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Mitteilungen über beabsichtigte Schritte des Kabinetts, gestützt auf Mitteilungen „zwar nicht aus meiner ‚offiziellen’, aber doch aus ziemlich glaubhafter Quelle”. Am 20. Mai 1854 klagt er, daß seine „diplomatische Quelle” eine weite Reise angetreten habe. „Eine so vorzügliche Quelle, durch die man kabinettsmäßig informiert war, zu haben und dann auf so lange Zeit wieder verlieren, ist überaus ärgerlich.” Aber er hat immer noch Nebenquellen, die ihn über Interna des Berliner Kabinetts unterrichten, und ist u. a. „zeitig vorher von Bonins Entlassung usw.” benachrichtigt worden.

      Einige dieser Quellen standen dem Berliner Hof sehr nahe, und ihre Berichte mögen auch Lassalles Schritt veranlaßt haben. Die geistige Zerrüttung Friedrich Wilhelm IV. war um das Jahr 1857 bereits sehr weit vorgeschritten, und wenn auch die getreuen Minister und Hüter der monarchischen Idee sie noch nicht für genügend erachteten, des Königs Regierungsunfähigkeit auszusprechen, so wußte man doch in allen unterrichteten Kreisen, daß der Regierungsantritt des Prinzen von Preußen nur noch eine Frage von Monaten sei.

      In Berlin vollendete Lassalle zunächst den Heraklit, der Ende 1857 im Verlage von Franz Duncker erschien.

      Über dieses beinahe mehr noch philologische als philosophische Werk gehen die Meinungen der Sachverständigen auseinander. Die einen stellen es als epochemachend hin, die andern behaupten, daß es in der Hauptsache nichts sage, was nicht schon bei Hegel zu finden sei. Richtig ist, daß Lassalle hier fast durchgängig auf althegelschem Standpunkt steht – die Dinge werden aus den Begriffen entwickelt, die Kategorien des Gedankens als ewige metaphysische Wesenheiten behandelt, deren Bewegung die Geschichte erzeugt. Aber auch diejenigen, welche die epochemachende Bedeutung der Lassalleschen Arbeit bestreiten, geben zu, daß sie eine sehr tüchtige Leistung ist. Sie verschaffte Lassalle in der wissenschaftlichen Welt einen geachteten Namen.

      Für die Charakteristik Lassalles und seines geistigen Entwicklungsganges ist sein Werk über Herakleitos den Dunklen von Ephesos aber nicht bloß darin von Bedeutung, daß es Lassalle als eben entschiedenen Anhänger Hegels zeigt. Man kann auch dem bekannten dänischen Literarhistoriker G. Brandes zustimmen, wenn er in seiner oft zugunsten belletristischer Ausschmückung mit den Tatsachen ziemlich frei umspringenden Studie über Lassalle2 auf verschiedene Stellen in der Arbeit über Heraklit als Schlüssel zum Verständnis von Lassalles Lebensanschauungen hinweist. Es gilt dies namentlich von Lassalles großem Kultus des Staatsgedankens – auch in dieser Hinsicht war Lassalle Althegelianer – und in bezug auf Lassalles Auffassung von Ehre und Ruhm. Brandes schreibt in ersterer Hinsicht:

      „Heraklits Ethik, sagt Lassalle, faßt sich in den einen Gedanken zusammen, der zugleich der ewige Grundbegriff des Sittlichen selbst ist: ‚Hingabe an das Allgemeine.’ Das ist zugleich griechisch und modern; aber Lassalle kann sich das Vergnügen nicht versagen, in der speziellen Ausführung dieses Gedankens bei dem alten Griechen die Übereinstimmung mit Hegels Staatsphilosophie nachzuweisen: ‚Wie in der Hegelschen Philosophie die Gesetze gleichfalls aufgefaßt werden als die Realisation des allgemeinen substantiellen Willens, ohne daß bei dieser Bestimmung im geringsten an den formellen Willen der Subjekte und deren Zählung gedacht wird, so ist auch das Allgemeine Heraklits gleich sehr von der Kategorie der empirischen Allheit entfernt.’” (Vgl. a. a. O. S. 40.)

      Brandes hat nicht Unrecht, wenn er zwischen dieser Staatsidee, die bei Lassalle immer wiederkehrt, und Lassalles Bekennerschaft zur Demokratie und zum allgemeinen Stimmrecht – die doch die Herrschaft des „formellen Willens der Subjekte” darstellen – einen Gegensatz erblickt, den man „nicht ungestraft in seinem Gemüte hegt”, und der in der Welt der Prinzipien das Gegenstück zu dem Kontrast darstelle, der „rein äußerlich zutage trat, wenn Lassalle mit seiner ausgesucht eleganten Kleidung, seiner ausgesucht feinen Wäsche und seinen Lackstiefeln in und zu einem Kreise von Fabrikarbeitern mit rußiger Haut und schwieligen Händen sprach”.

      Das ist belletristisch ausgedrückt. Tatsächlich hat Lassalles althegelsche Staatsidee ihn später im Kampf gegen den Liberalismus weit über das Ziel hinausschießen lassen.

