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während er einem der mit Erfrischungen herumgehenden Diener ein Glas Limonade abnahm – »in welcher Beziehung Director Sarno seine Pflicht versäumt haben kann, Senhora; so lange ich mich aber in der Colonie aufgehalten, kann ich ihm nur das rühmlichste Zeugniß geben, da er sich der Einwanderer mit wahrhaft eisernem Fleiße angenommen. Sarno scheint mir ein sehr tüchtiger Mann, und besitzt außerdem auch die nöthige Energie, etwaigen Übergriffen fest entgegen zu treten.«

      »Energie!« lächelte die Dame; »er ist der reine Unterofficier, und wir haben von der ganzen Colonie Klagen auf Klagen hören müssen, die zuletzt selbst die Geduld eines Heiligen ermüden könnten!«

      »Klagen über Sarno?« sagte Günther erstaunt.

      »Sie glauben es wohl etwa nicht?« lachte die Dame, indem sie ein Papier von dem nächsten Tische nahm; wollen Sie so gut sein und das einmal lesen.«

      Günther nahm das Papier und überflog es flüchtig. Es waren in der That eine Menge Anklagen gegen den Director, in denen besonders sein rauhes und rücksichtsloses Betragen »gegen den gebildeten Theil der Gesellschaft« hervorgehoben und zuletzt gebeten wurde, den Director seiner Stelle zu entheben und einen würdigeren dafür hinzusenden. Unterschrieben war das Document von einer Anzahl ihm unbekannter Namen: einige davon kannte er aber doch, und unter den erstgezeichneten standen die Frau Gräfin Baulen, Baron Jeorgy, Pastor Beckstein und Arno von Pulteleben. Ein Name besonders fiel ihm seiner Kürze und Anspruchslosigkeit wegen auf: Bux, Künstler.

      »Nun,« sagte die Dame, während er das Papier langsam wieder zusammenfaltete und zurückgab, »was sagen Sie nun?«

      »Daß es in jeder Colonie eine Menge unzufriedenes Volk giebt,« erwiederte Günther, »das sich mit keinem Director wird befreunden können, es sei denn, er befriedige alle ihre Wünsche. Ich halte Sarno für den passendsten Mann für einen solchen Posten, den Sie in ganz Brasilien finden könnten.«

      »O, Sie sind wahrscheinlich ein besonderer Freund von ihm!« lachte die Frau Präsidentin.

      »Ich weiß nicht, ob ich auf den Titel Anspruch machen darf,« sagte Günther ruhig; »bei meinem Aufenthalt in Santa Clara habe ich mit dem Director allerdings freundschaftlich, aber nur in meinen Geschäften verkehrt. Wen auch immer ich aber über ihn gesprochen, war der Meinung, daß er für die Stelle passe.«

      »So?« lächelte die Dame geringschätzig – »freilich die Bauern müssen das am Besten beurtheilen können. Was halten Sie aber von einer Colonie, in der Gewaltthätigkeiten, Raub und Plünderung zu den allergewöhnlichsten Dingen gehören?«

      »Von einer solchen Colonie würde ich sehr wenig halten, gnädige Frau,« lächelte Günther – »ich kann aber doch nicht vermuthen, daß Sie glauben ein solches Verhältniß finde in Santa Clara statt; denn während der fünf Wochen, die ich mich dort aufhielt, ist nichts dem Ähnliches vorgefallen, und ich habe sogar nicht einmal von einem einzigen solchen Falle sprechen hören – eine Entführungs-Geschichte ausgenommen.«

      »Wenn Sie im Wald bei Ihrer Arbeit waren, mein lieber Herr von Schwartzau,« mischte sich Herr von Reitschen in das Gespräch, »so ist es wohl erklärlich, daß Sie die einzelnen Vorfälle in der Stadt selber nicht beachten konnten. Sie hatten dafür zu viel zu thun. Der Herr Präsident hier hat aber so authentische Nachrichten über derartige wirklich geschehene Dinge erhalten, daß sogar der Entschluß gefaßt ist, mit diesem zurückgehenden Dampfer Militär nach Santa Clara zu schicken.«

      »Militär nach Santa Clara?« rief Günther erstaunt – »eingeborene Soldaten, um etwa einmal eine gelegentliche Streitigkeit zwischen den Deutschen zu schlichten? Das ist denn doch wohl nur ein Irrthum!«

      »Nicht allein der Streitigkeiten wegen, lieber Freund,« mischte sich hier der Präsident in die Unterhaltung, obgleich ihm das Sprechen schwer zu werden schien; »es sollen sich auch neuerdings wieder Indianer in der Nachbarschaft gezeigt haben, und es ist immer besser, bei Zeiten Vorkehrungen zu treffen, damit man sich nicht später Vorwürfe über eine versäumte Pflicht zu machen habe.«

