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brach sie ohnmächtig zusammen.

      »Nun meine Herren, wer mich begleiten will« sagte der Capitain der wieder in seinen unbequemsten »geh zu Ufer« Kleidern, mit der »Schraube« auf dem Kopf an Deck stand und die Arme ausdehnte seinen Ellbogen nur einigermaßen Luft zu gönnen – »es ist Alles bereit.«

      »Mit dem größten Vergnügen Herr Capitain« rief der Doktor, der, von Herrn von Benkendroff und dem Professor gefolgt, voransprang, damit wenigstens nicht auf ihn gewartet würde. Henkel, eine breite Geldtasche umgehangen stieg langsam nach.

      »Aber wo ist Ihre Frau?« rief ihm Hopfgarten nach, »die sollten Sie doch jedenfalls mit an Land nehmen, und wenn es nur wäre einen kleinen Spatziergang auf festem Grund und Boden zu machen – die Landluft würde ihr auch gewiß gut thun.«

      Henkel gab eine ausweichende Antwort, und die Cajütspassagiere verließen, von ihren Zwischendecks-Reisegefährten beneidet, das Schiff.

      Die Nacht war indessen vollständig angebrochen, die Cajütslampe angesteckt und der Thee für die wenigen zurückgebliebenen Cajütspassagiere, während Herr Hopfgarten die Honneurs machte, servirt worden.

      »Aber Clara fehlt wieder« sagte Marie, von ihrem Sitze aufstehend, und an die Thür der Freundin tretend, an die sie mit dem Finger klopfte – »Clara, der Thee ist servirt, hast Du die Klingel nicht gehört?« —

      Keine Antwort.

      »Clara – bist Du wieder krank?« frug das junge Mädchen lauter und ängstlich – Alles blieb todtenstill in dem kleinen dunklen Gemach, und vorsichtig und leise die Thür öffnend stieß sie einen Angstschrei aus, als sie die Freundin ausgestreckt und besinnungslos auf dem Boden ihrer Cajüte liegen sah.

      Der Schrei machte aber sämmtliche Passagiere von ihren Sitzen aufspringen und zu ihr eilen, der Steuermann hakte rasch die in der Cajüte hängende Lampe aus und folgte, und während Marie und Anna die Ohnmächtige aufhoben, rief Hopfgarten:

      »Es ist nur ein Glück daß der Doktor nicht an Bord ist« und sprang, so schnell er konnte die Cajütstreppe hinauf in das Zwischendeck nieder, dort den jungen Arzt zu ersuchen einen Augenblick in die Cajüte zu kommen – gleichzeitig rief er Hedwig, ihrer Herrin beizustehen.

      Die Mädchen hatten indeß die junge Frau auf ihr Bett gelegt, und ihr das Kleid geöffnet als Georg Donner, von Hopfgarten eingeführt und von Hedwig gefolgt erschien und durch leichte Mittel die Kranke bald wieder zu sich brachte. Schwerer aber wurde es ihm zu bestimmen was ihr eigentlich fehle, denn ihr Blut ging ruhig, von Fieber war keine Spur, und ihr Blick doch so stier und dann wieder unstät, wie ängstlich und scheu nach Jemand forschend den sie zu suchen schien; das Antlitz dabei so todtenbleich, das Auge eingefallen und trüb, daß er zuletzt fast fürchtete diese Schwäche sei die Vorbotin einer größeren, schwereren Krankheit, die noch unausgesprochen in ihr ruhe. Er bat sie deshalb sich für jetzt nur ruhig in ihrem Bette, neben dem Hedwig die Nacht schlafen sollte, zu verhalten, ihm selber aber zu erlauben sie noch einmal nach Mitternacht zu besuchen etwaigen, dann vielleicht deutlicher ausgesprochenen Symptomen rasch begegnen zu können. Die übrige Gesellschaft ersuchte er die Kranke am Besten sich selber und der Sorge Hedwigs zu überlassen, und zog sich wieder, nach einem herzlichen Händedruck Hopfgartens, dem der junge Mann ungemein gefallen, in das Zwischendeck zurück.

