Скачать книгу

Daher sind denn auch wol unsere Zeitungen ohne alle Ausnahme so schlecht und Wahrscheinlichkeit dafür, daß eine nach einem der jetzigen Zeit mehr angemessenen Plane vielen Beifall und einen brillanten Absatz haben würde. Wir haben also ...

      Das wären mithin unsere Zeitungsunternehmungen. Andere literarische werden wir jede Messe einige machen, um in Leipzig Tauschartikel zu haben, da wir viel deutsche Bücher beziehen müssen. Sollten Sie also selbst etwas auf dem Amboß haben oder von Ihren literarischen Freunden dergleichen wissen, so bitten wir Sie recht sehr, dabei an uns zu denken. Sie werden es so gut fühlen als wir, daß unser Comptoir als ein junges neues Geschäft doppelt vorsichtig bei der Wahl seiner Verlagsartikel sein muß, und uns also nur so was anrathen und anbieten, dessen Beifall und guter Aufnahme Sie sicher wären. Ich habe in einem der neuesten Stücke der »Französischen Miscellen« die Ursache ersehen, warum Sie Ihr hinreißend interessantes Tagebuch nicht fortgesetzt haben, daß Sie es aber fortsetzen wollen. Haben Sie dazu schon einen Verleger? Sonst bin ich Ihr Mann. Es würde mir sehr viel Freude machen, wenn wir dieses anziehende Werk herausgeben könnten. Melden Sie mir mit umgehender Post doch das Nähere hierüber.

      Ich denke, sollten Daunon, Chenier, Riouffe, Oelsner, Ginguené u. a. nicht auch noch Memoiren oder andere Producte ähnlichen Inhalts in ihrem Pulte besitzen? ... Sie kennen diese Männer alle. Denken Sie dabei an uns. Wir bieten die Hand und besitzen jedes Mittel dazu; u. s. w.

      Bevor wir Cramer's Antwort auf diesen Brief mittheilen und die daraus hervorgehende geschäftliche und freundschaftliche Verbindung zwischen beiden Männern schildern, haben wir über die holländische Zeitschrift »De Ster« (»Der Stern«) zu berichten, da sie Brockhaus' erstes Verlagsunternehmen war.

      Die erste Nummer dieser Zeitschrift erschien am 11. März 1806. Ein Redacteur ist nicht genannt, jedenfalls besorgte Brockhaus selbst die Redaction. Auch ein Verleger ist auf dem Blatte nicht namhaft gemacht, wie überhaupt das Erforderniß solcher Angaben erst eine Erfindung der spätern Preßgesetzgebung ist. Die Ankündigungen sind entweder »Der Unternehmer« oder »Die Expedition des Stern« oder »Das Expeditions-Comptoir in der Warmoesstraat No. 2« unterzeichnet. Gedruckt wurde das Blatt von J. G. Rohloff, dem Firmaträger des Geschäfts.

      Der »Ster«, der dreimal wöchentlich in Klein-Folio-Format erschien, war keine politische Zeitung, sondern eine politisch-literarische Zeitschrift. In dem von »den Unternehmern« in holländischer Sprache ausgegebenen Programme heißt es ausdrücklich:

      Das hauptsächlichste Ziel ihrer Zeitschrift soll nicht das sein, die allgemeine Neugierde nach politischen Gegenständen auf die gewöhnliche Art zu befriedigen, vielmehr werden alle sogenannten posttäglichen Zeitungsnachrichten davon ausgeschlossen bleiben. Statt dessen werden die Sammler dahin trachten, ihrer Nation die nähere Verbindung der besondern Weltverhältnisse kennen zu lehren; den Fortschritt oder das Zurückgehen der Cultur und Aufklärung bei andern Völkern zu ihrer Wissenschaft zu bringen und ihr dadurch gewissermaßen einen Prüfstein für ihre eigenen in die Hand zu geben; Nachrichten vom Zustande des Handels, der Manufacturen und Fabriken in andern Ländern mitzutheilen; Bemerkungen über dasjenige, was in dieser Rücksicht in unserm eigenen Vaterlande Neues an den Tag tritt einzuschalten; das lesende Publikum durch geistvolle Aufsätze aller Art angenehm und lehrreich zu unterhalten; endlich durch unparteiische Beurtheilungen einen Versuch zu machen, auf unsere Sitten, gesellschaftlichen Einrichtungen, einige Zweige der Staatsverwaltung von einigem Einflusse zu sein: eine Aussicht allerdings sehr weiten Umfangs, deren Nützlichkeit aber Unternehmer und Redacteurs sich Mühe geben werden, nie aus dem Gesichte zu verlieren.

      Diesem Programm gemäß brachte »De Ster« neben Besprechungen von literarischen und Theaterangelegenheiten, die den größten Raum einnehmen und eigenthümlicherweise bisweilen auch in französischer und deutscher Sprache geschrieben sind, keine politischen Nachrichten, sondern Erörterungen über die politische Lage Europas. Bei aller Bewunderung der Französischen Revolution und ihrer Principien, die nach der damaligen Zeitströmung begreiflich ist und von dem Herausgeber Brockhaus persönlich getheilt wurde, hielt sich das Blatt doch fern von einer Verherrlichung Napoleon's und verrieth durchaus keine Sympathien für dessen nivellirende Maßregeln und immer deutlicher hervortretende Absicht, der am 16. Mai 1795 mit französischer Hülfe proclamirten Batavischen Republik wieder ein Ende zu machen; ja seine Politik wird bald offen gemisbilligt, bald durch versteckte Satire angegriffen.

