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Die Ahnen. Gustav Freytag
Читать онлайн.Название Die Ahnen
Год выпуска 0
isbn
Автор произведения Gustav Freytag
Жанр Зарубежная классика
Издательство Public Domain
Dem Roß hatte er den Zügel über den Hals geworfen, folgsam wie ein Hund sprang es dem Manne nach; auch dem Hengst war der unebene Weg zum Spiele. Zufrieden maß der Wächter mit den Augen einen starken Schwung, den der Fremde über den Gießbach getan hatte, und betrachtete darauf die Fußtritte auf dem weichen Grund. »Du schreitest mächtig für einen müden Mann,« sagte er, »mich dünkt, du hast wohl schon früher weite Sprünge auf blutiger Heide gewagt. An deiner Spur sehe ich, daß du von unserem Volke bist, denn die Spitze des Fußes strebt auswärts und stark drückt der Ballen. Vordem hielt ich dich nach deiner Rede für einen fremdländischen Mann. Hast du einmal Römertritte geschaut?«
»Sie schreiten mit kleinem Fuß und kurzem Schritt auf ganzer Sohle wie müde Leute.«
»So sagen auch unsere Männer, die im Westen waren. Ich habe bisher nur waffenlose Händler des schwarzhaarigen Volkes gesehen«, fügte er entschuldigend hinzu.
»Mögen die Schicksalsfrauen den Römerfuß von eurem Grunde fernhalten«, antwortete der Fremde.
»Du sprichst wie unsere Alten; wir Jungen aber denken, kommen sie nicht zu uns, so kommen wir wohl zu ihnen, denn wundervoll soll ihr Land sein, alle Häuser von buntem Stein, das ganze Jahr mildes Sonnenlicht und im Winter grüne Erde; der süße Wein gemeiner als Dünnbier, von Silber die Sessel und Bänke, die Mädchen tanzen im Goldschmuck und seidenem Gewand und der Krieger ist ein Herr der ganzen Pracht.«
Vergebens erwartete der Wächter die Antwort des Fremden, sie schritten eine Weile stumm nebeneinander, endlich faßte der Jüngling das Roß beim Zügel: »Hier wird die Talfahrt wegsamer, steig auf, daß wir vor abends ans Ziel kommen.« Der Fremde legte die Hand auf den Widerrist des Pferdes und sprang wuchtig in den Sitz, der Führer nickte zufrieden und pfiff leise, das Roß trug den Reiter in großen Sätzen talab, der Jüngling lief zu Fuß nebenher, seinen Speer schwingend und bisweilen dem Roß zujauchzend, welches dann den Kopf zu ihm wandte und zur Antwort wieherte.
»Wer sind die Weiber dort in hellen Gewändern?« fragte der Fremde, als sie nahe der Lichtung auf einer Höhe anhielten und in das Gehege sahen. »Hui!« rief der Wächter, »die Mägde vom Herrenhofe sind gekommen, dort ist Fridas braune Kuh, hörst du die schöne Schelle, die ihr am Halse hängt, und dort ist das Mädchen selbst.« Sein gerötetes Gesicht verriet, daß ihm die Begegnung erfreulich war.
»Sieh die alten Hütten, in ihnen wohnt der Rinderhirt, im Sommer ziehen die Rinder des Dorfes auf Waldweide, und unsere Mädchen kommen und holen die Arbeit des Kellers nach dem Herrenhofe. Dort drüben aber im Buchenwalde haust der Schweinhirt mit seinem Volk, es gibt nicht schönere Mast im Lande, soweit die Sonne scheint.« Sie betraten die Lichtung, der Wächter entfernte die Stangen, welche den Eingang zum Rinderpferch verlegten, und der Fremde ritt in den umhegten Raum, wo die Kühe brüllend umherliefen, während die Frau des Hirten mit ihren Mägden das Milchgerät zum kühlen Keller trug, der aus Stein und Moos gefügt abwärts von der Sonne lange Reihen der Milchschüsseln bewahrte. »Gutes Glück, Fremdling,« rief der Wächter, »unser Herrenkind, Irmgard, ist selbst hier, um nach der Herde zu sehen; wird sie dir hold, so kannst du guter Pflege gewärtig sein.«
»Welche ist es, die du mit Namen nennst?« fragte der Fremde.
»Dort befiehlt sie den Mägden, du kennst sie leicht heraus.« Die Jungfrau stand bei dem Karren, der mit zwei Stieren bespannt den Gewinn der Milchkammer zum Herrenhof fahren sollte: festgeschlagene Butter in Fässern vom Holz des wilden Pflaumenbaums und kümmelgewürzten Käse in grüne Blätter gepackt.
»Geh zu ihr, Gesell, und künde, daß ein Fremder bittend naht. Ich scheue mich, das Kind deines Herrn anzureden, solange mir der Vater nicht den Herdsitz gestattet hat. Und da du freundlich gesinnt bist, sprich gut von mir, soweit du vermagst.« Der Fremde sprang vom Pferde und neigte sich der Jungfrau aus der Ferne.