      Capitel 3

      An Land

      Die Nacht war still vergangen, die Kranke aber erst mit anbrechender Dämmerung in einen ruhigen wohlthätigen Schlaf gefallen, in dem sie der junge Arzt unter keiner Bedingung gestört haben wollte. Dazu hätte es aber freilich keinen unglückseligern Tag an Bord geben können, wie gerade heute, wo das Schiff mit Tagesanbruch eben an Land gelegt werden sollte, und die damit verbundenen Arbeiten das ganze Fahrzeug bis in den Kiel hinab erschüttern machten. Jedenfalls mußte die Kranke je eher desto besser, an das Ufer geschafft werden, dort die nöthige Ruhe und Pflege zu erhalten, wo sich hoffen ließ daß sie sich auch bald erholen würde, und Georg Donner beschloß deshalb selber mit Herrn Henkel zu reden, sobald dieser zurück an Bord kommen würde.

      Das geschah bald nach Sonnenaufgang und Henkel, der aber sehr ruhig über den Fall und fest überzeugt schien, daß es als ein leichtes Unwohlsein bald vorüber gehen würde, versicherte ihn er habe schon ihr Quartier und Alles in Ordnung gebracht, und gab ihm dabei zu verstehn daß ein sehr intimer Freund von ihm einer der ausgezeichnetsten Ärzte der Stadt sei, der, sollte das Unwohlsein wirklich bedeutendere Folgen haben, mit den klimatischen Verhältnissen hier bekannt, die Kranke bald wieder herstellen würde. Übrigens dankte er ihm für die seiner Frau geleisteten Dienste und schien einen Augenblick sogar unschlüssig ob er ihm ein Honorar dafür anbieten dürfe oder nicht; Donner jedoch, der etwas Ähnliches fürchten mochte, und zu stolz war seine Hülfe weiter aufzudrängen, schnitt die Unterredung kurz ab, und rüstete sich jetzt selber so rasch als möglich das Land betreten zu können.

      An Bord herrschte indessen ein reges, geschäftiges Leben. Schon mit Tagesanbruch hatten die Seeleute den Anker gelichtet und zu gleicher Zeit mit dem Boot ein Tau nach dem nächst liegenden Schiff gebracht, wohin sie sich jetzt mit dem vorderen Gangspill bugsirten, und um acht Uhr etwa lag die Haidschnucke mit ausgeschobenen und wohl befestigten Planken, ihre Fracht und Passagiergüter bequem ausladen zu können, dicht an der Levée – ein Platz den ich dem Leser später näher beschreiben werde – und der Vorstadt von New-Orleans, dem zum großen Theil von Deutschen bewohnten Lafayette gerade gegenüber. Etwa zwanzig Schritt unterhalb, an derselben Stelle lief zu gleicher Zeit das Hamburger Schiff an, das mit ihnen zugleich, und von einem Dampfer geschleppt, aus dem Golf von Mexico heraufgekommen war. Welche Mühe hatten sich die Passagiere dabei vorher gegeben dieß Schiff zu betreten; wie hatten sie den Steuermann und Capitain gequält, und als es ihnen die nicht erlaubten, geflucht und geschimpft. Jetzt hätten sie es ungemein bequem haben können, ihre halben Reisegefährten zu besuchen – jetzt, wunderbarer Weise, dachte aber Niemand von ihnen mehr daran, auch nur mit einem Schritt hinüber und an Bord zu gehn, und Jeder drängte und trieb nur, hinauszukommen an Land, Amerika erst einmal unter den Füßen zu fühlen, und sich dem wohlthuenden Bewußtsein hingeben zu können endlich – endlich, nach allen ausgestandenen und erlittenen Drangsalen und Beschwerden das heiß ersehnte Ziel erreicht zu haben.

