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und dann wandte sich der Dolmetscher zu den Weißen. Eine Viertelstunde von hier läge das Dorf, versicherte er, sie wüßten es ganz gewiß. Zwei von ihnen wollten die Zugänge desselben bewachen und die übrigen hier aus den mitgenommenen Decken ein Zelt errichten. Der Plan der Gallinas sei ihm und seinen Genossen jetzt ganz klar.

      »Und wenn uns die schwarze Bande in Gemeinschaft verrät?« flüsterte Bolten.

      »Dann sind wir unter allen Umständen verloren. Unserer drei gegen ebenso viele Hunderte.«

      »Aber wir haben die Gewehre!«

      »Dem Himmel sei Dank dafür! Die Schurken fürchten uns wie den bösen Feind, weil eben die Feuerwaffen aus so weiter Entfernung zu schaden vermögen.«

      Achilles und seine Genossen bauten mit flinken Händen das Zelt, reinigten den Boden von Moos und Insekten und zündeten bei einbrechender Dunkelheit ein riesiges Feuer an, welches die Raubtiere verscheuchen sollte. Zwei Neger verschwanden ganz in der Stille, die anderen trugen Wasser herbei, kochten Kaffee und rösteten Mais zwischen rohen Feldsteinen, dann aber mußten auf ihren Rat die Gewehre, auch die der fortgeschlichenen Krumänner, vor dem Zelt zusammengestellt werden. Nachdem das geschehen, begaben sich scheinbar alle zur Ruhe, die Weißen im Zelt, die Neger davor. – Stunde nach Stunde verrann; von fern brüllten mit ihren greulichen Stimmen die wilden Tiere; im Gebüsch raschelte und krachte es wie von glatten Schlangenleibern, vom Fuß schleichender Raubkatzen; das Feuer hüllte alles in seine purpurnen Gluten; nagende, quälende Unruhe hielt die drei leise flüsternden Deutschen wach. So ganz allein am Rande der Zivilisation, nahe jener Gegend, die noch kein weißer Mann betreten, den Schwarzen und den reißenden Tieren wehrlos preisgegeben, – das konnte mit Recht eine böse Lage genannt werden.

      Und Doktor Bolten flüsterte kaum hörbar: »Vater, wenn es möglich ist, so laß diesen Kelch vorübergehen.«

      »Amen!« schluchzte Hans, der wohl fühlte, daß dies Gebet seinem verschwundenen Bruder galt.

      Achilles, der vor dem Eingang des Zeltes saß, hob in diesem Augenblick die Hand.

      Vom Schein des Feuers hell bestrahlt, warf die schwarze Hand einen Riesenschatten, – unwillkürlich erstickte ihr Erscheinen jeden Laut.

      Der Neger streckte sich, als schlafe er; tiefe Totenstille beherrschte die Umgebung, dann hoben von hinten mehrere Hände den Zeltvorhang auf. Gallinas in starker Anzahl hielten das Lager umzingelt, hatten die Gewehre ergriffen und die Messer der drei Deutschen an sich gerissen, ehe viel Zeit verging; jetzt untersuchten sie sogar die Taschen und bemächtigten sich der Uhren, – nur die Bambusbüchse des Zauberers wurde verächtlich bei Seite geworfen.

      So schnell wie sie gekommen, verschwanden die unheimlichen Gäste.

      »Und nun?« fragte Bolten. »Sie haben den Jungen doch sicher ermordet.«

      Achilles schüttelte lachend den Kopf. »Wozu?« sagte er. »Bald genug hier sein, – sehr bald.«

      Und wirklich war kaum eine Viertelstunde vergangen, als aus dem nächsten Gebüsch die beiden Kruneger hervortraten, in ihrer Mitte den Knaben, grinsend von einem Ohr zum andern, äußerst vergnügt, daß sie List mit List vergolten hatten. Franz war unversehrt, er flog den anderen entgegen und warf sich stürmisch in ihre Arme. Minuten verflossen, bis einer der Männer sprechen konnte. »Kinder,« stammelte endlich Doktor Bolten, »Kinder, laßt mich unserm Gott danken und diesen beiden braven schwarzen Menschenbrüdern hier —«

      Aber weiter kam der alte deutsche Theologe nicht, sondern ging mit offenen Armen zu den beiden fettglänzenden, schwarzen Wilden und küßte die erstaunten Gesichter, – und das war ein echter, wahrhaftiger Gottesdienst, wie er tief aus dankbarem Herzen heraufquoll.

      »Nur mein kostbares Zauberpulver ist gerettet!« rief Holm, »sonst alles dahin. Aber gerade dieses – O nein!« unterbrach er sich plötzlich, »das ist denn aber doch empörend!«

      Man umringte ihn und sah in die offene Schachtel hinein. Sand, purer grauer Sand, weiter war nichts darin. Der Zauberer hatte das vielbegehrte Hundehalsband erlangt, sein Geheimnis aber daneben schlau bewahrt.

