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Sämmtliche Werke 4: Mirgorod. Gogol Nikolai Vasilevich
Читать онлайн.Название Sämmtliche Werke 4: Mirgorod
Год выпуска 0
isbn
Автор произведения Gogol Nikolai Vasilevich
Жанр Классическая проза
Издательство Public Domain
Sämmtliche Werke 4: Mirgorod / Gutsbesitzer der alten Zeit / Taraß Bulba / Wij / Wie Iwan / Iwanowitsch und Iwan Nikiforowitsch sich entzweiten / Die / Equipage
Vorrede des Herausgebers
Die in diesem Bande vereinigten Erzählungen bilden die Fortsetzung der Novellensammlung „Abende auf dem Gutshofe bei Dikanka“, durch welche Gogols Name zuerst in der breiteren Öffentlichkeit bekannt wurde und die ihn sogleich an die Seite der ersten Schriftsteller Rußlands stellte. Es ist jedoch kein eigentlich gedanklicher Zusammenhang, der die beiden Novellenbände miteinander verbindet; sie bilden nicht etwa ein durch eine fortlaufende Handlung oder eine einheitliche Idee zusammengehaltenes Ganzes, sondern sind durchaus selbständig und voneinander unabhängig, so wie auch jede einzelne Novelle in ihrer Art ein in sich geschlossenes und für sich dastehendes Kunstwerk ist. Was Gogol trotzdem veranlaßte, die Novellen „Mirgorod“ als Fortsetzung des ersten Sammelbandes zu bezeichnen – das war der gemeinsame Schauplatz und der gemeinsame Charakter und Stil, der diese Novellen kennzeichnet. Es ist das Leben jenes eigenartigen kleinrussischen Volksstammes, aus dem Gogol selbst hervorgegangen ist, das durchgehend den Stoffkreis dieser Novellen bildet, und es ist jene seltsame Mischung von ungebundener Phantastik und derber Realistik, in der ihre stilistische Einheit liegt.
Gogols starkes schriftstellerisches Talent hat sich schon sehr früh angekündigt; schon während seiner Schulzeit bildete sich ein ausgesprochen parodistischer und karikaturistischer Hang bei ihm aus, der ihn bei seinen Kameraden und Mitschülern gefürchtet machte. Allein der Jüngling maß diesen Talenten keine ernstere Bedeutung bei, da sein hochfliegendes Streben eine ganz andere Richtung eingeschlagen hatte. Er wollte seinen Namen durch eine Großtat verewigen, und seinem Traume winkte kein geringeres Ziel, als die Reformation und Beglückung seines Vaterlandes und des ganzen Menschengeschlechtes. Der Staatsdienst erschien ihm als das einzige Feld, auf dem er seine ehrgeizigen Pläne verwirklichen konnte, und so trieb es ihn gleich nach Vollendung seiner Studien im Lyzeum zu Njeschin aus seiner kleinrussischen Heimat nach Petersburg, wo er einen seiner Begabung und seinen Fähigkeiten angemessenen Wirkungskreis zu finden hoffte. Doch schon die ersten Schritte auf dem schlüpfrigen Boden der Großstadt brachten ihm eine Enttäuschung. Er fand hier keineswegs die Beachtung, die seinem Talente entsprach und hatte mit schweren Entbehrungen und Nahrungssorgen zu kämpfen. In diese Zeit fällt sein erster literarischer Versuch, die Dichtung „Hans Küchelgarten“: ein Idyll im Stile von Johann Heinrich Voß mit einem starken Einschlag romantischer Stimmungen. Es schildert die Flucht eines schwärmerischen, für große Taten begeisterten Jünglings aus der Enge und Dumpfheit eines friedlichen provinziellen Daseins an der Seite der Geliebten, seine Irrfahrten und die Rückkehr des Enttäuschten in den Schoß der Familie. Doch dieser Erstling, auf den