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und das hilft auch für die Zeit vielleicht, in der wir uns zerstreuen; Augenblicke der Ruhe müssen aber kommen und dann – ach selbst die Erinnerung an die ist schmerzlich.

      Auch für die Seekrankheit hat man in neuerer Zeit etwas – ein Vomitiv gleich zu Anfang genommen – als von ausgezeichneter Wirkung empfohlen, das ist aber etwa eben so, als ob mich beim Arbeiten das Wagenrasseln auf der Straße störte und ich mir nun ein paar nimmer rastende Trommelschläger vor die Thüre bestellte, damit ich jenes nicht mehr höre. Nein, Heimweh wie Seekrankheit will austoben und beiden muß man daher seinen ruhigen Lauf auch ruhig lassen.

      Nun wollen freilich Einige behaupten, das Eine schütze zugleich vor dem Andern, denn wer die Seekrankheit einmal recht ordentlich gehabt, der bekomme nie das Heimweh, oder verlange wenigstens nie heimzukehren, weil er sonst auch jener wieder zum Opfer fiele. Dem ist jedoch nicht so, das Heimweh kann sogar viel eher als eine fortgesetzte, als eine moralische Seekrankheit betrachtet werden. Es ist die Seele, die auf dem sturmgepeitschten fremden, ungewohnten Lebensmeer erkrankt und sich nun, obgleich der Körper durch jede mögliche Anstrengung, durch Beinespreizen und verzweifeltes Balanciren sein Aeußerstes thut dagegen anzukämpfen, nur immer und immer zurücksehnt nach dem festen Land, nach dem Vaterland.

      Einen Beweis hierzu liefert ebenfalls wenigstens der bessere Theil der Deutschen in Nordamerika. Dieser nämlich, obgleich vielleicht früher mit den Wörtern Preuße, Baier, Oestreicher, Sachse etc. vollkommen einverstanden, macht jetzt plötzlich keinen Unterschied mehr zwischen dem Rhein und der Donau – er fragt nicht mehr den Deutschen: aus welchem Lande kommst Du? das weiß er, das ist Deutschland; nein, aus welcher Gegend, und selbst die Frage geschieht nur, um vielleicht einen bekannten Ort genannt zu hören und sich an den lieben, ach lange entbehrten Lauten zu erfreuen. – Daher schreiben sich auch die, fast in allen amerikanischen Städten entstehenden Gesellschaften zur Bildung eines einigen Deutschlands in Amerika – Michel versucht ganz urplötzlich in einem total fremden Lande etwas, an das er zu Hause, wo es doch eigentlich hingehörte, mit keiner Sterbenssilbe gedacht hatte, und ärgert sich dann, daß er so wenig »Gemeinsinn«, wie er es nennt, daß er so wenig Anklang unter seinen Landsleuten findet.

      Alle diese Versuche sind ebenfalls nur ein Heimweh, das sich auf solche Art seine, tief im Herzen wurzelnde Bahn bricht – es ist das Andenken an liebe, früher so glücklich verlebte Stunden. Der Ausgewanderte will sich dadurch gewissermaßen glauben machen, er lebe noch in den alten, jetzt so schmerzlich vermißten Kreisen, und all das Fremde, Ungemüthliche, was ihn umgebe, sei nur die harte, bittere und keineswegs zum süßen Kern gehörige Schale, wie wir ja wohl vor den hereinbrechenden Winterstürmen Blumen und Blüthen mit in das wohnliche Zimmer flüchten und diese hegen und pflegen, daß sie uns noch recht lange den lieben Sommer erhalten sollen.

      Eine Weile geht das auch – die Keime sind noch frisch und kräftig, und wenn gleich draußen der eisige Nord das gelbe verwelkte Laub von den Zweigen reißt, so trotzen die warm gehaltenen Pflanzen lange und glücklich dem starren Vernichter. Nach und nach aber welken sie auch – die Zeit übt ihr Recht – der Winter greift durch jedes zufällig geöffnete Fenster, durch jede Ritze und Spalte herein, nach den armen Kindern einer anderen Sonne, und legt sie erbarmungslos in ihr dunkles Grab.

      Doch eines bleibt – eines ist, das der Hitze wie Kälte, der erstickenden Stubenluft wie dem vernichtenden Norde trotzt, das sich mit immer wieder neuen Schößlingen an Herz und Seele rankt und klammert, das frisch und fröhlich keimt, wenn auch draußen die ganze Natur erstarrt, wenn Alles unter weißer Leichendecke todt und begraben liegt, und das ist der Epheu – die Erinnerung an die Heimath, wenn auch die Heimath selbst, ach längst für uns gestorben scheint. In seinen lebensfrischen Blättern sehen wir uns eine neue Frühlingswelt erstehen – aus ihm bauen wir uns Lauben und Grotten – ihn flechten wir um unsere Sitze und zu ihm aufblickend trägt uns sein freundliches Grün zu der Zeit zurück, wo wir draußen im schattigen Wald mit den heißen Wangen den Thau von den Zweigen strichen, wo wir in der Heimath Das fanden, was uns jetzt nur noch, ein schwaches Bild ihrer selbst, geblieben.