      Ein dröhnendes, nicht endenwollendes Gelächter stellte die urgemütliche Reiselaune wieder her. »Gib nur acht, Karl,« rief Franz, »ich will den Betrüger mit seinen eigenen Waffen schlagen. Er soll mich für einen noch größeren »Medizinmann« halten, wie er selbst es ist und schon Respekt bekommen. – Jetzt aber laßt uns wandern! Auf, hinaus in den Mondschein!«

      »Aber ohne Waffen!« rief Hans.

      »Nicht ganz!« lächelte Holm. »Meine Taschenpistolen hatte ich in Sicherheit gebracht.«

      Er zog die Waffen unter dem Moos hervor und lud beide Läufe. Auch einer der Neger brachte grinsend vor Vergnügen Bogen und Pfeile herbei, die er im Dorfe der Gallinas stibitzt hatte, und die Franz sogleich für Papas Museum mit Beschlag belegte. Das kaum errichtete Zelt wurde seiner Decken wieder beraubt, und dann im Freien am Wachtfeuer eine köstliche Mahlzeit gehalten; jetzt machte, nachdem Angst und Sorge vorüber waren, die Natur ihre Rechte doppelt geltend, und namentlich Franz schmauste wie ein Halbverhungerter. »Die Gallinas haben mir Heuschrecken vorgesetzt,« schauderte er, »und einen halb rohen, halb verbrannten Affenbraten.«

      »Aber wie war es eigentlich möglich, daß sie dich wegfangen konnten, ohne unsere Aufmerksamkeit zu erregen, Junge? Ich begreife es nicht.«

      »Sie warfen mir von hinten eine Decke über den Kopf,« erklärte Franz, »und wenn nur nicht gerade der eine große Elefant so fürchterlich trompetet hätte, dann müßtet ihr auch meinen Schreckensschrei und das Zerren und Schleifen durch die Gebüsche gehört haben. Aber darauf war vielleicht gerade gerechnet worden.«

      Man brach nun auf und hatte das Glück, im hellen Mondschein ungefährdet das Dorf Lope zu erreichen. Nur ein paar kleinere Tiere liefen über den Weg, aber die wurden verschont, teils um keine Zeit zu verlieren, teils weil man gar nicht in der Stimmung war, irgend ein Geschöpf zu töten. Die Botanisierkapseln waren dafür bis an den Rand gefüllt.

      Am folgenden Morgen begab sich Franz, mit einem kleinen Brennspiegel ausgerüstet, in die Nähe des Tempels und nahm seinen Platz so, daß er gerade vor der Tür der Hütte saß. Der Zauberer lag wie immer faul im Innern derselben.

      Alle übrigen hatten sich in der Nähe versteckt.

      Jetzt drehte Franz das Glas so, daß der Sonnenstrahl versengend die Hand des Zauberers traf und dieser erschreckt zurückfuhr. Er lugte durch eine Spalte der Bambuswand und gab so sein schwarzes Ohr preis, – husch, hatte der Strahl es erfaßt.

      Nun ging ihm die Geschichte über den Spaß. Er kam heraus, offenbar um das Ansehen seiner Person geltend zu machen; die Augen rollten vor Zorn, und die Fäuste waren geballt. Er schrie einige Worte in der Negersprache.

      Franz drehte heimlich das Brennglas und hielt es jetzt so, daß es der Schwarze deutlich sehen konnte. Im Zickzack stach es und prickelte Brust und Kopf, Schultern und Beine.

      Der Zauberer stieß ein sehr natürlich klingendes Geheul aus, schoß in die Hütte und erschien wieder mit dem Halsband, das er weit fortschleuderte. Sein Ruf klang jetzt unverkennbar wie »Gnade! Gnade!«

      Franz trat mit der ernsthaftesten Miene vor und nahm das Halsband vom Boden. »Betrug ist Betrug, auch wenn er komischer Natur wäre, nicht wahr, Herr Doktor? Damit durfte der graue Sünder nicht durchkommen.«

      Und lachend zogen alle von dannen. Die beiden Neger, welche Franz aus dem Dorf der Gallinas sicher zu den Seinigen gebracht hatten, sowie Achilles erhielten in Lagos namens der Eltern des Knaben von den Herren Geiser und Kopp eine ansehnliche Belohnung und dann ging es, von ihren Segenswünschen begleitet, beladen mit allen Schätzen dieser kleinen Reise, an Bord der Hammonia zurück.

      Trotz der mannigfachen Gefahren, die der kleine Trupp der Naturforscher mit Mut und Glück bestanden hatte, war die Ausbeute an Naturalien aller Art keine geringe geworden, nun galt es die gewonnenen Schätze vor dem Verderben zu bewahren, damit sie wohlerhalten in Europa anlangten, um den Gelehrten als Material zum Studium oder zur Vervollständigung der Sammlungen zu dienen.

      Zunächst wurden daher jene Gegenstände in Angriff genommen, die dem Verderben am meisten ausgesetzt waren,

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