Gogol so große Hoffnungen gesetzt hatte, trug ihm keinen Erfolg ein und erfuhr von der Kritik eine entschiedene Ablehnung. Erbittert und verärgert kaufte der Dichter alle Exemplare von dem Verleger zurück, um sie für immer zu vernichten, und floh aus Petersburg, wo er so viele zerstörte Illusionen zurückließ, ins Ausland, um die häßlichen Eindrücke zu vergessen und als neuer Mensch ein neues Leben zu beginnen. Indessen auch dieser Versuch mißglückte. Gogol hielt es im Auslande nicht lange aus und kehrte schon nach einem Monat wieder nach Petersburg zurück, wo er als Beamter in das Apanagedepartement eintrat. Allein der Aufstieg auf der Leiter der Beamtenhierarchie vollzog sich viel zu langsam für den hochstrebenden Jüngling, auch stand die Tätigkeit, der er sich hier widmen mußte, in einem zu krassen Gegensatze zu jenem Ideal eines freien Wirkens im Dienste des Vaterlandes und der Menschheit, das ihm unablässig vorschwebte, und sein Beamtengehalt war viel zu klein, um ihm eine gesicherte Existenz zu gewähren. Da mochte ihm denn der Gedanke gekommen sein, sein schriftstellerisches Talent und seine Kenntniß Kleinrußlands zu verwerten, um sich die Mittel zum Leben zu erwerben. Er wollte das russische Publikum mit seiner Heimat und ihren Bewohnern bekannt machen, zumal sich gerade in jenen romantischen Zeiten ein besonderes Interesse für neuentdeckte Länder und Volksstämme bemerkbar machte. So entstanden die prachtvollen leben- und kraftstrotzenden Erzählungen: „Abende auf dem Gutshofe bei Dikanka“, durch die Gogol zum Entdecker einer völlig neuen, damals noch ganz unbekannten Welt wurde, und die seinen Namen mit einem Schlage berühmt machten. Diese Novellen zeigen Gogol sogleich auf der Höhe seines Könnens. Das sind wunderbare farbensatte Bilder kleinrussischen Volkslebens, vorzüglich der niederen Schichten, mit einer derben Realistik und naiven Sinnenfreude an der knorrigen Urkraft und der grellen Buntheit dieses Lebens gestaltet, und das Ganze ist in eine phantasievolle Märchensphäre hinaufgerückt, wo die Geschöpfe der Volkssage: die Nixen, Hexen, Wald- und Hausgeister humorvoll in das irdische Treiben hineinspielen. Gogols junger Dichterruhm brachte ihn bald in nähere Berührung mit den bedeutendsten Vertretern der russischen Dichterschule, vorzüglich mit Puschkin, der mit sicherem Blick sogleich die stärkste Seite an Gogols Talent, seine einzigartige Begabung für die Darstellung des Engen, Beschränkten, Gemeinen und Trivialen herausfand, und in ihm den Dichter des Alltags entdeckte. Von nun ab gewann Puschkin einen immer stärkeren und entscheidenderen Einfluß auf Gogols Schaffen. Diese Zeit geistiger Freundschaft und Gemeinschaft mit Puschkin ist zugleich die schönste und heiterste Epoche im Leben Gogols, denn Puschkin verstand es, die finsteren Schatten, die Gogols Seele schon damals bedrängten, und sie nachmals völlig in ihren Bannkreis zogen, zu verscheuchen; es ist zugleich die fruchtbarste Periode in Gogols dichterischem Schaffen, in der solche Meisterwerke, wie die ersten Kapitel der toten Seelen und der Revisor entstanden. Auch der Novellenzyklus Mirgorod gehört diesem Zeitabschnitt an. Die einzelnen Novellen dieser Sammlung sind unabhängig von einander entstanden, sie stehen, wie schon erwähnt, ganz selbständig da, und bedürfen zu