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von Gläubigen nach Clay-County, und dieses Herzuströmen der Mormonen in Masse, sowie die treffliche Organisation der Secte, die sie stets planvoll und gemeinsam handeln und dadurch rasche Erfolge erzielen ließ, erweckte den Argwohn des Volkes auch hier. Man trat zu Versammlungen zusammen, wählte Ausschüsse und bewirkte durch Zureden, daß die Mormonen nach den benachbarten Grafschaften Davies, Caldwell und Carroll auswanderten. Hier wußten sie, in der Hoffnung, ferner nicht mehr gestört und vertrieben zu werden, mit ihrer rührigen, regsamen Weise und ihrem fast immer gut rechnenden Verstande sich's bald bequem zu machen. Wo das Jahr zuvor nur der unstete Jäger gehaust und der Urwald gerauscht, erhoben sich mit Maisfeldern und Mühlen, Werkstätten und Speichern die Städtchen Dewitt, Far West und (an der Stelle, wo der Erste der Menschen, einer Offenbarung Smiths zufolge, einst seine Kinder gesegnet) Adam-On-Diahman, und im Frühling 1837 war die Zahl der Gläubigen in Missouri bereits auf zwölftausend gestiegen.

      Aber die Kirche war fortwährend von Zwistigkeiten zerrissen. Ehrgeizige Heuchler mischten sich in ihr mit ehrlichen Bethörten, ja selbst entschiedene Schurken und Verbrecher suchten in ihrer Mitte eine Zuflucht und einen neuen Wirkungskreis. Ein Theil der Brüder machte falsches Geld. Die Mehrzahl widersetzte sich dem, aber nicht eher wurden die Uebelthäter verjagt, als bis Smith selbst, der jetzt auf immer nach dem Westen kam, sich ins Mittel schlug.

      Auch über Shinear-Kirtland nämlich war Unglück hereingebrochen. Die Yankeenatur des Propheten und seiner Freunde hatte ihn bewogen, ein Bankgeschäft zu errichten, das auf den nach einer Offenbarung den Mitgliedern der Secte auferlegten Zehnten von allem ihrem Besitze gegründet war. Diese Bank hatte, trotzdem daß ihr die gesetzlich erforderte Bestätigung vorenthalten wurde, Noten ausgegeben, beträchtliche Summen ausgeliehen, noch beträchtlichere aufgenommen u. s. w. Das war eine Weile trotz der ziemlich unbesonnenen Verwaltung des Geschäfts ganz leidlich gegangen. Aber plötzlich wendete sich das Blatt. Die Bank mußte ihre Zahlungen einstellen, die Gläubiger machten einen Proceß wegen Schwindelei anhängig, und Smith und Rigdon mußten, um dem Sheriff und seinem Verhaftsbefehle, ja vielleicht dem Zuchthause in Columbus zu entgehen, sich bei Nacht und Nebel aus dem Staate flüchten.

      Sie gingen nach Zion in Missouri, wo es Smith sehr bald gelang, die etwas gelockerte Disciplin unter den Heiligen wiederherzustellen, wo aber andrerseits seine und noch mehr Rigdons Predigten dazu beitrugen, die Entladung des Gewitters, das auch hier über den Häuptern der Secte hing, zu beschleunigen. Lauter nämlich wie je vorher wurde jetzt verkündigt, daß der ganze Westen den Mormonen dereinst als Erbtheil zufallen und daß der Herr ihre Feinde durch das Schwert vertilgen und alle »Heiden«, d. h. alle Unbekehrten von dort vertreiben werde. Mancher Mormone mochte dadurch zu der Ansicht kommen, daß das Eigenthum Nichtgläubiger schon jetzt eigentlich den Kindern Zions gehöre und daß folglich eine Entfremdung desselben nur eine Vorausnahme der Zukunft, nur eine Herstellung des richtigen Verhältnisses der Dinge, nur eine Erhebung der schlechten Wirklichkeit in die wahre sei. So mögen hin und wieder Kuh- und Pferdediebstähle vorgekommen sein. Dazu kam der Umstand, daß die goldne Bibel die Indianer von den Hebräern abstammen und sie bei ihrer nahebevorstehenden Bekehrung ihre Wiedereinsetzung in ihren Besitz als Ureinwohner des Landes hoffen ließ, woraus die Missourier, von denen viele mit ihrem Blute den Rothhäuten ihren Grund und Boden bezahlt hatten, den erklärlichen, wenn auch nicht sehr logischen Schluß zogen, die Jünger Smiths hätten ein Bündniß mit den Wilden im Sinne, um einen Vernichtungskrieg gegen sie zu beginnen. Man sieht, es waren hier wie dort Misverständnisse. Alle Beschwerden auf Seiten der Gegner des Mormonenthums aber begleitete unzweifelhaft der Neid, der den Heiligen die Errungenschaften ihres Fleißes nicht gönnte, und die Habgier, welche dieselben gern ohne Kaufschilling an sich gebracht hätte.

      Im Sommer 1838 kam es bei Gelegenheit einer Wahl von Beamten in Caldwell-County, wo man die Mormonen nicht stimmen lassen wollte, zu Thätlichkeiten zwischen den feindlichen Parteien. Es erfolgten mehrere Verwundungen, und einer der Heiligen wurde erstochen. Im Herbste nahmen die hierauf sich entspinnenden gegenseitigen Neckereien den Charakter ernstlicher Feindseligkeiten an. Eine aus den eifrigsten Jüngern Smiths gebildete Schaar, Daniten oder Würgengel genannt, verbrannte die Ortschaften Gallatin und Millport, wogegen die Antimormonen, unter dem Oberbefehle des Methodistenpredigers Bogard, der später wegen Mordes nach Texas flüchtete, mehrere Farmen der Heiligen beraubten und zerstörten. Endlich griff ein Haufe Mormonen eine Milizcompagnie, die von dem Anführer im Dunkel der Nacht für eine Rotte Pöbel gehalten wurde, mit Flintenschüssen an, und diese mußte sich mit Verlust mehrerer Todten zurückziehen.