      Am 29. April 1805 war die Verfassung der Batavischen Republik auf Napoleon's Wunsch zum dritten male umgeändert und der Patriot Rütger Jan Schimmelpenninck, in dem er ein gefügiges Werkzeug für seine Plane zu finden hoffte, als Groß- oder Rathspensionär (unter Erneuerung dieses alten holländischen Staatsamtes) mit fast unbeschränkter königlicher Macht an die Spitze derselben gestellt worden. Schimmelpenninck benutzte seine Stellung aufs beste, um die durch Gebietsabtretungen an Frankreich und England geschwächte und finanziell zerrüttete Republik wieder zu heben. Doch gelang ihm dies nur zum kleinsten Theile, während er dadurch Napoleon's Mistrauen erweckte. Als sich bald darauf ein Augenübel Schimmelpenninck's so verschlimmerte, daß dieser fast ganz erblindete, benutzte Napoleon diesen Umstand, um den ihm jetzt gefährlich erscheinenden Patrioten zu beseitigen und mit seinem langgehegten Plane offen hervorzutreten. Er schlug vor, seinen Bruder Ludwig Bonaparte zum König von Holland zu wählen. Vergebens bemühte sich Schimmelpenninck, diesem gewaltsamen Aufdrängen eines Fremdlings entgegenzuwirken; Napoleon's Wunsch war damals so gut wie ein Befehl, und am 5. Juni 1806 wurde sein Bruder zum König von Holland ausgerufen, die Batavische Republik war todt. Das Königreich Holland von Napoleon's Gnaden hatte freilich auch keinen langen Bestand: die neuen Unglücksfälle, die das Land trafen, veranlaßten den König schon am 1. Juli 1810 die Krone zu Gunsten seines ältesten Sohnes (des ältern Bruders Napoleon's III.) niederzulegen, doch Napoleon erkannte dies nicht an; ein Decret vom 9. Juli 1810 vereinigte das Königreich Holland mit dem französischen Kaiserreiche, und erst im Herbste 1813 wurde durch die Schlacht bei Leipzig auch Hollands staatliche Selbständigkeit wiederhergestellt.

      Wir mußten an diese geschichtlichen Daten erinnern, weil durch sie die Haltung und das Schicksal der jungen Zeitschrift erklärt wird. Als »De Ster« am 11. März 1806 zu erscheinen begann, bestand die Batavische Republik noch, und die Zeitschrift wirkte im Sinne des mit Brockhaus persönlich befreundeten Großpensionärs Schimmelpenninck. Indeß schon in ihrer Nummer 37 vom 3. Juni hat sie die Umwandlung der Republik in ein Königreich zu melden; in der zweitfolgenden Nummer 39 vom 7. Juni muß sie erklären, daß sie »auf Wunsch der Herren Magistratspersonen der Stadt Amsterdam« nicht fortfahren kann, »betrachtende Artikel, den gegenwärtigen Zustand unsers Vaterlandes betreffend«, aufzunehmen; die nächste Nummer aber, Nr. 40 vom 10. Juni, ist zugleich die letzte: »De Ster« war durch königlichen Befehl vom 9. Juni unterdrückt worden! Gründe dieses Verbots sind in dem betreffenden Decrete nicht angegeben; sie lagen wol darin, daß die neuen Machthaber überhaupt kein politisches Blatt dulden wollten, das nicht ganz ihren Absichten huldigte.

      Trotz dieses Schlags verlor übrigens Brockhaus den Muth nicht; er gründete sofort ein neues Blatt unter dem Titel »Amsterdamsch Avond-Journal« oder vielmehr er änderte nur den bisherigen Titel »De Ster« in jenen um, denn das neue Blatt gleicht dem alten vollständig, sowol äußerlich wie innerlich, und tritt selbst so offen als unmittelbare Fortsetzung desselben auf, daß Nr. 2 den Schluß eines in der letzten Nummer des »Ster« begonnenen Artikels bringt! In der vom 19. Juni (also nur neun Tage nach dem Erscheinen der letzten Nummer des »Ster«) datirten Nr. 1 ist ein Auszug aus einem königlichen Decrete vom 16. Juni abgedruckt, worin die Erlaubniß zu dem neuen Blatte ertheilt ist. Dieses hielt sich indeß noch weniger lange als das frühere; es erschienen davon nur zwanzig Nummern, die letzte am 2. August, ohne daß über den Grund seines Aufhörens etwas mitgetheilt ist.

      Einige Aeußerungen Cramer's (in seinen »Individualitäten«) über den »Ster« mögen als die einzige uns bekannte öffentliche Besprechung und zur Charakterisirung der Zeitschrift wie ihres Begründers hier folgen.

      Cramer schreibt aus Amsterdam vom 17. Februar 1806:

      Es werden noch manche Sterne aufgehen, denke ich, am hiesigen sowie an allen Horizonten der Welt. Einer, an

Скачать книгу