ihrem Verständnis keineswegs der Kenntnis der vorhergehender Erzählungen; trotzdem aber geht etwas wie eine gemeinsame Idee oder doch eine Grundstimmung durch das Ganze, die das ästhetische Band dieser Novellen bildet. Das ewige Thema in Gogols Leben und Dichten kündigt sich hier zum ersten Male an: der furchtbare Kontrast zwischen dem, was für ihn Leben bedeutet: einem von einem beherrschenden Zweck erfüllten und durchdrungenen Streben, einer Beseelung der materiellen Daseinsäußerungen, ihre Erhebung zu einer geistigen Bedeutung, – und dem wirklichen Abbild des menschlichen Treibens, wie es sich uns in Wahrheit darbietet und das erdrückende Übergewicht in allem menschlichen Geschehen bildet. In dem ersten Teil des Mirgorod tritt dieses Motiv in einem stark abgetönten Gegensatz hervor. Die Erzählung „Gutsbesitzer aus der alten Zeit“ läßt es noch kaum merklich anklingen, und die kritische Stimmung tritt noch stark gegenüber dem Gefühl freundlicher Sympathie für die Helden dieser Novelle zurück. Mit mildem Humor und warmer Liebe zeichnet uns Gogol hier das Bild zweier alter Leute, die in zärtlicher Zuneigung verbunden, langsam dahinwelken. Ihre ganze Existenz wurzelt in den allerprimitivsten natürlichsten Lebensfunktionen und erhebt sich keinen Augenblick über das Niveau der gewöhnlichsten materiellen Bedürfnisse. Sie sind ganz Trieb, ganz Natur, alle geistigen Ansprüche liegen ihnen völlig fern, und das verleiht ihrer Existenz etwas Ganzes, Harmonisches, von keinem Mißklang Getrübtes. Ihre schlichte Einfalt und ihre natürliche Güte gewinnt unsere Herzen, dennoch aber erscheint uns dies Dasein mit all seiner ruhigen Heiterkeit und in dem Frieden, der über ihm ruht, arm und inhaltsleer, da es in seinem ewig gleichmäßigen Abfluß durch keinen Zweck und Sinn geadelt wird. So konnte es Gogol wohl reizen, das Gegenbild dieses Lebens aufzustellen, das trotz all den freundlichen Seiten, die er ihm abzugewinnen vermochte, doch nur ein Schatten des wahren Lebens war. Die Gegenwart konnte ihm nicht bieten, was er suchte, sie erschien ihm grau, öde und tot, und so flüchtete er in die Vergangenheit, in die er wie ein echter Romantiker sein Ideal verlegte, und die er mit der ganzen Farbenpracht einer verschwenderischen Phantasie ausstattete. Die Geschichte seiner Heimat hatte von jeher eine starke Anziehungskraft auf ihn ausgeübt, und ihr entnahm er auch den Stoff zu seiner großen Heldendichtung „Taraß Bulba“. In der freien Ungebundenheit des Kosakentums, in dem großartigen Schwung dieses noch von keinen staatlichen Schranken beengten und durch die großen Kämpfe um Volkstum und Religion zu hoher Bedeutung emporgehobenen Lebens trat ihm eine neue Welt entgegen, in der er sich heimisch fühlte, und die den stärksten Kontrast zu der Monotonie des stumpfen Dahinvegetierens bildete, das ihn an der Gegenwart so sehr abstieß. Die eigentümlichen Verhältnisse des geschichtlichen Werdens hatten in der Tat in dem Kosakentum ein Volksgebilde von kraftvoller Eigenart und Ursprünglichkeit geschaffen. Die Not der Zeit, die Raubzüge der Tataren, die verheerend und verwüstend über Südrußland hinweggezogen waren, hatten eine Anzahl verwegener Männer zur Abwehr dieser Horden an den Ufern und auf den Inseln des Dnjepr zusammengeführt. Flüchtlinge, Räuber und Freibeuter aus