      Über Lassalles Auffassung von Ehre und Ruhm schreibt Brandes:

      „Noch eine Übereinstimmung, die letzte zwischen – Heraklit und Lassalle, bildet der trotz des Selbstgefühls und des Stolzes so leidenschaftliche Drang nach Ruhm und Ehre, nach der Bewunderung und dem Lobe anderer. Heraklit hat das oft zitierte Wort gesprochen: ‚Die größeren Schicksale erlangen das größere Los.’ Und er hat gesagt, was das rechte Licht auf diesen Satz wirft: ‚Daß die Menge und die sich weise Dünkenden den Sängern der Völker folgen und die Gesetze um Rat fragen, nicht wissend, daß die Menge schlecht, wenige nur gut, die Besten aber dem Ruhme nachfolgen. ‚Denn,’ fügt er hinzu, ‚es wählen die Besten eins statt allem, den immerwährenden Ruhm der Sterblichen.’ Ruhm war für Heraklit also gerade jenes größere Los, welches das größere Schicksal erlangen kann; sein Trachten nach Ehre war nicht nur das unmittelbare, welches im Blute liegt, sondern ein durch Reflexion und Philosophie begründetes. ‚Der Ruhm’, sagt Lassalle, ‚ist in der Tat das Entgegengesetzte von allem, das Entgegengesetzte gegen die Kategorie des unmittelbaren realen Seins überhaupt und seiner einzelnen Zwecke. Er ist Sein der Menschen in ihrem Nichtsein, eine Fortdauer im Untergang der sinnlichen Existenz selbst, er ist darum erreichte und wirklich gewordene Unendlichkeit des Menschen”, und mit Wärme fügt er hinzu: ‚Wie dies der Grund ist, weshalb der Ruhm seit je die großen Seelen so mächtig ergriffen und über alle kleinen und beschränkten Ziele hinausgehoben hatte, wie das der Grund ist, weshalb Platen von ihm singt, daß er erst annahen kann ‚Hand in Hand mit dem prüfenden Todesengel’, so ist es auch der Grund, weshalb Heraklit in ihm die ethische Realisierung seines spekulativen Prinzips erblickte.’”

      Allerdings lag es nicht in Lassalles Natur, sich mit dem Ruhm, der erst Hand in Hand mit dem Todesengel annaht, zu begnügen. Im Gegensatz zu der Heraklitischen Verachtung der Menge war er für den Beifall durchaus nicht unempfindlich und nahm ihn selbst dann, wenn er mehr Höflichkeitsform war, unter Umständen mit fast naiver Genugtuung für die Sache selbst auf. Die Vorliebe für das Pathos, die sich bei Lassalle in so hohem Grade zeigte, deutet in der Regel auf eine Neigung zur Schauspielerei. Ist Lassalle nun auch von einer Dosis davon nicht ganz freizusprechen, so kann man ihn wenigstens nicht anklagen, daß er aus dem, was Brandes „seine unselige Vorliebe für den Lärm und Trommelschall der Ehre, für ihre Pauken und Trompeten” nennt, je einen Hehl gemacht habe. In seinen Schriften, in seinen Briefen tritt sie mit einer Offenheit zutage, die in ihrer Naivetät etwas Versöhnendes hat. Wenn Helene von Rakowitza in ihrer Rechtfertigungsschrift erzählt, daß Lassalle ihr in Bern ausgemalt habe, wie er einst als volkserwählter Präsident der Republik „von sechs Schimmeln gezogen” seinen Einzug in Berlin halten werde, so ist man versucht, entweder an eine Übertreibung der Schreiberin zu glauben, oder anzunehmen, daß Lassalle sich durch Ausmalen einer so verlockenden Zukunft um so fester in dem Herzen seiner Erwählten festzusetzen hoffte. Indes, die bekannte schriftliche „Seelenbeichte” an Sophie von Sontzew beweist, daß es sich bei diesem Zukunftsbild keineswegs nur um die Spielerei einer müßigen Stunde, um den Einfall eines Verliebten handelte, sondern um einen Gedanken, in dem Lassalle selbst sich berauschte, dessen Zauber einen mächtigen Reiz auf ihn ausübte. Er nennt sich – im Jahre 1860 – „das Haupt einer Partei”, in bezug auf das sich „fast unsere ganze Gesellschaft” in zwei Parteien teile, deren eine – ein Teil der Bourgeoisie und das Volk – Lassalle „achtet, liebt, sogar nicht selten verehrt”, für die er „ein Mann von größtem Genie und von einem fast übermenschlichen Charakter ist, von dem sie die größten Taten erwarten”. Die andere Partei – die ganze Aristokratie und der größte Teil der Bourgeoisie – fürchtet ihn „mehr als irgend jemand anders” und haßt ihn daher „unbeschreiblich”. Werde die Frauenwelt dieser aristokratischen Gesellschaft es Sophie von Sontzew nicht verzeihen, daß sie einen solchen Menschen heiratete, so werden auf der andern Seite viele Frauen es ihr nicht verzeihen, daß ein solcher Mensch sie heiratete, „sie eines Glückes halber beneiden, das ihre Verdienste übersteige”. Und „freilich, ich verhehle es Ihnen nicht, es könnte wohl sein, daß, wenn gewisse Ereignisse eintreten, eine Flut von Bewegung, Geräusch und Glanz auf Ihr Leben fallen würde, wenn Sie mein Weib werden.”

      So übertrieben alle diese Äußerungen erscheinen, so wenig sie der Wirklichkeit

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<p>2</p>

G. Brandes, Ferdinand Lassalle. Ein literarisches Charakterbild. Berlin 1877.