      Es ist eine eigene Sache um das Heimweh, und ein dem vaterländischen Boden entrissener Mensch ist ebenfalls wie ein aus der Erde, die ihn erzeugte, genommener Baum; er stirbt vielleicht nicht ab im fremden Lande – die Wurzeln schlagen wieder aus, aber die feinen, zarten Theile derselben sind doch noch im alten Bett zurückgeblieben – die tausend kleinen, unbedeutenden Fasern wurden verletzt und getrennt, und wenn sie auch zu dem Leben des Baumes selbst nicht unbedingt erforderlich waren, so thun sie ihm doch recht weh, und ihr Verlust schmerzt noch lange nach.

      Ist es aber zur Erhaltung des ganzen Baumes nöthig, daß er in anderen Grund und Boden komme, dann sind eben diese Fasern nur Nebendinge, auf die man nicht Rücksicht nehmen darf und kann – es thut ja auch weh, sich einen Zahn ausnehmen zu lassen, und doch unterzieht man sich dem Schmerz, um künftig Ruhe zu haben und sich wohler zu befinden. So leben wir denn ebenfalls jetzt in einer Zeit, wo die Bevölkerung einzelner Länder mit Dem was sie selbst erzeugen kann, in keinem Verhältniß mehr steht, und entweder muß ein Theil, nach Vorbild der Bienen, schwärmen, oder der ganze Stock Noth und Mangel leiden.

      Früher geschah das erstere durch sich selbst; die Völkerwanderungen bedurften eben keiner weiteren Anregung als der Ueberzeugung, daß der bisherige Aufenthaltsort für einen Stamm zu eng ward und die, überdieß nicht an die Scholle gebundenen Nomadenvölker zogen aus, in irgend einer anderen Himmelsrichtung ein besseres, ihrer großen Zahl mehr zusagendes Land zu finden. Jetzt aber fehlen jene ungeheueren, wenig bevölkerten und in der Nähe gelegenen Strecken, oder wo sie liegen, sind die politischen Verhältnisse der Art, daß Jemand, der erst einmal glücklich Sack und Pack zusammengeschnürt hat, gewiß nicht dorthin zieht; es werden daher Mittel erfordert, um einen uns nicht mehr ernährenden Wohnplatz zu verändern, die der Arme nicht besitzt; gleichwohl nimmt die Noth, besonders in einzelnen, übervölkerten Theilen unseres Vaterlandes, wie in den sächsischen, schlesischen und böhmischen Gebirgen, mit jedem Tage zu und mit allen gereichten Gaben ist immer kein Ende derselben zu ersehen, keine dauernde Hülfe zu erzwecken – es ist immer nur ein einzelnes Mahl, dem Hungrigen gereicht, und der morgende Tag wird ihn eben wieder so verschmachtend finden, als der gestrige ihn fand. Daher sollte denn auch der Staat, wenn er es wirklich gut mit den Armen meint, wenn er ihrer Noth wirklich abhelfen und sie nicht nur für den Augenblick durch eine Galgenfrist beschwichtigen will, die Auswanderung unterstützen und leiten. Unterstützen, so weit das in seinen Kräften steht, bedenken daß er in dem Läutern seiner eigenen Kräfte auch sein eigenes Blut reinigt von dem ungesunden Ueberfluß, der ihn zuletzt sonst selbst bewältigt, und nicht fürchten, daß die gesunden Arbeiter alle fortgehen und nur Greise und Krüppel zurückbleiben – denn wäre das wirklich der Fall, so könnte man dann noch immer die wenigen mit dem zehnten Theil dessen thätig unterstützen, was jetzt auch an die arbeitsfähigen, und zwar nur zur augenblicklichen Stillung ihres Hungers verwendet wird, ohne daß es ihre Leiden lindert, sondern sie bloß am Leben erhält.

      Aber auch leiten sollte der Staat die Auswanderung und zwar durch tüchtige Männer, die, vom Staate beauftragt, die Auswanderer nicht allein hinüber zu führen hätten in ihre neue Heimath, sondern die auch an Ort und Stelle die Gegenden aussuchen und alles Nöthige einleiten müßten, um ihnen wenigstens einen Anfang möglich zu machen, um ihnen die Gelegenheit zu geben, daß sie beweisen können, wie es ihnen wirklich Ernst ist, selbstständig durch die Welt zu kommen, und sie ihr altes Vaterland nicht allein nicht ganz vergessen, sondern auch mit Freundlichkeit statt mit bitteren Empfindungen daran zurückdenken. Die Zeit war wo wir eine Flotte hatten, – und unsere Nachkommen werden glauben, man erzählt ihnen ein Märchen, wenn sie die Geschichte derselben lesen – wir dürfen deshalb nicht daran denken, unsere ausgewanderten Freunde auch noch in fremden Welttheilen schützen zu wollen. Das edle Recht ist nur den Nationen vorbehalten, aber wir könnten ihnen dadurch doch auch beweisen, daß uns wirklich ihr Wohl am Herzen lag, als wir ihre Taxen und Steuern nahmen, daß wir sie wirklich, wie ihnen das hier oft genug vorerzählt wird, als Kinder des Staates betrachten und nicht als überflüssiges Material, als Kehricht, den man auf die Straße wirft, und von dem man froh ist, wenn ihn der Nachbar gelegentlich mit fortführt.

      Diese vom Staat Beauftragten sollten aber nicht, wie das bis jetzt stets der Fall gewesen, Männer sein, die, selbst unbekannt mit Amerika, hinübergehen, dort vielleicht ein halbes Jahr leben, flüchtige Erkundigungen

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