die Herkunft des Traummaterials sind im einleitenden Abschnitt ausführlich mitgeteilt worden. Wir erinnern uns auch jener drei Eigentümlichkeiten des Traumgedächtnisses, die so vielfach bemerkt, aber nicht erklärt worden sind:

      1. Daß der Traum die Eindrücke der letzten Tage deutlich bevorzugt (Robert, Strümpell, Hildebrandt, auch Weed-Hallam);

      2. daß er eine Auswahl nach anderen Prinzipien als unser Wachgedächtnis trifft, indem er nicht das Wesentliche und Wichtige, sondern das Nebensächliche und Unbeachtete erinnert.

      3. daß er die Verfügung über unsere frühesten Kindheitseindrücke besitzt und selbst Einzelheiten aus dieser Lebenszeit hervorholt, die uns wiederum als trivial erscheinen und im Wachen für längst vergessen gehalten worden sind[55].

      Diese Besonderheiten in der Auswahl des Traummaterials sind von den Autoren natürlich am manifesten Trauminhalt beobachtet worden.

      a) Das Rezente und das Indifferente im Traume

      Wenn ich jetzt in Betreff der Herkunft der im Trauminhalt auftretenden Elemente meine eigene Erfahrung zu Rate ziehe, so muß ich zunächst die Behauptung aufstellen, daß in jedem Traume eine Anknüpfung an die Erlebnisse des letztabgelaufenen Tages aufzufinden ist. Welchen Traum immer ich vornehme, einen eigenen oder fremden, jedesmal bestätigt sich mir diese Erfahrung. In Kenntnis dieser Tatsache kann ich etwa die Traumdeutung damit beginnen, daß ich zuerst nach dem Erlebnisse des Tages forsche, welches den Traum angeregt hat; für viele Fälle ist dies sogar der nächste Weg. An den beiden Träumen, die ich im vorigen Abschnitt einer genauen Analyse unterzogen habe (von Irmas Injektion, von meinem Onkel mit dem gelben Barte), ist die Beziehung zum Tage so augenfällig, daß sie keiner weiteren Beleuchtung bedarf. Um aber zu zeigen, wie regelmäßig sich diese Beziehung erweisen läßt, will ich ein Stück meiner eigenen Traumchronik daraufhin untersuchen. Ich teile die Träume nur soweit mit, als es zur Aufdeckung der gesuchten Traumquelle bedarf.

      1. Ich mache einen Besuch in einem Hause, wo ich nur mit Schwierigkeiten vorgelassen werde usw., lasse eine Frau unterdessen auf mich warten.

      Quelle: Gespräch mit einer Verwandten am Abend, daß eine Anschaffung, die sie verlangt, warten müsse, bis usw.

      2. Ich habe eine Monographie über eine gewisse (unklar) Pflanzenart geschrieben.

      Quelle: Am Vormittag im Schaufenster einer Buchhandlung eine Monographie gesehen über die Gattung Zyklamen.

      3. Ich sehe zwei Frauen auf der Straße, Mutter und Tochter, von denen die letztere meine Patientin war.

      Quelle: Eine in Behandlung stehende Patientin hat mir abends mitgeteilt, welche Schwierigkeiten ihre Mutter einer Fortsetzung der Behandlung entgegenstellt.

      4. In der Buchhandlung von S. und R. nehme ich ein Abonnement auf eine periodische Publikation, die jährlich 20 fl. kostet.

      Quelle: Meine Frau hat mich am Tage daran erinnert, daß ich ihr 20 fl. vom Wochengelde noch schuldig bin.

      5. Ich erhalte eine Zuschrift vom sozialdemokratischen Komitee, in der ich als Mitglied behandelt

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<p>54</p>

Ein großer unter den lebenden Dichtern, der, wie mir gesagt wurde, von Psychoanalyse und Traumdeutung nichts wissen will, findet doch aus Eigenem eine fast identische Formel für das Wesen des Traumes: "Unbefugtes Auftauchen unterdrückter Sehnsuchtswünsche unter falschem Antlitz und Namen." C. Spitteler, Meine frühesten Erlebnisse (Süddeutsche Monatshefte, Oktober 1913).

Vorgreifend führe ich hier die von Otto Rank herrührende Erweiterung und Modifikation der obigen Grundformel an: "Der Traum stellt regelmäßig auf der Grundlage und mit Hilfe verdrängten infantil-sexuellen Materials aktuelle, in der Regel auch erotische Wünsche in verhüllter und symbolisch eingekleideter Form als erfüllt dar." ("Ein Traum, der sich selbst deutet.")

<p>55</p>

Es ist klar, daß die Auffassung Roberts, der Traum sei dazu bestimmt, unser Gedächtnis von den wertlosen Eindrücken des Tages zu entlasten, nicht mehr zu halten ist, wenn im Traume einigermaßen häufig gleichgültige Erinnerungsbilder aus unserer Kindheit auftreten. Man müßte den Schluß ziehen, daß der Traum die ihm zufallende Aufgabe sehr ungenügend zu erfüllen pflegt.