Frei ringelten die gelben Locken um ihre hohe Gestalt, sie umsäumten die kräftigen Formen des jugendlichen Antlitzes und wallten lang herab bis an die Hüften. Ein silberbeschlagener Gürtel hielt das weiße Linnengewand zusammen, darüber trug sie ein kurzes Oberkleid von feiner Wolle, zierlich mit der Nadel gestickt, über dem Handgelenk der nackten Arme goldene Ringe. Aus großen Augen sah sie nach dem Fremden hinüber und erwiderte mit leisem Kopfnicken den ehrerbietigen Gruß.
Der Wächter trat zu dem Herrenkind: »Der Fremde sucht eine Ecke an unserer Bank und eine Herdstelle für sein wegemüdes Haupt; ich geleite ihn zum Hofe, daß der Herr über sein Schicksal entscheide.«
»Wir geben dem Wanderer Rast, den die Götter uns senden. Wer er auch sei, ob gut oder arg, der bittend unserem Herde naht, drei Tage hat er Gemach, dann fragt der Vater, ob er ein gerechter Mann ist und unseres Daches nicht unwert. Denn du weißt es ja selbst, Wolf, viel wildes Volk zieht elend durch das Land und trägt den Fluch, der an seinen Schritten haftet, in das Haus des ehrlichen Mannes.«
»Er sieht aus, wie einer, der sich ehrlich hält gegen Freund und Feind«, sprach der Wächter.
Die Jungfrau warf einen flüchtigen Blick auf den Fremden: »Wenn er sich so bewährt, wie du sagst, so mögen wir uns seiner Ankunft freuen. Reich ihm den Krug mit Milch, Frida!«
Der Fremde trank, und als er den Krug dankend an Frida zurückgab, sagte er: »Segen über deine milde Hand. Der erste Gruß im Lande war willig von warmherzigem Manne geboten, der zweite hier sei mir eine Verkündigung, daß ich auch im Herrenhause den Frieden finde, nach dem ich mich leidvoll sehne.«
Unterdes hatte der Wächter für sich eins von den Rossen eingefangen, welche in besonderem Gehege sprangen. Während er sich anschickte aufzusitzen, trat die rotwangige Frida zu ihm: »Glück hattest du, Wolf, im Schlafe,« spottete sie, »an dem Grenzdorn ist, da du ruhtest, ein fremder Vogel hängen geblieben. Wie war dein Schlummer, Wächter, auf dornigem Lager?«
»Die Eule ließ mich nicht schlafen, sie stöhnte über Frida, die bei Nacht am Zaune steht und rüttelt, um zu erfahren, von wannen ihr ein Hausherr kommen wird.«
»Ich aber sah einen Stieglitz auf dürrem Strauch, der sammelte alte Distelwolle zu einem Ehebett für den reichen Wolf.«
»Und ich weiß eine Stolze,« versetzte Wolf zornig, »welche Veilchen zertrat, die sie suchen sollte, und dabei in die Nesseln fiel.«
»In die Nesseln deines Ackers nicht, du dummer Wolf!« versetzte Frida zornig.
»Ich kenne eine, der ich den Ball nicht zuwerfe beim nächsten Reigen«, antwortete Wolf.
»Wenn der Wolf tanzt, fliegen die Gänse auf den Baum und lachen«, spottete Frida.
»Winde dir ein Kränzlein aus Haferstroh, Jungfer Gans«, rief Wolf vom Pferde zurück und trabte abwärts mit dem Fremden, der sich zartfühlend auf die Länge eines Speerwurfes von diesem Wechselgespräch entfernt hatte.
»Er ist ein unartiger Knabe«, klagte Frida der Herrin.
»Aus dem Walde schallte zurück, was du hineingerufen«, antwortete diese lachend. Und dem fremden Reiter nachsehend fuhr sie fort: »Er sieht aus wie ein Herr über viel Volk.«
»Und doch war sein Bundschuh zerrissen und die Jacke so reisemüde«, sagte Frida.
»Meinst du, daß der Fels nur die Füße des armseligen Wanderers schneidet? Wer weither kommt, von dem glauben wir, daß er viel gesehen hat und viel gewagt; es tut uns leid, wenn er ein arger Mann geworden ist aus Begehrlichkeit und Not, und wir wollten ihm gern Frieden geben, wenn wir es vermöchten.«
Die Sonne ging zur Rüste und die Bäume warfen lange Schatten auf den Weg, als die Reiter das Ende des Talgrundes erreichten. An beiden Seiten wichen die Berge zurück, längs dem Bache breiteten sich helles Gras und bunte Wiesenblumen, ein rothaariger Fuchs fuhr vor ihnen über den Pfad. »Der Rotkopf weiß, daß