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Tage, dem erhofften Wiedersehn entgegenharrend, fühlte, und suchte deshalb zeitig ihr Lager. Charley Fischer versprach ihr übrigens sie wecken zu lassen, wo sie das Frühstück bereit finden und immer noch zeitig genug zur ersten Fähre kommen sollte. Der Fuhrmann hatte dabei zugesagt, bei seinem Hause, wo er überdies seinen gewöhnlichen Morgentrunk nahm, vorzufahren, und eine Versäumniß war deshalb gar nicht möglich.

      Der Morgen kam; die Sachen wurden vor das Haus geschafft, die beiden kleinen Kisten besonders mit wieder und wieder empfohlener Vorsicht, da sie zerbrechliche Sachen enthielten, Fräulein von Seebald hatte ihre Reisetoilette wie ihr Frühstück beendet, ihre nicht übermäßige Rechnung bezahlt, ein Glas Brandy und Zucker, das ihr ihr freundlicher Wirth auf das hartnäckigste gegen die rauhe Morgenluft aufzudringen suchte, wieder und wieder verweigert, der Wagen kam, die Sachen wurden aufgeladen, und Charley Fischer ließ es sich nicht nehmen Fräulein von Seebald seinen Arm zu reichen und sie zur Fähre hinunter zu begleiten.

      Allerdings hätten die beiden Figuren nach unseren deutschen Begriffen vielleicht ein wenig wunderlich zusammen ausgesehen, und Fräulein von Seebald selber fühlte sich auch so unbehaglich als möglich in der Begleitung, die sie nicht gut verweigern konnte. Die Dame nämlich war ganz modern, ja sogar modisch angezogen, mit einem hellen Kleid von roher Seide, und feinem Strohhut, und einer dunkelrothen seidenen Schärpe um, während Charley dagegen in einem etwas sehr kurzen und auch nicht übermäßig reinen leinenen Röckchen prangte, unter dem ein paar ebenfalls etwas kurze gestreifte wollene Hosen hervorsahen. Er trug dabei Schuh und gelbwollene Strümpfe oder vielmehr Socken, die nicht oben blieben wie er erklärte, er mochte dagegen thun was er wollte, und der alte Strohhut deckte noch immer seinen Scheitel, wie auf dem Schiff; nur ein reines gelb und roth gestreiftes Hemd hatte er heute Morgen angezogen, und ein saftblaues seidenes Tuch darum geknüpft. In Amerika fällt etwas derartiges aber nicht auf; man sieht sogar, selbst in den größten Städten, die Damen sehr häufig an dem Arm eines Herrn, der in kurzer weißleinener Jacke geht, in Sammet und Seide nebenher rauschen; das Kleid macht dort nicht den Mann, sondern der Mann das Kleid.

      Nichts destoweniger und trotz der frühen Morgenstunde war Fräulein von Seebald fest davon überzeugt, daß die Augen sämmtlicher Einwohner von Little Rock, an deren Fenstern sie vorüber gingen, in Spott und Neugierde auf sie geheftet wären, und dankte ihrem Gott, als sie das Fähr- oder Ferryboot endlich erreichten, wo sich Herr Charley Fischer auf das Angelegentlichste von ihr verabschiedete, wie sie auch ersuchte, ihn ihrer Frau Schwester, wenn auch unbekannter Weise, freundlichst zu empfehlen.

      Die kleine Fähre dampfte über den ziemlich breiten Strom, auf dem noch der leichte Morgennebel in dünnen, hie und da von einem blitzenden Sonnenstrahl getheilten Schwaden lag, und auch den gegenüberliegenden Uferrand bedeckte. Nur eine Reihe niederer, hellangestrichener, viereckiger Holzhäuser wurden da sichtbar, die mit riesigen Schilden bedeckt, und wenn das möglich gewesen wäre, verunstaltet, den oberen Rand der steilen Uferbank krönten, und wieder ihrerseits von den hohen majestätischen Wipfeln riesiger Baumwollenholzbäume überragt wurden. Diese kleine Stadt hier, die dem wachsenden Little Rock ihren Ursprung verdankte, bestand fast einzig und allein aus Schenkständen – sogenannten »groceries und provision stores,« in denen, neben allen möglichen Lebensbedürfnissen, die spirituösen Getränke den Hauptbestandtheil bildeten; aber sie sah neu und häßlich aus, wie eine Schachtel frisch ausgepackter Nürnberger Spielwaaren in eine Reihe gestellt, über die der darüber wohnende Urwald den Kopf schüttelte, und seufzend dabei den Krebsschaden erkannte, der sich weiter und weiter in seine Seite fraß.

      Fräulein von Seebald, von den Leuten an Bord neugierig betrachtet, die eine einzelne und dabei so elegant gekleidete fremde Dame nicht so oft und früh zwischen sich sahen, hüllte sich übrigens, ohne mit irgend Jemand zu verkehren, fester in ihren Shawl – die Morgenluft wehte frisch und kühl über den Strom – und schaute unverwandt nach dem andern Ufer hinüber, dem sie rasch entgegenstrebten.

