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gute Bissen auch in die Klausur gereicht wurden.«

      Flehend sah der Mönch den Spottenden an: »Ich habe es gebeichtet und gebüßt.«

      »Ich hoffe, die Pönitenz war nicht hart, Bruder Rigbert,« lachte Immo, doch herzlicher fuhr er fort: »Ich weiß, daß du mir in guter Meinung rätst, und will mich wahren, so sehr ich kann. Doch jetzt erzähle, Landsmann, von deinem eigenen Vaterhause im freien Moor, das sie Friemar nennen. Wie lebt Baldhard der alte, dein Vater, und Sunihild, deine Mutter? Manchen Trunk Milch bot sie mir, sooft ich durch das Dorf ritt und an ihrem Zaune hielt, und manch warnendes Wort sprach dein Vater, das ich ungern vernahm, obwohl er recht hatte. Aber ich mußte ihn mit Ehrfurcht hören, wegen seines weißen Haars und weil er meinem Vater wert war. Wenn er in unseren Hof kam, erhielt er immer den besten Herdsitz; denn es ist, wie du weißt, von alter Zeit gutes Vertrauen zwischen dem Edelhof und dem Freihof.«

      »Ich sah das Dach meiner Eltern ragen, Vater und Mutter sah ich nicht«, klagte Rigbert leise; Immo starrte ihn erstaunt an. »Für mich war geschrieben, du sollst Vater und Mutter verlassen; ich wandte das Gesicht ab, als ich das Haus zwischen den Linden erkannte, damit den Heiligen meine Entsagung gefalle und mein Gebet für die Eltern Erhörung finde.«

      Immo fuhr wieder mit einem Satze von dem Gefährten weg auf den Balken der Turmluke und starrte schweigend ins Freie. Als er sich nach einer Weile umwandte, bemerkte er mißfällig das gesenkte Haupt und die gefalteten Hände des Mönches und begann ungeduldig: »Merke wohl, Rigbert, dürftig ist die Kunde, die du mir aus der Heimat zuträgst.«

      »Vater Reinhard bringt üble Neuigkeit von den Gütern in Thüringen«, versetzte Rigbert vorsichtig.

      »Hat der Hof meiner Mutter Frieden mit den Nachbarn?«

      »Sorglos weidete man in deiner Heimat die Herden, und ohne Wächter arbeiteten die Leute auf dem Felde. Nur deine Mutter sprach bekümmert mit Vater Reinhard.«

      »Du spendest dürftigen Trank wie ein karger Wirt, ich muß dich unfreundlich schelten.«

      »Viel mehr habe ich dir gesagt, als mir zu sagen recht ist. Nur weil ich noch meine Reisekutte trage, getraue ich mich so mit dir zu sprechen. Wenn die Väter heute abend zur Hora rufen, dann flehe ich die Brüder fußfällig an, daß sie alle für mich wegen meiner Reisesünden beten, dann, hoffe ich, wird ihr Flehen auch meiner Schwatzhaftigkeit die Vergebung gewinnen. Sonst spräche ich nicht mit dir, wie ich jetzt getan. Daran denke, Immo, und zürne mir nicht.«

      »Gutwilliger als du will ich dir verkünden, was wir hier im Kloster vernahmen«, begann Immo versöhnt. »Ein Heereszug steht bevor und gewaltiges Getöse von Speer und Schild. Die Herrschaft des neuen Königs Heinrich, dem die Völker im vorigen Jahre den Herrenstuhl erhöht haben, zerreißt in Stücke, sein ganzes Reich gleicht unserer Eisbahn auf der Fulda, als sie beim Tauwind brach. Überall schlagen die Eisschollen gegeneinander. Täglich erzählen in unseren Herbergen die Gäste und die armen Wanderer, daß alles schwankt, was fest war. Der streitbare Held Hezilo, der Babenberger, hat sich machtvoll gegen den König erhoben, mit ihm verbunden ist der eigene Bruder des Königs, dann der tapfere Graf Ernst, von dem alle Spielleute singen, auch die Slawenherzöge und viele Fürsten des Reiches. Die Mönche behaupten, daß der König geringe Hoffnung hat, seinen Feinden zu widerstehen. Die Grafen hier in der Nähe rufen ihre Dienstmannen, werben Reisige und treiben Rosse und Rinder in ihre Burgen, keiner traut dem anderen und alle schreien, daß der große Streit um das Reich ausgefochten werden soll, sobald die Ernte von den Feldern herein ist. Ich aber hoffe, wenn erst die Waffen um Wigberts Haus dröhnen, wird auch mir gelingen, hinauszufahren.«

      »Sinnst du so Arges,« sprach Rigbert unwillig, »dann ist dir jedes Wort schädlich, das ich aus der Fremde berichtete, und mich reut‘s, daß ich dir den Frieden der Seele verstörte.«

      »Hoffst du hier im Kloster Frieden zu finden?« fragte Immo lachend. »Bald wirst du merken, daß die Väter in der Klausur geradeso zwieträchtig gegeneinander stehen wie die Kriegsleute draußen. Denn unser Abt, Herr Bernheri, will dem König dienen, Tutilo aber ist ein Oheim des Babenbergers Hezilo. Oft hören wir durch den Zaun Geschrei der Mönche und heftige Worte, bald für König Heinrich, bald für den Hezilo.«

      Rigbert wandte sich schweigend der Treppe zu.

