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Stande zu sein, die Identität ihrer Personen zu bestimmen.

      Frau von Gaulitz wollte Licht bringen lassen, dem widersetzten sich aber die beiden Damen Seiffenberger »o es war jetzt zu reizend, zu herrlich hier in dem düsteren dämmernden Stübchen, – wie schauerlich schön wehte und rauschte die Kastanie draußen vor dem Fenster, und wie wunderhübsch war das, daß man von einander nur die Umrisse der Gestalten, gar nicht einmal die Gesichtszüge erkennen konnte.« Frau von Gaulitz fügte sich, und Feodor Strohwisch wurde bald der Mittelpunkt des Gesprächs, indem er den Faden der Unterhaltung, den bis dahin die Damen Seiffenberger und Schütte in Händen gehalten, fast allein für sich usurpirte.

      Vor allen Dingen berichtete er ziemlich ausführlich über den Zustand des Wetters draußen, und gab seine Vermuthungen an, was er davon für morgen erwarte, wunderte sich über das »famose« Frühjahr und versicherte der älteste Mann in Horneck wisse sich, wie er das aus dessen eigenem Munde vernommen, einer solchen Jahreszeit gar nicht zu erinnern.

      »Denken Sie sich« fuhr er dann zur Bestätigung des Gesagten fort, »oben in der Schenke sitzt Alles, bis noch zu diesem Augenblick, im Freien – Anfang April – das ist fabelhaft. – Aber was mir da einfällt – ich habe eben drüben etwas gehört, das ich hier in Horneck wahrlich nicht erwartet hätte.«

      »Und das wäre?« frag Fräulein Melinde rasch.

      »Eine Sängerin, wie ich sie selbst in den ersten Städten Europas (Schäker – die größte Stadt die er je gesehen, war Dresden) nicht getroffen. Ein Mädchen – zwar, allem Anschein nach in höchst mittelmäßigen Umständen, auch etwas zu bleich und krankhaft von Aussehn, um gerade schön genannt zu werden, aber eine Stimme – famos – glockenrein, und weich wie Sammet – und eine Höhe! – Sie sang zuerst ein paar ernste Sachen – recht brav, das muß man sagen; aber später trug sie ein humoristisches Lied vor – nein, meine Damen, ich habe nie etwas Aehnliches gehört!«

      »Aber warum erfährt man das erst jetzt?« frugen Melinde und Josephine »warum giebt sie nicht irgend eine Matinee, ein Concert.« –

      »Es ist liederliches Gesindel, das im Lande umherzieht« – mischte sich hier der Pastor in's Gespräch, und Feodor schnellte von seinem Sitze auf, um sich nach der Ecke hin, aus welcher die Stimme tönte, zu verbeugen – »sie wollten auch heute, am Sonntag Morgen schon singen, das hab ich mir aber verbeten; die Welt wird wahrlich immer schlimmer. – Das hätte einmal in einer früheren Zeit einem Christenmenschen einfallen sollen, an einem Sonntag komische Lieder zu singen, – er wäre gesteinigt worden; jetzt findet man das aber ganz in der Ordnung.«

      »Und es ist ein böses Zeichen für die gottesfürchtige Gesinnung des Ortes,« pflichtete ihm hier der Oberpostdirector seufzend bei, »daß so etwas auch in unserem Orte einzureißen scheint oder die Menschen nur überhaupt Gefallen daran finden.«

      »Bitte um Verzeihung, meine Herrn,« setzte sich aber hiergegen Feodor Strohwisch – der auch nach der zweiten Stimme hin seine Verneigung gemacht, zur Wehr, denn das hieß seine Existenz zugleich angegriffen – »von gemeiner Komik darf und kann hier nicht die Rede sein, der Humor aber ist das Salz und die Würze des Lebens, und eben so wenig wie wir an einem Sonntag das Salz entbehren mögen, eben so wenig ist das glaub ich, mit dem Humor der Fall – hahahahaha!«

      Fräulein Schütte hatte sich auf die Tasten niedergebogen, um diese besser erkennen zu können, legte dann die Finger einzeln aber geräuschlos auf, und griff jetzt schwärmerisch einige Moll Accorde. Einer von diesen klang nicht ganz rein und Feodor warf einen mistrauischen Blick nach der, von geheimnißvollem Dämmerschein umflossenen Gestalt hinüber, schien aber gegenwärtig auf ein viel zu interessantes Kapitel gerathen zu sein, um davon so leicht wieder abspringen zu können.

      »Ist denn die Sängerin allein oder in Begleitung hier?« frug Sophie.