      Damit war der Bürgerkrieg im Kleinen da. Der Gouverneur Boggs rief die Miliz des Staates Missouri zu den Waffen, um den Ruhestörungen ein Ende zu machen. Diese Landwehr war vom brennendsten Hasse gegen die fanatische Secte erfüllt, und so war ihre nächste Waffenthat, daß sie in einem Blockhause bei Hauns Mill vierundzwanzig wehrlose und unschuldige Mormonen, meist Frauen, Greise und Kinder, mit kaltem Blute niederschoß. Einige Tage nachher erschienen die Generale Clark und Lucas mit 3500 Mann vor Far West. Beim Anblicke dieser offenbaren Uebermacht ergaben sich die Heiligen, die damals 1100 Streiter zählten, legten ihre Waffen nieder und lieferten auf Verlangen sechs ihrer Führer, darunter den Propheten, zur Bestrafung aus. Diese wurden nur durch das Dazwischentreten des Generals Doniphan vor dem Erschießen bewahrt, in's Gefängniß gebracht, um unter der Anklage des Hochverraths, des Mordes und der Brandstiftung vor Gericht gestellt zu werden. Die große Masse des unseligen Volkes aber mußte mit ihrem gesammten Eigenthume die Kriegskosten bezahlen, und mitleidlos trieben die Vollstrecker der Befehle des mindestens nicht unparteiischen Gouverneurs die Armen mit Weib und Kind mitten im November über die Grenzen des Staates auf die öden Prairien von Iowa, wo Massen von ihnen durch Kälte, Hunger und Krankheit den Tod fanden.

      Das war eine schwere Heimsuchung. Aber ihr folgte eine Glanzperiode, deren man eine Secte von so gemeinem Ursprunge und so gemischtem Wesen nicht fähig halten sollte. Die Exulanten wurden von dem Nachbarstaate Illinois freundlich aufgenommen, und nachdem sie sich hier in Quincy und dessen Umgebung einige Wochen aufgehalten, wählten sie, von Dr. Gallant auf diesen gut gelegenen Punkt aufmerksam gemacht, das Städtchen Commerce zum bleibenden Aufenthalte, welches sie in Nauvoo – das heißt auf neuägyptisch »die Schöne« – umtauften. Diese neue »ewige Wohnung« der Heiligen vom jüngsten Tage lag in Hancock-County auf einem Hügelvorsprunge am Mississippi, nicht weit vor den Des Moines-Wasserschnellen, am Rande einer prachtvollen, wellenförmigen Prairie, die durch den Fleiß der Ankömmlinge rasch in reichtragende Felder verwandelt wurde. Commerce war ein Haufe elender schmuziger Blockhütten gewesen, Nauvoo war schon nach Verlauf von drei Jahren die größte und schönste Stadt in Illinois.

      Smith und die anderen Führer der Secte, welche mit ihm in's Gefängniß gebracht worden waren, benutzten den 4. Juli, wo ihre Wächter den Jahrestag der Unabhängigkeitserklärung durch allzureichlichen Genuß geistiger Getränke gefeiert hatten, zur Flucht über die Grenze. Bei den Ihrigen eingetroffen, wußten sie zu bewirken, daß die Gesetzgebung von Illinois den Mormonen außergewöhnliche Vorrechte zur Förderung ihrer Colonie gewährte, und mit diesen versehen, wuchs dieselbe mit unerhörter Schnelligkeit. Rasch entstanden Straßen und Plätze, Häuser und Blumengärten. Die benachbarten Sümpfe, welche Anfangs tödtliche Fieberluft aushauchten, wurden durch großartige Drainirungsanstalten entwässert. Meilenweit in's Land hinein sah man auf eingezäunten Aeckern Mais und Weizen reifen, während die Prairie herrliches Viehfutter gewährte. Kaufleute eröffneten Läden mit den Erzeugnissen des Ostens, welche die Dampfboote auf dem Strome herzuführten. Eine Freimaurerhalle und ein Concerthaus, eine Universität und ein großer Gasthof, zu dessen Wirthe Jehova in einer feierlichen Offenbarung vom 19. Januar 1841 den Propheten selbst bestimmte, wurden erbaut. Einer Gesellschaft, zur Betreibung der Landwirthschaft im Großen wurde Concession ertheilt, und als die Mormonen eine Legion zur Vertheidigung ihrer Niederlassung errichteten, lieferte ihnen der Staat die Waffen dazu.

      Die Krone des Ganzen aber versprach der Tempel zu werden, zu welchem am 6. April 1841 der Grundstein gelegt wurde. Das Modell dazu hatte der Prophet von einem Engel empfangen. Die Ausführung mußte einem »heidnischen,« d. h. einem ungläubigen Baumeister übertragen werden, welcher, als Smith ihm den »Bauplan des Herrn« beschrieb, anfänglich Schwierigkeiten machte, sich aber schließlich einverstanden erklärte. Smith hatte erkannt, daß ein solches Centralheiligthum ein gutes Bindemittel sein werde, und so wurde seine Errichtung in allen auswärtigen Gemeinden als religiöse Pflicht gepredigt.

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