      »Nur eins sage mir noch, bevor sie dich einsperren,« rief Immo, indem er mit großem Satz zu dem Mönche sprang und seine Hand faßte, »denn lange habe ich nach dir ausgesehen und diese Stunde erwartet. Vernahmst du daheim Gutes oder Böses von dem Manne, der den Söhnen Irmfrieds feindselig denkt, obgleich er der Bruder ihres toten Vaters ist. Hast du vernommen, für welchen König mein Oheim Gundomar in das Feld reitet?«

      »Er weilt, wie die Landsleute sagen, beim König Heinrich, dem er seit lange vertraut ist, und man rühmt ihn als gewaltigen Kriegsmann.«

      »Wir aber haben wenig Treue von ihm erfahren. Nur einmal sah ich ihn, als ich noch ein Kind war, da schleuderte er mich aus seinem Wege, daß ich mit blutendem Haupt auf dem Boden lag. Mir wäre willkommener, gegen ihn im Felde zu stehen als an seiner Schwertseite. Doch wir von der äußeren Schule sind alle für König Heinrich.«

      Während Immo mehr zu sich selbst als zu dem Mönch sprach, glitt dieser lautlos die Treppe hinab. Immo stand allein und seufzte schwer. Was er aus der Heimat gehört hatte, machte ihm das Herz nicht leichter, und der neue Lehrer war ihm vollends nicht zur Freude. Noch einen Blick warf er vom Turm hinab, um dem Tutilo oder anderen Dekanen nicht über den Weg zu laufen, dann eilte er abwärts und wand sich zwischen Gebäuden und Hecken den Gärten zu. Da er hinter sich Tritte von Männern und Pferden hörte, fuhr er durch eine Lücke des Zauns, die ihm wohlbekannt war, auf die andere Seite der grünen Wand und pries sein gutes Glück, als er aus dem Versteck den gefürchteten Tutilo erkannte, welcher, zur Reise gerüstet, neben einem fremden Kriegsmann dem Ausgange zuschritt. Immo wußte, daß der Fremde seit dem Morgen im Gasthaus des Klosters lag und wunderte sich über die Vertraulichkeit, mit welcher der Reisige den stolzen Mönch behandelte, denn er ging, sein Roß am Zügel führend, sorglos auf der Ehrenseite und trug den schlechten Eisenrock mit der Haltung eines Fürsten. Während Immo vom Wege wich, wechselten die beiden den Scheidegruß. »Lebe wohl, Vetter,« sprach der Fremde, »unlustig war diesmal mein Sitz an deiner Gastbank, denn die neugierigen Augen deines Volkes und die gewundenen Fragen machten mir Sorge.«

      Tutilo lächelte. »Viele der Wigbertleute kennen den Grafen Ernst von Angesicht, und wohl alle haben von deinem Heldenwerk vernommen, welches die Wanderer rühmen. Gerade deinetwegen schwärmt heut‘ mein ganzes Volk in der Ferne auf grünem Rasen, der Pförtner aber ist mir treu. Dennoch rate ich, daß du ohne Säumen aufbrichst. Vertraue mir, ich hindere die Reise zum Könige, welche unser Abt den Dienstmannen des Klosters bereitet.«

      »Denke auch daran,« unterbrach ihn der Fremde eifrig, »uns das Land offen zu halten für den Zug unserer Heerhaufen, welche wir aus Sachsen und Thüringen erwarten. Denn ich kenne den falschen König, er ist behend wie ein Wiesel, und seine Augen sind bei Tag und Nacht geöffnet, ich sorge, er reitet eher ins Feld als wir. Lebe wohl, Vetter, sehe ich dich wieder, so rüstest du mir ein Festmahl in der Abtei.«

      Der Mönch sprach den Segen, und der Fremde schwang sich auf das Roß. Als der Hufschlag in der Ferne verklang, schritt auch Tutilo der Pforte zu, an welcher ihn Reinhard erwartete.

      Immo harrte, bis alles um ihn still war, dann spähte er durch die Tür des Arzneigartens, und als er den alten Sintram darin sah, trat er vorsichtig ein und näherte sich dem Mönch, welcher mit dem Grabscheit vor einem kleinen Gesträuch stand und unverwandt eine Blume betrachtete. Der Jüngling sprach seinen Gruß, der Alte nickte ihm freundlich zu, gab ihm das Grabscheit in die Hand und wies auf das Beet, an dem er gegraben hatte. Geduldig begann Immo die unwillkommene Arbeit, der er sich nach Klostersitte nicht entziehen durfte.

      Unterdes beharrte Sintram vor dem Strauch, bis er endlich in seiner Freude das Schweigen brach: »Sieh diese Rose, die ein Bruder dem Wigbert aus Gallien gebracht hat; wie eine Kugel war sie geschlossen, aber die liebe Sonne hat ihr den Mund geöffnet; blicke hinein, schöne Farben hat sie und zahllose Blätter. Halte deine Nase näher heran, denn die Würze ihres Geruchs ist heilkräftig, und die bösen Geister, welche in den Leib fahren und Siechtum bereiten, fürchten den Duft und meiden ihre Nähe. Die Weisen sagen, sie

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