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in die Hand gestützt, sinnend am Fenster und sah gedankenvoll in den sonnigen Morgen hinaus.

      Sie ging leise zu ihm, legte ihren Arm um seine Schulter und sagte herzlich:

      »Guten Morgen, Eduard! Grübelst Du noch immer über den bösen Brief? Ach, mir thut's ja auch weh, Schatz, daß Du Deinen Vater verloren hast, wenn ich ihn auch nimmer gekannt habe, und wenn er so weit fort wohnte.«

      Benner zog sie nieder zu sich und küßte sie, dann sagte er leise:

      »Setz' Dich da her zu mir und lies einmal den Brief.«

      »Erst muß ich den Kaffee kochen,« wehrte aber die Frau ab, »denn wenn der kleine Schlingel nachher munter wird, läßt er mir keine Ruh', – komm', lies ihn mir derweil vor.«

      Benner seufzte tief auf.

      »Willst Du nicht?« fragte sie treuherzig.

      »Geh', Kind – thu' Deine Arbeit erst,« sagte der Mann, »wir müssen dann Ruhe haben, um Manches zu bereden.«

      Die junge Frau schüttelte mit dem Kopf – sie hatte nie geglaubt, daß ihr Mann so traurig über den Tod eines Vaters sein würde, dem er immer nur Lieblosigkeit und Härte vorgeworfen – aber doch freute sie's. »Er hat ein gutes, braves Herz,« sagte sie bei sich, »und nun der Alte gestorben ist, trauert er um ihn, als ob er den liebsten und besten Verwandten verloren hätte.«

      Aber nicht gewohnt, lange über irgend Etwas nachzugrübeln, ging sie rüstig an ihre Arbeit, und während sie den Kaffee kochte, besorgte sie auch das indeß aufgewachte Kind und trat dann mit diesem auf dem Arm, in der rechten das Brett mit dem Frühstück haltend, in's Zimmer zurück.

      Er nahm ihr das Kind ab und auf den Schooß, herzte und küßte es und setzte es dann auf den Boden nieder, um erst zu frühstücken. Während dessen wurde auch kein Wort gesprochen, denn die Frau wollte ihn absichtlich in seinen Gedanken nicht stören. Das war ein Schmerz, der eben austoben mußte, und wogegen keine Trostworte halfen. Hatte er seine bestimmte Zeit, so gab er sich von selber, und Sonnenschein kehrte wieder in das Herz des Menschen zurück, so oft auch noch dann und wann flüchtige Wolken vorbeigingen, und ihren Schatten darüber werfen mochten.

      »Und nun, Eduard,« sagte sie, als das Frühstück beendet war und Eduard seine Tasse zurückschob, – »laß mich den Brief haben, den ich lesen sollte, denn ich muß nachher gleich wieder an die Arbeit. Heute giebt's viel zu thun – nach dem letzten Regen wächst uns das Unkraut fast über dem Kopf zusammen, und man findet sich nachher gar nicht mehr durch.«

      Eduard reichte ihr das Schreiben, ohne ein Wort dabei zu sagen, stand dann auf und ging, während sie las, mit verschränkten Armen und raschen Schritten in dem kleinen Gemach auf und ab.

      Henriette studirte ein wenig an dem Brief, denn es dauerte einige Zeit, bis sie sich in die fremde Handschrift hineingefunden hatte, aber es ging doch zuletzt, und nur leise nickte sie manchmal mit dem Kopf oder schüttelte auch wohl, wenn ihr der Inhalt sonderbar erschien.

      Eduard unterbrach sie mit keiner Sylbe, aber dann und wann flog sein Blick wie scheu nach ihr herüber, als ob er fürchte, daß sie über irgend etwas erschrecken würde. Der Brief schien jedoch kein solches Gefühl in ihr hervorgerufen zu haben; sie blieb ruhig und unbefangen, und als sie geendet, faltete sie ihn wieder zusammen und sagte herzlich:

      »Deine Schwester muß ein recht braves Frauenzimmer sein, Eduard, sie schreibt gar so lieb und gut und meint's auch sicher so. Ich wollt', ich könnt' sie einmal sehen und ihr die Hand drücken. – Das muß ein schwerer Schlag für sie gewesen sein. Ist sie denn verheirathet?«

      »Ja.«

      »So – und wen hat sie? – Was ist ihr Mann?«

      »Ein Graf von Galaz.«

      »Ein Graf? Sieh mal an, da ist sie gewiß eine recht vornehme Frau – wer weiß, ob sie da Etwas von mir armem Ding wissen möchte, und es ist vielleicht recht gut, daß wir so weit auseinander wohnen.«

      »Und hast Du nicht weiter gelesen, Jettchen?«

      »Ei gewiß, Alles bis zum Ende, wo sie schreibt: Deine Dir ewig treue Schwester Alexandrine.«

      »Hast Du da nicht gelesen, daß sie mich bittet, der Erbschaft wegen nach Deutschland zu kommen?« sagte Eduard und sah erstaunt zu ihr auf.