      »Aber, bester Herr,« versicherte Günther, »Sie scheinen da wirklich ganz falschen Bericht über die Colonie erhalten zu haben, denn ich gebe Ihnen mein Wort, daß auch nicht die Spur einer Gefahr von Indianern für Santa Clara existirt. Habe ich ja doch vor kurzer Zeit selbst drei Monate an dem noch viel weiter im Innern gelegenen Chebaja zugebracht, und selbst da hat man seit Jahren Nichts mehr von den Wilden gehört oder gar einen von ihnen zu sehen bekommen.«

      »Wenn Sie von ihnen hören oder sie sehen, ist es nachher gewöhnlich zu spät, sich noch gegen sie zu schützen,« sagte der Präsident. »Übrigens glaube ich selber…« Ein heftiger Hustenanfall unterbrach ihn, und die Frau Präsidentin sagte:

      »Die Colonisten können meinem Mann nur dankbar sein, daß er selbst im Voraus für ihre Sicherheit sorgt.«

      »Ich zweifle ja keinen Augenblick,« erwiederte Günther, »daß der Herr Präsident alles Das mit der besten Absicht angeordnet hat; glauben Sie aber mir, Senhora, der ich schon viele dieser deutschen Colonien nicht allein gesehen, sondern genau kennen gelernt habe, die brasilianischen Soldaten dieser Districte, von denen selbst die besten wenig mehr als Gesindel sind, vertragen sich nicht mit den Colonisten, und wenn sie noch so gute Officiere haben; häßliche Reibereien können nie und nimmer vermieden werden.«

      »Ich glaubte, Ihre Bewohner von Santa Clara wären so friedfertiger Natur?«

      »Kleine Häkeleien fallen bei allen Nationen vor,« sagte Günther achselzuckend, »besonders aber bei den Deutschen, und es gehört nur ein verständiger und entschiedener Mann dazu, der entweder gütig vermittelt, oder auch einmal im Nothfalle ein Machtwort spricht, und den haben die Leute jetzt, wie ich fest glaube, an dem gegenwärtigen Director Sarno.«

      »Ja, der sie im Nothfalle die Treppe hinunter wirft, nicht wahr,« sagte die Frau Präsidentin, »und sich mit den einzelnen Colonisten selber sogar prügelt!«

      »Aber, gnädige Frau…«

      »Lassen Sie es gut sein,« unterbrach ihn die Dame. »Über geschehene Dinge ist es nicht nöthig viele Worte zu verlieren, und daß sie eben nicht wieder geschehen, dafür hat mein Mann Sorge getragen. Ob der Director auch daran schuld ist, daß selbst Streit und Unfrieden fast in allen Familien herrschen und Frauen gezwungen sind, wie das selbst vorgekommen, bei den Brasilianern Schutz gegen die Mißhandlungen daheim zu suchen, weiß ich nicht, es bleibt sich jetzt aber auch gleich. Einem solchen Zustande mußte abgeholfen werden, und ich stelle Ihnen hiermit in einem Landsmanne von Ihnen, dem Herrn Baron hier, unsern neuen Director der Colonie Santa Clara vor.«

      Wieder stand Herr von Reitschen auf und verbeugte sich höflich gegen Herrn von Schwartzau, und diesem kam es fast so vor, als ob dabei ein leises, spöttisches Lächeln um seine Lippen zucke. Er neigte sich auch nur leicht gegen ihn und sagte:

      »Ich stehe der Sache allerdings zu fern, um auch nur ein einiger Maßen werthvolles Urtheil in dieser Angelegenheit fällen zu können, und hoffe nur, daß Herr von Reitschen im Stande sein wird, allen jenen furchtbaren Übelständen abzuhelfen, die er, dem Anscheine nach, in der unglücklichen Colonie vorfinden soll. Was aber den einen Fall anbetrifft, auf den Sie eben anspielten, gnädige Frau – ich meine den, wo eine deutsche Frau gezwungen war, bei einem Brasilianer Schutz zu suchen – so bin ich zufälliger Weise ganz genau davon unterrichtet, und habe sogar die Klage des Directoriums gegen jenen würdigen Brasilianer für den Herrn Präsidenten mitgebracht. Jener Lump…«

      »Entschuldigen Sie einen Augenblick,« unterbrach ihn die Dame rasch – »Sie erinnern sich doch, daß ich Ihnen den Betheiligten, Dom Franklin Brasileiro Lima hier, als meinen Gast mit vorstellte – oder haben Sie es vielleicht überhört? Erlauben Sie, daß ich es wiederhole: Dom Franklin, Herr von Eswartsau. – Bitte, fahren Sie fort – Sie sprachen von dem Ehemanne, der seine Frau mißhandelt hat, nicht wahr?«

      Die übrige Gesellschaft, der das Wohl oder Wehe der deutschen Colonie nicht im Geringsten am Herzen lag, hatte sich unterdessen unter einander unterhalten und einer der Herren eine auf dem Clavier liegende Guitarre aufgenommen, mit der er halblaut eines der kleineren brasilianischen Lieder begleitete. Nur Dom Franklin war dem Gespräche, ohne jedoch den Kopf nach Günther umzudrehen, mit Spannung gefolgt, und während

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