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Geist los zu werden, der ihn rastlos quälte. Er war zu unruhig, um zu überlegen, daß er vielleicht einen Teufel vertreibe durch Beelzebub, der Teufel Obersten. Er klingelte nach seinem Wagen und sagte vornehm: »In einer Stunde sollen Sie das Geld haben.«

      Ehrenthal dankte in seiner feurigen Weise für diese große Gefälligkeit, schrieb auf der Stelle einen wohlverclausulirten Sola-Wechsel über die Pfandbriefe und empfahl sich mit einer Unterthänigkeit, die sehr gegen das stolze Kopfnicken des Freiherrn abstach.

      Seit diesem Tage lebte der Freiherr in banger Erwartung. Immer mußte er an die Unterredung mit dem Händler denken. Wenn er am Theetisch neben seiner Gemahlin saß und über Theater und Concert geplaudert wurde, irrte seine Seele ruhelos zwischen den Lücken der Holzklaftern umher oder wurde von langen rollenden Mastbäumen gedrückt; und wenn er die Arbeitsbücher seiner Tochter durchsah, so starrten ihm auf dem Deckel und am Rande zahlreiche Gesichter Ehrenthals entgegen, und jedes lachte ihn höhnisch an. So oft er auf seinem Jagdpferd ausritt, richtete sich der Kopf des Pferdes nach dem Strom, und mit finsterm Blick sah der Reiter auf die gefrorene Fläche hinab, sah die Eisschollen stromabwärts treiben und das hohe Frühlingswasser bis an die Steine des Randes fluthen.

      Ehrenthal hatte sich lange nicht sehen lassen. Endlich, an einem sonnigen Morgen erschien er mit seinen unvermeidlichen Bücklingen, zog ein großes Packet aus der Tasche und rief triumphirend: »Herr Baron, das Geschäft ist gemacht! Hier sind die Pfandbriefe zurück und hier sind zweitausend Thaler als der Gewinn, welcher auf Sie fällt.«

      Die Hand des Freiherrn griff hastig nach dem Packet. Es waren dieselben weißen Pergamente, die er mit schwerem Herzen aus der Cassette hervorgeholt hatte, und außerdem ein Bündel Cassenscheine. Diesmal hörte der Freiherr kaum auf den Wortschwall des Händlers, eine Last fiel ihm vom Herzen, er hatte seine Pfandbriefe wieder, und der Ausfall in seinen Finanzen war gedeckt. Ehrenthal wurde gnädig entlassen, die Pergamente eingeschlossen, und der Freiherr durfte sich heute keinen Zwang anthun, um ein liebenswürdiger Gesellschafter zu sein. Noch an demselben Tage kaufte er der Baronin einen Schmuck von Türkisen, den sie lange im Stillen gewünscht hatte.

      Seit dem Tage war im Hause des Freiherrn heller Sonnenschein, und wenn es eine Erinnerung an die letzten Wochen gab, so äußerte sie sich nur in Kleinigkeiten. Der Kopf des Halbblutes vermied seit diesem Tage den Strom eben so sehr, als er ihn früher gesucht hatte, und wenn der Reiter auf der Straße von Herrn Ehrenthal gegrüßt wurde, so regte sich wieder ein lebhafter Widerwille gegen den glücklichen Geschäftsmann in seiner Seele, und sehr nachlässig war der Gegengruß, welchen er von der Höhe des Rosses zurückgab.

      Aber noch ein dunkler Schatten aus der letzten Vergangenheit sollte über den Freiherrn fallen. Er las in dem Zimmer seiner Frau die Zeitung, als sein Auge auf einen Steckbrief fiel, durch welchen ein verschwundener Holzhändler wegen betrügerischen Bankerotts verfolgt wurde. Er legte das Blatt weg, ein kalter Schweiß trat ihm auf die Stirn. Und er, der furchtlose Cavalier, nahm das Zeitungsblatt vom Tisch fort und versteckte es tief unter die Bücher seines Arbeitstisches. Wenn der Betrüger derselbe Mann war – Ehrenthal hatte ihm keinen Namen genannt – aber wenn er, der Edelmann, durch sein Geld und seinen Gewinn fremde wohlbegründete Ansprüche verkürzt hatte; wenn er Gehülfe eines Betrugs geworden war, und wenn er für diese Hülfe bezahlt worden war – diese Gedanken waren fürchterlich für sein stolzes Herz. Der Herr ging in der Stube auf und ab und rang die Hände; er eilte zum Schreibtisch, um den Gewinn einzupacken und fortzuschaffen, er wußte selbst nicht wohin, sich von der Seele, weit weg aus seinem Hause. Mit Bestürzung sah er, daß nur noch ein kleiner Theil des Gewinns vorhanden war. Wie gelähmt setzte er sich an den Tisch und legte den Kopf auf seine Hände. Es war etwas in ihm entzwei gegangen, das fühlte er, und er fürchtete, für immer. Heftig sprang er wieder auf, riß an der Klingel und ließ Ehrenthal zu sich fordern.