      »Ei sicher – zweimal schreibt sie's ja sogar, aber was versteht so eine Frau davon; die hat wohl nimmer einen Begriff von der Reise, daß sie da meint, Einer könnte, der paar Thaler wegen, von daheim weg und über's weite Meer hin und zurück. Da kostete ja allein die Reise mehr, wie die ganze Sache vielleicht werth wäre. Laß sie's schicken; der Vater hat ja auch im vorigen Monat eine Erbschaft von 500 baaren Thalern geschickt gekriegt – wenn der deshalb hinüber gegangen wäre, nicht einen Pfennig davon hätt' er wieder mit zurückgebracht.«

      »Aber mein liebes Herz,« sagte Benner, »es handelt sich hierbei nicht um ein paar hundert Thaler, sondern um viele Tausende – um ein großes Vermögen, das mein Vater, der bei seinem jähen und unerwarteten Tod ohne Testament gestorben ist, nur seinen beiden Haupterben, mir und meiner Schwester, hinterlassen hat. Mehre Rittergüter sind dabei, viel baares Geld und Silber, liegende Gründe dazu, ein paar Häuser in der Residenz, und Gott weiß, was sonst noch für Dinge, die meine persönliche Gegenwart nicht allein meinet-, sondern auch meiner Schwester wegen dringend nöthig machen.«

      »Aber Du denkst doch nicht etwa daran, nach Deutschland zurückzugehen?« sagte Henriette, als ihr plötzlich der erste Gedanke an eine solche Möglichkeit kam, und fast unbewußt und erschreckt setzte sie das Kaffeegeschirr wieder auf den Tisch zurück, das sie eben aufgenommen hatte, um es hinauszutragen.

      »Es wird nicht anders zu ordnen sein, mein liebes Kind,« sagte Benner, während er an's Fenster trat und hinaussah. Er mochte in dem Moment seines Weibes Auge nicht begegnen.

      »Nicht anders zu ordnen sein, Eduard?« rief aber Henriette, und sie fühlte ordentlich, wie ihr jeder Tropfen Blut zum Herzen zurückströmte, – »und das sagst Du so ruhig und gleichmüthig, als ob es nur eine Trennung von wenigen Tagen wäre?«

      »Aber wie kann ich es ändern, Jettchen?« sagte Benner, indem er sich nach ihr umdrehte und selber über das Aussehen der Frau erschrak – »ängstige Dich doch nicht deshalb; all unsere Noth und Sorge und Arbeit hat ja auch jetzt dafür ein Ende, denn wir sind selber damit reich geworden – die Zeit geht ja auch vorüber.«

      »Wir waren so glücklich bei der Arbeit, Eduard!«

      »Ja, mein liebes Herz, aber wir werden jetzt noch glücklicher werden.«

      Die Frau hatte sich auf einen Stuhl gesetzt und faltete die Hände im Schooße – sie konnte nicht länger stehen, so zitterten ihr die Knie und selbst das Kind achtete sie nicht, das zu ihr hingekrochen war und an ihrem Kleid zupfte.

      »Noch glücklicher, Eduard?« sagte sie leise. »Oh, Gott weiß wie ich zu ihm gebetet habe, daß er uns so erhalten möge – noch glücklicher! – wir wollen nicht freveln, daß uns der Himmel nicht dafür straft und uns nimmt, was wir haben.«

      »Aber was für trüben Gedanken giebst Du Dich hin, mein Herz,« sagte Benner, – »anstatt daß Du Dich des neuen Glückes freuen solltest, klagst Du, als ob uns ein Unglück betroffen hätte. Ist das recht, oder selbst nur vernünftig?«

      »Und droht uns nicht ein Unglück, Eduard?« sagte die Frau weich. »Oh Herr Schrader hat es mir wohl oft gesagt: ein Jahr wird er bei Dir bleiben, vielleicht zwei, dann geht er fort, und Du sitzest mit Deinem Kinde allein in Australien.«

      »Schrader ist ein Esel,« sagte Benner ärgerlich, »der alberne Tropf sucht ordentlich was darin, den Leuten Unglück zu prophezeihen, und wenn Einer bei ihm ein Loth Brustthee holt, so zuckt er schon die Achseln und räth ihm, sich sehr in Acht zu nehmen, weil er sichtbare Anlagen zur Schwindsucht hätte.«

      Die Frau erwiderte nichts weiter, sie saß still und in einander gebrochen auf ihrem Stuhl und starrte vor sich nieder, und erst als der Kleine zu schreien anfing, weil sich die Mutter gar nicht um ihn kümmern wollte, hob sie ihn zu sich empor und drückte ihn leidenschaftlich an die Brust.

      »Sei vernünftig, Jettchen,«

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