      Ha, was war das? – unten am Strand – dicht unter der hohen steilen, wohl sechzehn Fuß schroff emporsteigenden Lehmbank, und bis jetzt von dem tief streichenden Nebel verdeckt, der sich, wie sie dem Lande näher kamen, theilte, oder doch durchsichtiger wurde, breitete sich eine Scene vor den erstaunten Blicken der jungen Dame aus, wie sie ihre kühnste, romantische Phantasie nur im Stande gewesen wäre herauf zu beschwören.

      »Indianer!« rief sie fast unwillkürlich laut aus, denn das ganze Ufer dort war bedeckt, belebt von einem wilden Schwarm brauner, halbnackter Gestalten, die theils unter niederen ledernen Zelten, theils nur an kleinen Feuern campirt haben mußten. Pferde wieherten und galopirten am Ufer hin, Kinder sprangen und jauchzten in und neben dem Wasser, an dem sie badeten und spielten, Frauen kochten oder trugen Holz herbei, das andere oben von der Uferbank herunter warfen, und die Männer saßen theils still und theilnahmlos an den Feuern, ihre Pfeife rauchend, oder standen am Ufer, die Ankunft des Dampfers zu erwarten.

      »Leben hier noch Indianer?« frug Fräulein von Seebald erstaunt einen der neben ihr stehenden Leute, der auf dem das Deck umschließende Lattengitter lehnte, und ebenfalls nach den Eingeborenen hinüber schaute.

      »Nein, Madame!« sagte der Mann, ohne seine Stellung zu verändern, »Gott sei Dank, daß wir die Rothfelle los sind; würden uns weiter Nichts als Teufels-Eier in die Nester legen. Hole sie alle mit einander der Böse.«

      »Aber was thuen diese hier?«

      »Die da? – die wandern aus – das sind Seminolen, die Onkel Sam6 nach dem Territorium schickt, sich dort mit ihren Kameraden, den Creeks und Cherokesen, den Chocktaws und Kickapuhs und wie sie alle heißen, so gut zu vertragen wie sie eben können – oder noch besser, sich einander die Hälse abzuschneiden – das Gescheuteste, was sie auf der Gottes Welt thun könnten.«

      »Sie lieben die Indianer nicht.«

      »Ich? – nein, da ist der Himmel mein Zeuge – habe auch eben keine Ursache dazu, und weniger Lust – wenn ich etwas wüßte, die ganze Race mit einem Schlag von der Erde zu vertilgen, ich thät's.«

      Der Mann richtete sich dabei aus seiner Stellung auf und ging langsam an die andere Seite des Decks, als ob er die rothen Männer nicht einmal anschauen wollte, so lange er's verhindern konnte. Er sah dabei so finster und erbittert aus, daß Fräulein von Seebald froh war, seiner unheimlichen Gesellschaft bald enthoben zu sein.

      Das Boot legte indessen an seinen gewöhnlichen Landungsplatze, einem dort befestigten riesigen flachgedeckten Boote, auf das Geschirre und Pferde leicht hinaus oder an Bord gebracht werden konnten, an, und die Indianer, besonders die Kinder, halb scheu, halb neugierig den Platz umdrängend, sammelten sich dort, die fremden weißen Männer und Frauen aussteigen zu sehen. Die Kinder gingen fast sämmtlich nackt, die Erwachsenen aber trugen ein Tuch um die Hüften, und meist ein ledernes oder kattunenes Jagdhemd, die Haare dabei in einen Büschel gebunden, Einzelne mit Zierrathen, zwei mit einer Adlerfeder darin. Nur die Frauen hielten sich schüchtern zurück bei ihren Lagerfeuern, und schauten kaum um nach dem rasch den Dampf auspuffenden Boot, oder den weißen Leuten – sie hatten davon genug gesehen, mehr als ihnen wohl lieb war, und waren von ihnen aus der Heimath vertrieben und einem fremden unbekannten, kalten Lande zugeführt – wie konnten sie sich da an den verhaßten Wesen freuen. Auch die Männer schauten still und finster drein, und wo sie Einer der Weißen anredete, drehten sie sich mürrisch ab von ihnen und schritten ihrem Lager wieder zu.

      Es waren edle, kräftige Gestalten unter ihnen, Manche mit schweren, kaum geheilten Wunden auf der breiten braunen Brust, und wacker schlugen sich auch diese Krieger in ihrem Vaterland, jeden Fußbreit Boden den weißen Eindringlingen mit Tomahawk und Büchse streitig machend; ja noch Jahre lang würden die Bleichgesichter, die sie oft mit blutigen Köpfen heimgeschickt und in deren Lager selbst sie so manche Nacht den Schlachtschrei getragen und die nackte Brust keck und todtesmuthig den Bayonetten entgegenwarfen, ihre Truppen vergebens gegen sie geführt haben, hätten sie dem Verrath so gut begegnen können wie der blanken Waffe. Aber ihr Häuptling fiel – der wackere Osceola, von den Amerikanern gegen Krieg und Menschenrecht verrätherisch gefangen genommen, wo er dem Wort des weißen Mann's vertraut, starb elend im Gefängniß – andere Häuptlinge wurden übergekauft, und das Banner der Staaten fügte einen blutigen Stern zu seinen weißen.

      »Nun

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Vereinigten Staaten.