      »Ein alter Mann, wahrscheinlich ihr Vater ist bei ihr« – sagte Feodor, »er trug einzelne Piecen sehr hübsch vor, und accompagnirte besonders das letzte Lied reizend – nun – wo hab' ich es denn eigentlich – hin – gesteckt? – na das wäre ein schöner Spaß« – Er befühlte sich am ganzen Körper in immer größerer Hast, wie Einer, nach dem geschossen ist, und der nur noch nicht recht weiß, ob ihm die Kugel in der Schulter oder im Beine sitzt.

      In dem Augenblick ging die Thüre auf, und Poller trat mit der großen Schraubenlampe herein, die er mitten auf den Tisch stellte und zugleich das Kaffeegeschirr mit fortnahm.

      »Haben Sie etwas verloren?« frugen die beiden Fräulein Seiffenberger besorgt.

      »Bitte – bemühen Sie sich nicht – es muß sich schon wieder finden – es war nur das humoristische Gedicht, das von dem Mädchen so wundervoll vorgetragen wurde – ich glaubte es wäre vielleicht für Sie interessant zu – ah, hier ist es – nein doch nicht – das ist etwas anderes – nun das schadet Nichts – hahahaha – das ist auch ein so kleines scherzhaftes Ding was ein sehr guter Freund von mir gemacht hat – prachtvoller Humor darin – es kommt mir immer, wenn ich es so ansehe vor, wie eine Schachtel voll Knallerbsen – hahaha!«

      »Hihihi« kicherten die beiden Fräulein Seiffenberger und die Frau Oberpostdirectorin – und die Mollaccorde wurden weicher und wehmüthiger – Feodor saß übrigens den Rücken dem Clavier zugewandt, und konnte deshalb die Spielende nicht sehn.

      »Ach bitte, tragen Sie uns etwas vor« bat Melinde.

      »Ich habe schon einiges von Ihnen gelesen« setzte Josephine hinzu – »nein, zu reizend; todt könnte man sich darüber lachen – ›Possen aus Nossen‹ war, glaub' ich, der Titel – ist dieß auch von Ihnen?«

      »Von mir? – nein« – lächelte Feodor verlegen, und eine eigenthümliche Bescheidenheitsröthe verlieh seinem Antlitz etwas Zinnoberartiges – »ein sehr guter Freund von mir – er ist noch – er ist noch Dilettant – Sie – Sie werden Nachsicht mit ihm haben müssen.«

      »O bitte, bitte lesen Sie« baten die Damen.

      »Aber es eignet sich in der That gar nicht zum Vorlesen« versicherte Feodor – »es sind nur einzelne, epigrammatisch gehaltene abgerissene Strophen, ohne Zusammenhang – es sollte – wie mir mein Freund gesagt hat, ein Versuch sein, einen Vers auf das ernsthafteste, tragischeste zu beginnen, und dann urplötzlich ganz humoristisch zu schließen – es ist das eine ungeheuer schwere Aufgabe, und ich weiß wirklich nicht« –

      »Oh bitte, bitte« – lautete die einzige Antwort.

      »Nun, wenn Sie denn nicht anders wollen, aber zürnen Sie mir nicht, wenn ich Sie langweile – ahem – ahem!« –

      »Wollen Sie sich die Lampe nicht etwas weiter hinübernehmen?« frug Frau von Gaulitz.

      »Oh ich danke, meine Gnädige – ich kann herrlich hier sehen – also ahem – wenn Sie denn Nachsicht mit mir haben wollen – ahem:«

      Feodor rückte noch einige Male räuspernd auf dem Stuhl herum, hielt das Manuscript etwas gegen das Licht und begann dann mit ernster, feierlicher Stimme, die ein ernsthaft schmachtender Blick nach des Pastors Töchterchen hinüber aber Lügen strafte:

      »Das Warum wird offenbar

      Wenn die Todten auferstehen! –

      Wer versetzt den Mantel muß,

      Wenn es kalt, im Fracke gehn!« 1

      »Hahaha.«

      »Hahaha« lachten die Damen Seiffenberger und von Gaulitz und auch Poller, der in der Thüre stehn geblieben war, verzog den breiten Mund von einer Seite zur andern. Der humoristische Schriftsteller fuhr fort:

      »Zwei Seelen und ein Gedanke

      Zwei Herzen und ein Schlag –

      Ich glaube Ritzebüttel

      Ist kleiner doch als Prag.«

      »Hahahaha – sehr gut vortrefflich!«

      »Wo Muth und Kraft in deutscher Seele flammen

      Fehlt nicht das blanke Schwert beim Becherklang –

      Rauch

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<p>1</p>

Diese un↑d die nachstehenden Verse sind wörtlich einem kleinen Liederbuche entnommen: »Faxen aus Sachsen, zweites Heft« Englische Kunstanstalt von A. H. Payne in Leipzig.