      Ein Theil der Männer hatte sich übrigens schon mit Tagesanbruch, und zwar mit dem Boot welches das Tau an Bord des anderen Schiffes brachte, an's Ufer setzen lassen die dortigen Verhältnisse von einzelnen, gewiß anzutreffenden Landsleuten zu erfahren, und sich gleich zu erkundigen ob nicht irgendwo in der Nähe Arbeit zu bekommen wäre. Sie mußten doch erst einmal ein Unterkommen für die Familie und ihr Gepäck haben, wonach sie sich dann weiter und bequemer umschauen konnten. Unter ihnen waren die Oldenburger, (die besonders drängten und trieben, damit ihnen »die von dem Hamburger Schiff« nicht zuvorkämen) Steinert, Löwenhaupt, Rechheimer, Wald und Eltrich, der ebenfalls ein Quartier für seine kleine Familie zu suchen hatte, da er beabsichtigte New-Orleans zu seinem nächsten Wohnsitz und Aufenthalt zu wählen, und noch einige der Handwerker und Bauern an Bord. Sie wollten die Zeit benutzen, bis ihre Sachen gelandet werden konnten.

      Es war noch die frühste Morgenstunde, nichts destoweniger schwärmte die Levée5 schon – da in dem warmen Klima fast alle Geschäfte Morgens beendet werden, von thätigen Leuten, die sich Alle in größter Eile durcheinander drängten, und die Neugekommenen kaum eines Blickes würdigten. Schwergepackte zweirädrige und eigenthümlich gebaute Karren, mit einem kräftigen Pferd bespannt, zogen in fast ununterbrochener Reihe den verschiedenen Schiffen zu oder in die Stadt hinein, und abgeladene trabten, mit dem Führer vorn darauf stehend, rasch wieder zurück, neue Fracht zu holen. Kleine einspännige Milchkarren, mit einer Masse blechener Kannen bepackt, rasselten über das Pflaster; wunderhübsche Mulatten, und Quadroonmädchen, schlank und voll gewachsen, mit elastischem Gang, ein buntfarbiges Tuch kokett um das dunkle Haar geschlagen, boten Blumen und Früchte aus; Männer und Knaben, mit Körben und kleine Glaskasten umgeschnallt in denen eine Masse verschiedener Kleinigkeiten zum Verkauf auslagen, standen an den Ecken oder wanderten an den Schiffen entlang, ihre Waaren mit ungemeiner Zungenfertigkeit und meist in einer schauerlichen Mischung von Englisch-Französisch und jüdischem Deutsch feil bietend.

      Dann die Kaufläden, die wunderlichen großen

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<p>5</p>

Die Levée von New-Orleans ist von New-Orleans selber nicht zu trennen, denn sie macht den Hauptbestandtheil der Stadt aus und ist ihr einziger Schutz gegen den oft 12-15 Fuß höher steigenden Strom. Das ganze Ufer des Mississippi ist nämlich so niedrig, und war den jährlichen Überschwemmungen des gewaltigen Stromes so ausgesetzt, daß die Ansiedler, das werthvolle Land urbar zu erhalten, einen hohen Damm am ganzen Ufer des Stromes hin errichten mußten. Die Franzosen, unter deren Regierung dieser Damm besonders angelegt wurde, gaben ihm den Namen Levée, den die Amerikaner später adoptirten, und die Levée von New-Orleans, die jetzt an der ganzen Stadt über acht Engl. Meilen weit herunter läuft ist, mit einer durchschnittlichen Breite von 100 Fuß und 15 Fuß über niedriger Wasser-Höhe angelegt, ein eben so langer Landungs- und Stapelplatz der ungeheuren Waarenmassen, die dort täglich aus dem Inneren und für das Innere bestimmt, gelandet und geschifft werden, und läuft nach der Stadt zu in einem sanften Abhang nieder, während nach dem Strom hin, wo dieser selber eine nicht unbedeutende Strecke neuen Alluviallandes angespühlt hat, hie und da schon hölzerne Werfte errichtet werden mußten, die Waaren trocken und leicht landen zu können.