      Zufälliger Weise war der Händler verreist. Unterdeß sprachen dem Freiherrn die freundlichen Stimmen, welche in der Menschenbrust mit klugen und gewählten Worten alles Bedenkliche in ein gutes Licht zu setzen wissen. Wie war die ganze Angst so thöricht! Es gab viele hundert Leute am Oberlauf des Stromes, die mit Holz handelten, es war ja sehr unwahrscheinlich, daß gerade jener Betrüger der Mann Ehrenthals sein sollte. Und selbst in diesem Fall, wie groß war sein eigenes Unrecht bei dem ganzen Ereigniß? Klein, sehr klein, für einen Geschäftsmann nicht zu erkennen. Ja selbst Ehrenthal, was konnte er dafür, wenn der Verkäufer das Geld zu einem Betrug verwandt hatte? Es war doch Alles ehrlich und gesetzlich gekauft worden. – So sprach es fortwährend begütigend in dem Freiherrn, ach, und welche Mühe gab sich der Herr, all diese Stimmen recht deutlich zu hören.

      Als Ehrenthal endlich ankam und hastig zum Freiherrn eilte, trat ihm dieser mit einem Gesicht entgegen, das den Händler wirklich erschreckte. »Wie heißt der Mann, von dem Sie das Holz gekauft haben?« frug der Freiherr heftig an der Thür.

      Ehrenthal stand betroffen, auch er hatte seine Zeitung gelesen und verstand, was in der Seele des Edelmanns vorging. Er nannte einen beliebigen Namen.

      »Und wie hieß der Ort, wo das Holz lag?« klang die zweite Frage etwas ruhiger. Herr Ehrenthal nannte einen beliebigen Ort.

      »Ist das Wahrheit, was Sie mir sagen?« frug der Freiherr tief aufathmend zum dritten Mal.

      Da Herr Ehrenthal sah, daß er einen Kranken vor sich hatte, so behandelte er ihn mit der Milde, welche dem Arzt so gut ansteht. »Was sich der Herr Baron für Sorge machen!« sagte er kopfschüttelnd. »Ich glaube, der Mann, mit dem ich habe gemacht das Geschäft, hat seinen guten Vortheil dabei gehabt. Es sind große Eichenlieferungen ausgeschrieben, dabei sind für Einen, der dort oben wohnt, hundert Procent zu verdienen. Ich glaube, er wird sie haben verdient. Das Geschäft, welches ich mit ihm gemacht habe, ist gewesen gut und sicher, wie es kein Kaufmann von der Hand weisen wird. Und wenn er auch ein schlechter Mensch wäre, was haben Sie, gnädiger Herr, darum zu sorgen? Ich habe keinen Grund gehabt, Ihnen den Namen des Mannes und des Ortes zu verbergen, ich habe Ihnen doch Beides damals nicht gesagt, weil nicht Sie gemacht haben das Geschäft, sondern ich. Ich bin gewesen Ihr Schuldner, und ich habe Ihnen zurückgezahlt das Geld mit einer Provision. Mit einer guten Provision, das ist wahr. Ich habe seit Jahren Vieles bei Ihnen verdient, warum soll ich nicht zuerst Ihnen den Vortheil gönnen, den ich jedem Andern auch gegeben hätte? Was machen Sie sich Sorgen, Herr Baron, um Dinge, die nicht sind!«

      »Das verstehen Sie nicht, Ehrenthal,« sagte der Gutsherr freundlicher; »es ist mir lieb, daß die Sache so steht. Wäre der Betrüger jener Mann gewesen, mit dem Sie gehandelt haben, so hätte ich unser Verhältniß abgebrochen, ich hätte Ihnen nie verziehen, daß Sie mich wider meinen Willen zum Mitschuldigen eines Betrugs machten.«

      Ehrenthal wurde entlassen, und der Freiherr war von einer schweren Sorge befreit. Er beschloß, sich näher nach jenem beliebigen Namen und dem unbekannten Dorfe zu erkundigen. Er erkundigte sich aber nicht darnach; durch die überstandene Angst war ihm die Erinnerung an das Geldgeschäft sehr peinlich geworden, und er mühte sich, gar nicht mehr daran zu denken.

      Er war ein zartfühlender, guter Herr, und Ehrenthal war derselben Meinung, denn als er die Treppe hinunterging, murmelte er vor sich hin: »Er ist gut, der Baron, er ist gut!«

      VII

      Anton stand unter der gemeinsamen Oberhoheit der Herren Jordan und Pix und entdeckte bald, daß er die Ehre hatte, kleiner Vasall eines großen Staatskörpers zu sein. Was die unerfahrene Außenwelt höchst oberflächlich unter dem Namen Commis zusammenfaßt, das waren für ihn, den Eingeweihten, sehr verschiedene, zum Theil Ehrfurcht gebietende Aemter und Würden. Der Buchhalter, Herr Liebold, thronte als geheimer Minister des Hauses an einem Fenster des zweiten Comtoirs in einsamer Majestät und geheimnißvoller Thätigkeit. Unaufhörlich schrieb er Zahlen in ein ungeheures Buch, und sah nur selten von seinen Ziffern auf, wenn sich ein Sperling auf die Gitterstäbe des Fensters setzte, oder wenn ein Sonnenstrahl die eine Fensterecke mit gelbem Glanze überzog. Herr Liebold wußte, daß der Sonnenstrahl nach den alterthümlichen Gesetzen des Universums in keiner Jahreszeit weiter dringen durfte, als bis zur Spitze des Fensterbrets, aber er konnte sich doch nicht enthalten, ihm plötzliche Ueberfälle auf das Hauptbuch zuzutrauen, und beobachtete ihn deßhalb mit argwöhnischen Blicken.

      Mit der Ruhe seiner Ecke contrastirte die ewige Rührigkeit in der entgegengesetzten.

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